| Interview der Woche

Anna Gehring: „Team bei Cross-EM an erster Stelle"

Mit einem überragenden Sieg in der U23-Wertung hat Anna Gehring (SC Itzehoe) am Samstag beim Cross in Pforzheim den Weg zur Cross-EM eingeschlagen – und das nach drei Wochen Acht-Stunden-Schichten im Krankenhaus. Warum der 20-Jährigen die duale Karriere wichtig ist, welche sportlichen Ziele sie dennoch ehrgeizig verfolgt und wieso es bei ihr in diesem Jahr – unter anderem mit U23-Gold über 5.000 Meter und Bronze bei der Aktiven-DM – so steil bergauf ging, verriet sie im Interview.
Silke Bernhart

Anna Gehring, nach 6.600 Metern in 23:52,4 Minuten haben Sie sich zunächst im Kampf um die Cross-EM-Tickets der U23 an die Pole Position gesetzt. Überrascht?

Anna Gehring:

Ich absolviere seit drei Wochen ein Pflege-Praktikum im Krankenhaus. Daher stand vor dem Rennen schon ein kleines Fragezeichen im Raum: Wie verkrafte ich es, wenn ich morgens um halb fünf aufstehen muss und vor dem Training acht Stunden arbeite? Da musste ich dann auch Einheiten streichen. Aber trotzdem wusste ich, dass hinten was geht, wenn ich die ersten Runden vorne mitlaufen kann.

Mit Maya Rehberg haben Sie dabei eine Olympiateilnehmerin und erfahrene Crossläuferin deutlich hinter sich gelassen…

Anna Gehring:

Ich war vor drei Wochen mit Maya und Caterina Granz im Trainingslager. Da haben wir alle ziemlich gut trainiert. Wir kennen uns auch schon von gemeinsamen Kader-Wochenenden, aber das war das erste Mal, dass wir alle länger zusammen trainiert haben. Und da wusste ich schon, dass ich mit Maya mitlaufen kann. Sie ist aber ja auch gerade erst aus der Saisonpause gekommen.

Um den Startplatz bei der Cross-EM in Chia auf Sardinien dingfest zu machen, müssen Sie nun noch am 27. November in Tilburg eine gute Leistung zeigen. Dazwischen liegt der Cross in Darmstadt, bei dem sich weitere starke U23-Läuferinnen präsentieren. Wie sehen Ihre weiteren Schritte aus?

Anna Gehring:

Ursprünglich war geplant, dass ich auch noch in Darmstadt laufe – aber jetzt ist der Cross in Tilburg ja der entscheidende. Daher fahre ich nur nach Tilburg. Drei Rennen sind zu viel, zumal wir hier aus dem Norden ja auch immer so eine lange Anreise haben. In Tilburg muss ich in die Top 20 laufen, um mich endgültig zu qualifizieren.

Diese Herausforderung können Sie jetzt vermutlich optimistisch angehen…

Anna Gehring:

Ich bin ganz zuversichtlich, dass ich mich qualifizieren kann. Und ich hoffe natürlich auch, dass wir ein starkes Team aus vier bis fünf Läuferinnen zusammenbekommen, damit wir auch als Mannschaft an den Start gehen können.

Welches Resultat halten Sie bei den Europameisterschaften im Einzel und mit dem Team für realistisch?

Anna Gehring:

Da ich dieses Mal erstes Jahr U23 bin, habe ich gar keinen Druck. Wenn wir als Team hinfahren, dann steht auf jeden Fall die Mannschaftsplatzierung an erster Stelle. Ich denke, da können wir schon unter die ersten Fünf laufen, vielleicht sogar in die Top Drei, wenn es richtig gut läuft. Wenn dann auch noch die Einzelplatzierung gut ist, ist es umso schöner.

Eine Cross-EM ist ja kein Neuland für Sie. Im vergangenen Jahr zählten Sie zum siegreichen deutschen U20-Team. Wie ordnen Sie den Crosslauf ein: heimliche Liebe oder notwendiges Übel?

Anna Gehring:

Ich mache das schon gerne. Aber ich freue mich auch, wenn es in der Saison dann wieder auf die Bahn geht. Crosslauf ist schon etwas ganz anderes. Die Geschwindigkeit ist nicht so hoch, dafür geht es mehr in die Kraft-Ausdauer. Im Winter bringt es Spaß, weil es Abwechslung reinbringt. Und es ist gut für den Kopf, dass die Zeit keine Rolle spielt.

Auf der Bahn mussten Sie sich in den vergangenen Monaten aber auch keine Sorgen um Zeiten machen: Über 5.000 Meter haben Sie sich um 35 Sekunden auf 16:09,95 Minuten gesteigert, wurden Deutsche U23-Meisterin und Dritte der Aktiven-DM. Wie erklären Sie sich diese starke Saison?

Anna Gehring:

Bisher war ich oft verletzt und konnte die letzten sechs bis acht Wochen vor dem Saison-Höhepunkt nicht trainieren. Ich hatte auch ein Jahr lang mit einer Achillessehnen-Reizung zu kämpfen. Jetzt bin ich das erste Mal seit langem wieder verletzungsfrei durchgekommen. Ich denke, das hat sich ausgezahlt und erklärt den Leistungssprung. Ich habe gar nicht viele Wettkämpfe absolviert in diesem Jahr. Aber die, die ich gemacht habe, liefen dann umso besser.

Haben Sie mit den 5.000 Metern Ihre Lieblingsstrecke gefunden?

Anna Gehring:

Ja, schon. Für die kürzeren Strecken fehlt die Sprint-Schnelligkeit. Und bei den längeren Strecken muss man sich so lange zurückhalten und sich das Rennen gut einteilen. Das liegt mir auch nicht so besonders. Daher sind die 5.000 Meter ideal.

Schnell über 5.000 Meter und erfolgreich im Gelände: Da sind Gedanken an die 3.000 Meter Hindernis nicht weit. Auch eine Option für die Zukunft?

Anna Gehring:

Ich habe bisher ein Hindernis-Training absolviert und mir dabei gleich einen Muskelfaserriss zugezogen. Anschließend konnte ich drei Monate nicht trainieren. Aber ich hätte durchaus Ambitionen – Gerd Frähmcke aus meinem Verein war ja auch 1976 Olympiateilnehmer über die Hindernisse. Aber ich glaube, in nächster Zeit wird das erst mal nichts…

Was Ihre berufliche Zukunft betrifft, mussten Sie sich in diesem Jahr nach dem Abitur schon genaue Gedanken machen. Sie sprachen das Pflege-Praktikum an…

Anna Gehring:

Ich möchte gerne Medizin studieren. Und das dreimonatige Pflege-Praktikum, das ich gerade absolviere, gehört zum Studium dazu. In diesem Jahr habe ich leider noch keinen Studienplatz bekommen, das Praktikum konnte ich aber vorziehen. Ich muss realistisch sein: Ich denke, ich werde nie so schnell laufen, dass ich mein Leben langfristig darauf aufbauen kann. Daher kann ich bei der Berufswahl darauf auch keine Rücksicht nehmen. Das Medizinstudium möchte ich unbedingt machen. Aber das Laufen macht mir auch Spaß. Wie es da weiter geht, wird sich in den nächsten Jahren entscheiden. Wenn ich mir etwas vornehme, dann schaffe ich das meistens auch, und ich denke schon, dass es möglich ist, beides miteinander zu vereinbaren. 

Wo soll es sportlich im kommenden Jahr hingehen?

Anna Gehring:

Ich würde gerne bei den U23-Europameisterschaften über 5.000 Meter starten. Und wieder auch bei den Deutschen Meisterschaften der Aktiven eine gute Leistung zeigen. 

Mehr:

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