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Björn Otto tankt Selbstvertrauen für die Hallensaison

Im Jahr 2014 hob Pilotenanwärter Björn Otto vor allem mit dem Flugzeug ab. In der kommenden Hallensaison will der Kölner endlich auch wieder mit dem Stab zum Höhenflug ansetzen. Die Zeichen für ein Comeback genau ein Jahr nach dem Längsriss seiner rechten Achillessehne stehen gut.
Silke Morrissey

Björn Otto nimmt Anlauf auf die neue Stabhochsprung-Anlage in Stellenbosch. Die Anweisungen kommen von Trainer Michael Kühnke. „Hack rein das Teil!“ ruft der. Der Stab biegt sich bedenklich unter dem Gewicht des 37-Jährigen. „Das ist ja Selbstmord“ stellt Kühnke fest. Das Arbeitsgerät, das Björn Otto für seine Einstichübungen gewählt hat, ist nicht mehr hart genug, ein neuer Stab muss her. Das ist ein gutes Zeichen. Ebenso folgende Feststellung am Ende des Trainings aus verkürzter Distanz: „Fast alter Anlauf!“

Björn Otto strahlt, und das liegt nicht am guten Wetter, an den guten Bedingungen oder daran, dass er dort trainiert, wo andere Urlaub machen. Es geht wieder bergauf beim deutschen Rekordhalter, und das stimmt ihn zuversichtlich.

Entscheidung gegen Operation

Rückblende. Es ist der 30. Januar 2014 und Björn Otto will beim PSD Bank Meeting in Düsseldorf zum Höhenflug ansetzen. Er bringt den Schwung von zwei herausragenden Jahren mit, von Silber bei EM und Olympischen Spielen sowie Bronze bei der WM 2013 in Moskau (Russland). Er bringt die Erfahrung von 25 Jahren Leistungssport mit und von den Höhen und Tiefen, die damit verbunden sind. Beim Aufwärmen ahnt er noch nicht, dass die nächste Durststrecke kurz bevor steht. Beim Einspringen passiert es dann: Längsriss der rechten Achillessehne. Der Stabhochspringer muss die Hallensaison abbrechen.

„Eigentlich dachten wir nach 2011, dass wir die Probleme im Griff haben“, sagt Björn Otto. Denn es war nicht das erste Mal, dass die Achillessehne Sorgen bereitete: Zwei Sehnenrisse liegen schon hinter dem Athleten des ASV Köln. Der Übeltäter ist ein Fersensporn, der die Sehne reizt. Die langfristige Lösung des Problems klingt schmerzhaft: „Man kann die Ferse aufschneiden und den Sporn abschaben“, erklärt Björn Otto. Das kam aber schon früher nicht in Frage und jetzt im Alter von 37 Jahren erst recht nicht mehr.

„Ätzende Zeit“

Dem Stabhochspringer blieb nichts anderes übrig als die Sehne ausheilen zu lassen und darauf zu hoffen, rechtzeitig für die Sommersaison wieder in Form zu kommen. Im Training habe er „das gemacht, was ging“, berichtet Otto. Und auch immer mal wieder versucht zu springen – vergeblich. Die Schmerzen waren zu groß und auch die Gefahr, die Sehne noch mehr zu verletzen. Schließlich endete das Jahr 2014 für den Kölner ohne einen weiteren Wettkampf.

„Das war eine ätzende Zeit“, sagt Björn Otto rückblickend. „Daran, zusehen zu müssen, gewöhnt man sich nie.“ Für die Europameisterschaften in Zürich (Schweiz) hat er den Fernseher nicht angeschaltet, sich lediglich anschließend die Ergebnisse aus dem Netz geholt. Die EM wäre eine gute Chance gewesen, Weltrekordler Renaud Lavillenie (Frankreich) erneut herauszufordern, schätzt Björn Otto. Eine Chance, die er verpasst hat.

Arbeit an der Pilotenlizenz

Auf das Gefühl des Fliegens musste der Kölner im Sommer dennoch nicht ganz verzichten. Schließlich konnte er seine Pilotenausbildung weiter vorantreiben. Schon seit Dezember 2013 hat er die Privatfluglizenz („Da habe ich Flügel gekriegt!“), jetzt folgt die sogenannte IFR-Lizenz für Flüge, bei denen ohne sichtbare Anhaltspunkte nur mithilfe der Instrumente navigiert wird.

Auch im Trainingslager in Südafrika hieß es lernen, lernen, lernen: Die Pilotenanwärter müssen die Antworten auf 20.000 Fragen kennen, im Internet klickt sich Björn Otto zurzeit stundenlang durch Testfragen, bevor im Januar die theoretische Prüfung folgt. Ob er in Zukunft seine Leichtathletik-Kollegen mit dem Flieger zu internationalen Meisterschaften bringen kann? Björn Otto lacht. „Naja, dazu fehlt mir anschließend noch der passende Arbeitgeber und ein Type Rating auf ein entsprechendes Flugzeugmuster.“ Ganz am Ziel ist er also noch nicht, aber er macht gute Fortschritte – genau wie zuletzt im Sport.

Zuversicht steigt

Dass Björn Otto sich in Südafrika mit Deutschlands weiteren Topathleten wie Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) oder Malte Mohr (TV Wattenscheid 01)  messen konnte, scheint zusätzlich Kräfte freigesetzt zu haben. „Man merkt, wie er sich mehr und mehr zutraut“, bestätigte auch Bundestrainer Jörn Elberding.

Es gibt wohl kaum jemanden, der dem sympathischen Höhenjäger das Comeback nicht gönnt. Einer aber wird in den vergangene Monaten am meisten mitgelitten haben: sein Trainer Michael Kühnke. „Ich bin mit 5,72 Metern zu ihm gekommen“, erinnert sich Otto. Ein Höhenbereich, in dem jeder weitere Zentimeter hart erkämpft werden muss. Otto konnte mithilfe von „Kühni“ 29 Zentimeter draufpacken. Eine Karriere ohne ihn kann sich der Stabhochspringer nicht mehr vorstellen: „Den Trainer wechsle ich in meinem Leben mit Sicherheit nicht mehr!“ sagt er, und: „Wir haben gemeinsam einen Weg gefunden dorthin zu kommen, wo wir hin wollen.“

Hoffnung auf die Hallensaison

Dieser Weg soll nun über Wettkämpfe in der Halle wieder zurück in die Weltspitze und im Sommer zu den Weltmeisterschaften in Peking (China) führen. Björn Otto weiß, dass er schnell wieder vorne mitmischen kann, wenn der Körper mitspielt. In Hallen-Wettkämpfen sollen Gefühl und Sicherheit wieder zurückkommen. Wenn die da sind, ist die Formel für hohe Sprünge relativ einfach: „Der passende Stab, mit dem passenden Griff und den richtigen Zubringerwerten – dann ist man wieder im Geschäft!“  

Noch muss Otto kleine Schritte machen. Im Trainingslager in Südafrika aber führten diese endlich wieder in die richtige Richtung. „So kann’s weitergehen!“ lautet sein Fazit nach zwei Wochen Stellenbosch. Spätestens wenn er in der Halle wieder am Anlauf steht, dürften die Fragen nach einem Karriereende erst einmal wieder verstummen. Einem gesunden Björn Otto macht schließlich so schnell keiner etwas vor.

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