| Interview Trainer des Jahres

Christopher Hallmann: "Will den deutschen Zehnkampf noch stärker machen"

Mehrkampf-Coach Christopher Hallmann hat am Wochenende vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) die Auszeichnung "Trainer des Jahres" erhalten. Der Bundesstützpunkttrainer in Ulm führte Arthur Abele zu EM-Gold und weitere Mehrkämpfer in die deutsche Spitze. Im Interview verrät der 35-Jährige sein Erfolgsrezept.
Pamela Lechner

Christopher Hallmann, was bedeutet Ihnen die Auszeichnung zum DLV-Trainer des Jahres?

Christopher Hallmann:

Es freut mich, dass meine Arbeit und das, was wir als Zehnkampf-Trainingsgruppe dieses Jahr geschafft haben, wahrgenommen wird. Schön, dass die Arbeit über unseren Zirkel hinaus gesehen wird und auf diese Art und Weise Anerkennung erfährt. Die Ehrung war für mich sehr emotional. Als das Video von der EM gezeigt wurde, welches extra für mich zusammen geschnitten wurde, habe ich feuchte Augen bekommen. Und auch bei der Laudatio von Rainer Pottel. Das war echt toll.

In diesem Jahr sind vier der Top Sechs in der DLV-Bestenliste im Zehnkampf aus Ulm. Ihre Trainingsgruppe mit Europameister Arthur Abele, EM-Teilnehmer Mathias Brugger, Tim Nowak, Manuel Eitel und Co. scheint eine hochmotivierte Truppe?

Christopher Hallmann:

Die Stimmung ist klasse bei uns. Die Jungs sind eigentlich die größten Konkurrenten untereinander, was Tickets für internationale Meisterschaften angeht, aber trotzdem gehen sie zusammen auf der Donau schippern, kochen füreinander und verbringen ihre Freizeit miteinander. Konkurrenten und Freunde zugleich, bei uns geht das. Ein besonderes Markenzeichen unserer Gruppe. Wir haben eine gute Harmonie, eine gute Mischung zwischen Anspannung und Entspannung. Wir machen auch mal Spaß im Training, aber wenn wir Hürdenstarts gegeneinander machen, dann fletschen sie auch die Zähne. Dieses Verhältnis ist mit Sicherheit ein sportlicher Erfolgsfaktor.

Was ist ansonsten Ihr Erfolgsrezept?

Christopher Hallmann:

Ich habe für jeden Athleten einen individuellen Plan. Dieser Plan enthält nicht nur einen Trainingsplan, sondern geht weit darüber hinaus: Visionen, Ziele und Entwicklungen auf so einer Art Metaebene. Es geht nicht nur darum, sich beispielsweise im Weitsprung zu verbessern, sondern auch um Persönlichkeitsentwicklung. Der Zehnkampf spiegelt auch immer Persönlichkeiten wider, welche man ausprägen kann. Und dies ist mir mit den Jungs in diesem Jahr besonders gut gelungen. So sind auch die Leistungen der Ulmer richtig gut geworden. Manuel Eitel, unser jüngster 8.000er, hat zum Beispiel geheiratet und auf seiner Hochzeit seiner Ehefrau eine tolle, emotionale Liebeserklärung gemacht: Am Klavier gespielt und dabei auf Englisch gesungen. Das war auch für uns alle sehr bewegend. Das sind schon allesamt tolle Kerle.

Selbst waren Sie früher auch Zehnkämpfer, haben auch einmal mehr als 8.000 Punkte gesammelt. Trainieren Sie auch manchmal mit?

Christopher Hallmann:

Das habe ich komplett abgelegt. Bei so vielen Athleten muss ich genau hinschauen, selbst mitzutrainieren ließe sich damit gar nicht mehr vereinbaren. Ich möchte auch meine Trainerrolle klar positionieren. Ich will nicht, dass das verschwimmt. Außerhalb des Trainings bin ich auch Kumpel und Freund. Da ist mein verhältnismäßig junges Alter sicher ein Vorteil, ich bin nicht allzu weit weg von den Jungs. Wenn es mal Probleme in der Uni oder privat gibt, gehen wir auch mal einen Kaffee trinken und quatschen darüber. Das ist auch Mentoring, dass ich nahe an meinen Athleten dran bin, und das klappt ganz gut. Als Trainer hat man mehrere Athleten, Athleten selbst haben aber nur ihre eine Karriere. Die legen sie in meine Hände. Diese Verantwortung ist mir bewusst und diese nehme ich bewusst an.

Ihr größter Erfolg war dieses Jahr der EM-Titel mit Arthur Abele. Können Sie die zwei Tage des EM-Zehnkampfs aus Ihrer Sicht als Trainer beschreiben?

Christopher Hallmann:

Als Kevin Mayer im Weitsprung drei Ungültige gemacht hat, hat sich der Wettkampf für uns etwas verändert. Das war eine Situation, mit der man nicht gerechnet hat. Wir waren dann extrem aufmerksam, weil das zu Leichtsinn führen kann. Arthur war in Top-Form, aber unter diesen Druckbedingungen im eigenen Land muss man das Ding hochkonzentriert zu Ende machen. Wir waren sowieso sehr fokussiert und haben das mit absoluter Konzentration bis zum Zieleinlauf über die 1.500 Meter durchgezogen. Erst als Arthur im Ziel war, sind wir uns in die Arme gefallen, weil bis dahin noch alles hätte passieren können – und wenn es so etwas gewesen wäre wie ein Wespe zu verschlucken. Schön war, dass wir mit dem ganzen Mehrkampf-Team zusammen die 1.500 Meter angeschaut haben.

Arthur Abele hatte immer wieder mit Rückschlägen zu kämpfen, seit Sie ihn seit 2013 trainieren war vor allem der Achillessehnenriss schwierig. Wie gehen Sie mit einem so erfahrenen Athleten um?

Christopher Hallmann:

Arthur kennt sich mit Jahresplänen gut aus, er weiß, was auf ihn in den entsprechenden Trainingsphasen zukommt. Da besteht natürlich die Gefahr, dass sich Routine einschleicht. Routine ist ein unsichtbarer Feind im Leistungssport. Ich versuche immer, dass diese Routine bei ihm nicht aufkommt. Muster brechen, Sachen bewusst anders machen und ihm immer wieder etwas Neues bieten sind hier einige Ansatzpunkte. Arthur wird nächstes Jahr 33 Jahre alt, da sind auch andere Dinge wichtig, das ist teilweise auch eine andere Ebene der Kommunikation als mit den Jüngeren.

Was konkret machen Sie, um Routinen zu brechen? Da gibt es auch ziemlich ungewöhnliche Trainingsinhalte...

Christopher Hallmann:

Manchmal baue ich im Training ganz andere Sachen auf, als die Jungs erwarten. Vor ein paar Monaten habe ich einen Freund, der professioneller Musiker ist, organisiert, der ganz viele Musikinstrumente aufgebaut hat. Und dann haben wir unter seiner Anleitung vier Stunden zusammen Musik gemacht. Am Ende konnten wir gemeinsam das Lied "Ein Hoch auf uns" spielen, obwohl nur Manuel Musikinstrumente beherrscht. Er kann zum Beispiel Klavier spielen, musste aber dann an das Schlagzeug, was er noch nie gespielt hat. Arthur und die anderen können kaum bis gar nicht Noten lesen, geschweige denn ein Instrument spielen. Das war richtig cool und stand für mich unter dem Motto: Grenzen überschreiten. So etwas schweißt uns zusammen. Das sind vielleicht Dinge, die unsere Gruppe von anderen unterscheidet.

Neben dem EM-Titel von Arthur Abele haben Ihre anderen Zehnkämpfer vor allem bei den großen Meetings ganz vorne mitgemischt und ihre Punktzahlen bis jenseits der EM-Norm gesteigert...

Christopher Hallmann:

Ja, es fällt auf, dass wir uns in der Breite deutlich gesteigert haben. Mathias hat in Götzis die Zuschauer begeistert. Manuel ist in Ratingen hinter Arthur Zweiter geworden. Tim ist in Talence hinter Arthur Dritter geworden. Das sind tolle Leistungsentwicklungen auf den Punkt, die sie gezeigt haben. Sie haben alle abgeliefert.

Da steckt viel Potenzial in Ihrer Gruppe. Was möchten Sie in Zukunft noch als Trainer erreichen, was sind Ihre Visionen?

Christopher Hallmann:

Ich möchte den Zehnkampf in Deutschland weiter prägen und noch stärker machen, als er jetzt schon ist. Der deutsche Zehnkampf soll wie eine Welle die internationale Konkurrenz platt machen und überrollen. Ich vertraue da in unsere Stärken. Wir haben tolle Talente im Nachwuchs und ein funktionierendes Team um uns herum. Ich würde mich freuen, wenn sich neben Ulm noch weitere Zehnkampf-Nester bilden. Zum Beispiel kann mit Niklas Kaul und Manuel Wagner in Mainz so eine weitere Qualitätszelle entstehen. Der Zehnkampf schreibt Geschichten und kann begeistern.

Ein Athlet wird allerdings schwer zu überholen sein: Der neue französische Weltrekordhalter Kevin Mayer...

Christopher Hallmann:

Ich war bei seinem Weltrekord dabei, das war wirklich atemberaubend und inspirierend für mich als Mann aus der Szene. Sein Auftritt war so stark, so präsent, so kompromisslos. Begeisternd, wie er von einer Disziplin zur nächsten durchmarschiert ist. Das war echt beeindruckend und hat riesig Spaß gemacht. Das hat meinen Horizont erweitert und mir wieder gezeigt, was alles möglich ist. Grenzen sind nur die, die wir uns selbst setzen. Kevin hat gezeigt, dass man Grenzen wirklich verschieben kann.

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