| Athletensprecher Senioren

Diskussion um Meisterschafts-Qualifikation

Der Bundesausschuss Senioren hat sich am 04. Oktober mit der zukünftigen Festlegung von Qualifikationswerten für Deutsche Meisterschaften befasst. Jörg Reckemeier plädierte für kleinere Modifikationen des aktuellen Verfahrens (Ansatz A). Einen alternativen Ansatz auf der Basis von Altersklassenfaktoren stellten Dr. Ralf Bochert und Alfred Hermes zur Debatte (Ansatz B).
Alfred Hermes

Ansatz A

Wie bisher soll das dreißig beste Ergebnis des Vorjahres pro Disziplin und Altersklasse als Anhaltspunkt für die Setzung der Qualifikationsleistung gelten.
Mit diesem Verfahren werden die möglichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an deutschen Meisterschaften in der Regel auf die Zahl 30 beschränkt.

Qualitätsmäßige Vergleichbarkeit über Altersklassen hinaus für dieselbe Sportart ist zufällig. Leistungskonzentrationen, die möglicherweise jenseits der Marke 30 vorliegen, finden keine entsprechende Berücksichtigung. Ein konstruiertes Extrembeispiel zeigt die genannte Schwäche: im Kugelstoß könnten Unterschiede zwischen dem Besten und Neunundzwanzigsten 0,5 Meter betragen, die Weite des Dreißigsten aber 2 Meter geringer sein und trotzdem den Ausschlag geben.

Die Setzung der Qualifikationsweite entspräche wohl kaum dem Leistungsprinzip. Eine weitere Schwäche birgt das Verfahren, wenn weniger als 30 Ergebnisse vorliegen, die sehr differieren. Für diesen Fall fehlen konkrete Kriterien.

Einschätzung: Das Verfahren setzt die Beschränkung der Anzahl vor die Qualität und unterscheidet sich grundsätzlich von Maßstäben in der Hauptklasse für die Nominierung zu Europa- und Weltmeisterschaften. Dort gilt Klasse und nicht Masse.

Ansatz B

Die Norm für jede Disziplin orientiert sich an der Hauptklasse. Vergleichbarkeit bietet die EVAA-Punktetabelle, beispielsweise 650 Punkte im 1.400-Punktraster. Mit Hilfe der WMA-Faktoren lassen sich die Qualifikationen in den übrigen Altersklassen berechnen.

Das Verfahren setzt auf die Vergleichbarkeit von Leistungen in unterschiedlichen Sportarten und über Altersklassen hinaus. Ersteres basiert auf der Punkttabelle der EVAA für sämtliche Sportarten in der Hauptklasse, die weltweite Anerkennung genießt. Für die Vergleichbarkeit von Leistungen unterschiedlicher Altersklassen steht der Name Bernd Rehpenning. Der Deutsche hat anhand einer riesigen Datenbasis und in Zusammenarbeit mit renommierten Mathematikern Altersklassenfaktoren entwickelt, die ebenfalls weltweite Anerkennung genießen.

Ein Beispiel: Nach der EVAA-Tabelle ist für einen Dreißigjährigen die Zeit 100 Meter in 12,06 Sekunden gleichwertig mit der Kugelstoßleistung von 11,22 Meter (7,26 kg). Die Vergleichbarkeit ergibt sich aus der zugeordneten Punktzahl. Durch Anwendung der Altersklassenfaktoren ergeben sich für einen  Fünfzigjährigen fiktive gleichwertige Leistungen von 13,41 Sekunden im  100-Meter-Lauf und 9,57 Meter im Kugelstoß (6 kg).

Einschätzung: Unter der Voraussetzung, dass die Vergleichbarkeit gegeben ist und die Altersklassenfaktoren realistisch sind, handelt es sich hier um ein faires Verfahren, das sich an internationalem Standard orientiert. Starke deutsche Durchschnittsleistungen im Kugelstoß im Vergleich zum Weltniveau, beispielsweise mit 600 Punkten als Richtschnur, könnten die Qualifikationsfelder erhöhen und eventuell sogar zu über 30 Zulassungen führen.

Ansatz C

Eine Schwäche von Verfahren A liegt in der teils zu geringen Anzahl an charakteristischen Daten und in den Unstimmigkeiten der Ergebnisse von Altersklasse zu Altersklasse, die nur zufällig mit dem altersbedingten Leistungsabfall übereinstimmen. Eine Schwäche von Verfahren B liegt in der Festlegung einer Basispunktzahl, die alle Disziplinen vergleichbar machen soll, die aber nicht auf deutsche Verhältnisse angepasst ist.

Beide Schwächen lassen sich ausgleichen, wenn man von einer Altersgruppe ausgeht, für die in Deutschland genügend Ergebnisdaten vorliegen, so dass auch bei Verfahren A eine Verallgemeinerung möglich ist. Dazu bieten sich die Altersklassen W45 und M45 an. Neben der Datenfülle wird auch Qualität erfasst, da reine Anfänger die Statistik nicht verfälschen.

Zwei Beispiele demonstrieren den Ansatz C im 400-Meter-Lauf der Frauen und im Weitsprung der Männer:

400mW35W40W45W50W55W60W65 W70W75
z. Z.68,0070,5075,0077,0082,0085,0087,0090,0092,00
C69,0072,0075,0078,5082,5087,5093,50102,00114,00
WeitM35M40M45M50M55M60M65M70M75M80M85
z. Z.5,705,605,505,104,804,504,254,003,503,202,50
C6,155,825,505,174,844,514,183,853,523,192,86


In den Wurfdisziplinen werden in einer aktuellen Studie des Athletensprechers die Altersklassenfaktoren beim Übergang zu leichteren Gewichten hinterfragt. Die Ergebnisse werden Ende Oktober vorliegen und könnten in die Qualifikationsberechnungen einfließen.

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