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Kariem Hussein - Gefeiert wie Wilhelm Tell

Der Europameister ließ sich im Letzigrund zwei Wochen nach seinem Triumph von den Fans nochmal feiern. Und das zurecht: Mit 48,70 Sekunden stellte Kariem Hussein (Schweiz) vergangene Woche wieder eine neue Bestzeit auf und wurde im Weltklassefeld der 400-Meter-Hürdenläufer Vierter. Das i-Tüpfelchen auf einer herausragenden Saison.
Ewald Walker

Bei der EM in Zürich schrieb er Schweizer Sportgeschichte. Kariem Hussein ist erst der fünfte Leichtathletik-Europameister, den die Eidgenossen feiern konnten. In einem wahren Sturmlauf rannte der 25-Jährige über 400 Meter Hürden zum Sieg. Ein Schweizer mit ägyptischen Wurzeln wird zur neuen Identifikationsfigur – wie einst Wilhelm Tell. Die Boulevardpresse taufte ihn während der EM den „Schweizer Pharao“.

Zwei Wochen später: Weltklasse Zürich. Der Hype um den Aufsteiger ist riesengroß. Schon bei der Vorstellung fegt ein Orkan durch den Letzigrund, das zu seinem Wohnzimmer geworden ist. „Eine solche Kulisse kannte ich bislang nur vom Fernsehen“, zeigt er sich tief beeindruckt.

Behauptet gegen die Weltelite

Diesmal sind die Konkurrenten Olympiasieger Felix Sanchez aus der Dominikanischen Republik, Weltmeister Jehue Gordon (Trinidad) und der Weltjahresbeste Javier Culson (Puerto Rico).

Das Stadion hält den Atem an. Als Hussein an der Spitze des Feldes auf die Zielgerade einbiegt, erheben sich die Zuschauer auf der Haupttribüne. Ein Moment wie 2001, als 800-Meter-Weltmeister André Bucher zum letzten Schweizer Sieg im Letzigrund getrieben wurde.

Am Ende wird Hussein Vierter mit neuer Bestleistung (48,70 sec), er konnte immerhin Olympiasieger Felix Sanchez (Dominikanische Republik; 49,31 sec), und den Weltmeister Jehua Gordon (Trinidad und Tobago; 48,91 sec) hinter sich lassen. Sieger wird Cornell Fredericks (Südafrika, 48,25 sec). 77 Prozent – so hatte eine Blitz-Umfrage vor dem Stadion ergeben – hatten ihrem neuen Nationalhelden  erneut eine Zeit unter 49 Sekunden zugetraut.

Steile Karriere

Kariem Hussein hat einen unglaublichen Aufstieg hinter sich. Eigentlich wollte er Fußball-Profi werden. Eine Viruserkrankung warf den Zweitligaspieler aus der Bahn. Sein Umstieg 2009 wurde zum Glücksfall für die Schweizer Leichtathletik. Zunächst sprang Hussein 2,01 Meter hoch, dann kam er zu den Hürden. In fünf Jahren vom Anfänger zum Europameister, das ist die bemerkenswerte Karriere des Kariem Hussein. Zuletzt hatte mit Marathon-Europameister Viktor Röthlin 2010 in Barcelona ein Schweizer EM-Gold gewonnen. Die letzte EM-Medaille davor gewann André Bucher 2002.

Husseins Vater Ahib war ägyptischer Volleyballspieler mit internationalen Einsätzen. Dass der Arzt seinen Sohn öfters ins Krankenhaus mitgenommen hat, hat Spuren hinterlassen. „Ich möchte später mal eine eigene Praxis führen“, sagt der eher zurückhaltende Läufer.

Populärster Schweizer

Ausnahmezustand im Letzigrund: Während Hussein für seine Hürdenrunde knapp 49 Sekunden benötigte, dauert seine Ehrenrunde eine halbe Stunde. Ein Autogramm-Marathon mit der Schweizer Fahne um die Schultern. Nationalstolz beim derzeit bekanntesten Schweizer. Doch der Europameister ist trotz Höhenflug auf dem Boden geblieben. Im Sommer hat er seine Bachelor-Prüfung im Medizinstudium abgeschlossen. Den Masterabschluss hat er für 2017 vorgesehen.

„Es war das schönste Gefühl in meiner Laufbahn, hier vor dem vollen Letzigrund laufen zu dürfen“, sagt Hussein. Am Tag davor war er  beim Training mit Kindern im Einsatz. „Mach‘ uns den Bolt“ riefen die Kinder ihm zu und posierten in der Pose des Jamaikaners. Usain Bolt, der erst wenige Tage vor dem Meeting seinen Start abgesagt hatte, wurde im Letzigrund kaum vermisst, die Schweizer hatten ja ihren „Pharao“.

<link>Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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