| Wissenschaftliche Kooperation I

Luis Mendoza erforscht das Potenzial der DLV-Springer

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat viele trainingswissenschaftliche Partner, die mit ihren Analysen einen Beitrag zum Erfolg der Top-Athleten leisten. In einer dreiteiligen Serie stellen wir die Arbeit einiger Trainingswissenschaftler genauer vor. Heute: Dr. Luis Mendoza. Der in Argentinien gebürtige Biomechaniker zeigt auf, wo bei den deutschen Horizontal-Springern das Potenzial für noch weitere Sprünge liegt.
Pamela Lechner

In den horizontalen Sprung-Disziplinen steht die Analyse der Schnelligkeitsfähigkeiten im Fokus der Wissenschaft. Die Sprung-Leistung wird wesentlich durch die Anlauf-Geschwindigkeit und die Qualität des Absprung-Komplexes bestimmt. So sammelt der wissenschaftliche Projektleiter Dr. Luis Mendoza, der am Olympiastützpunkt (OSP) Hessen in Frankfurt arbeitet, fortlaufend eine Menge Zahlen und Daten über die deutschen Weit- und Dreispringer, die aufzeigen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Der frühere Leichtathlet und Trainer, Luis Mendoza, zog einst zum Sportstudium von seinem Heimatland Argentinien nach Deutschland und promovierte an der Uni Frankfurt 1992 zum Doktor der Sportwissenschaft. Dort arbeitete er in den 80er und 90er-Jahren unter der Leitung einer der deutschen Biomechanik-Pioniere Prof. Dr. Rainer Ballreich, der damals schon in Kooperation mit dem DLV Leistungsdiagnostiken im Mehrkampf, Wurf und Sprung durchführte.

Als offizieller wissenschaftlicher Unterstützer des DLV-Sprung-Teams agiert Dr. Luis Mendoza am OSP Frankfurt seit 1998. Neben dem DLV-Projekt betreut der 60-Jährige auch die Hockey-Nationalmannschaft der Herren im Bereich Athletik-Diagnostik und -Beratung. Zu seinem Leichtathletik-Disziplinblock, den er betreut, sagt der erfahrene Sportwissenschaftler: „Die Leistungs-Erbringung im Sprung ist sehr komplex und teilweise auch paradox.“

Das Paradoxon im Sprung

Ein Weltklasse-Weitspringer muss schnell und kräftig sein. Er muss seine Geschwindigkeit beim Absprung optimal umsetzen, so dass er möglichst wenig abbremst und gleichzeitig möglichst hoch springt. In der Biomechanik sagt man: „Der Springer muss eine hohe Vertikal-Geschwindigkeit erzeugen.“ Aber genau das, sei das Problem: Das eine widerspricht dem anderen.

„Wenn man nur sehr wenig Geschwindigkeit am Balken verliert, kann man nicht so hoch abspringen und folglich nicht weit fliegen“, erklärt Mendoza. Und umgekehrt: „Wenn man sehr hoch abspringt, wie ein Hochspringer, dann verliert man am Balken zu viel Geschwindigkeit und kann auch nicht weit fliegen.“ Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen liegt für jeden Springer das individuelle Optimum, nach dem der Biomechaniker sucht.

Viele Faktoren bestimmen die Weite

Erhoben werden daher unter anderen folgende Parameter, die einen Einfluss auf die Sprung-Leistung haben: Die Anlauf-Geschwindigkeit wird gemessen, die Schrittlängen-Gestaltung per Video analysiert, der Körper-Schwerpunkt berechnet und in seinem Verlauf bis zum Absprung beobachtet. Die unterschiedlichen Körperpositionen werden anhand von Segmentwinkeln wie Rumpf- oder Schwungbeinwinkeln beschrieben und deren Segmentgeschwindigkeiten bestimmt: Wie schnell ist zum Beispiel das Schwungbein beim Absprung?

Mit Hilfe der Parameter Vertikal- und Horizontal-Geschwindigkeit kann man berechnen, wie weit der Körper-Schwerpunkt – als imaginärer Punkt, der die Körpermasse konzentriert – fliegen kann. Doch in dieser mathematischen Formel spielt anders als bei der Wurf-Parabel (für die Weitenvorhersage von fliegenden Wurf-Geräten) auch der Körper mit seinen Armen und Beinen eine Rolle. So wird die Landung in der Sandgrube danach analysiert, ob der Athlet durch seine Körperhaltung an Weite verliert oder gewinnt.

Gute Zusammenarbeit mit Trainern und Athleten

All diese Parameter landen in einem Diagnostik-Bogen, nach dem die Technik beurteilt wird. Entdeckt Dr. Luis Mendoza in seinen Analysen Defizite und Potenziale, können Bundes- und Heimtrainer versuchen durch gezieltes Training mit ihren Athleten daran zu arbeiten. „Die Zusammenarbeit mit allen Trainern und Athleten läuft sehr gut“, kann der gebürtige Argentinier berichten.

Zweimal im Jahr reist der Projektleiter zur Leistungsdiagnostik mit ins Trainingslager. Sein nächster Einsatz steht im DLV-Camp im türkischen Belek bevor. Dort findet der erste Technik-Check der Saison statt. Ein Teil der Weit- und Dreispringer läuft dann noch nicht aus vollem Anlauf an – sprich mit submaximaler Geschwindigkeit. Auch im Sprint- und speziellen Sprung-Bereich gibt es zu diesem Zeitpunkt Diagnostiken, um den Trainingsstand vor dem Saisonstart zu untersuchen.

Im Sommer führt der Trainingswissenschaftler bei den Deutschen Meisterschaften, wo es regelmäßig um die Qualifikation für die internationalen Höhepunkte geht, Wettkampf-Analysen durch. Früher im Saisonverlauf ist er bei Meetings wie Weinheim oder Garbsen vor Ort, denn dann gibt es bis zur DM noch genug Spielraum, um auf technische Defizite zu reagieren. Zur Diagnostik direkt nach Frankfurt kommt hingegen der Nachwuchs.

Leistungsentwicklung bis zum Höhepunkt verfolgen

Das Spannendste für den Biomechaniker bei seiner Arbeit ist es, mit zu verfolgen, wie sich die Leistungen der Athleten vom Saisonanfang bis zum Höhepunkt entwickeln: „Wurde das Potenzial, das man am Anfang festgestellt hat, später auch im Wettbewerb realisiert?“ Glückt dies, freut sich der Wissenschaftler, egal ob es sich um die absoluten Top-Springer handelt, oder Sportler der zweiten Reihe.

Einen Blick hat Dr. Luis Mendoza auch auf die weltbesten internationalen Springer, die aus seiner Sicht so erfolgreich sind, weil sie immer eine Kleinigkeit anders machen, als die restliche Konkurrenz. Zu prüfen ist allerdings, ob diese Kleinigkeit nur bei diesen speziellen Athleten den Unterschied macht oder das Detail auch zum Erfolgsfaktor eines anderen Athleten werden kann. So sind die Weltmeister und Olympiasieger zwar Vorbilder, aber eine Technik einfach so kopieren, das funktioniere laut des Trainingswissenschaftlers nicht. Für jeden Athleten gilt es, die individuell optimale Technik zu finden.

Mehr:

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