| Interview der Woche

Marc Reuther: "Es geht sicher unter 1:45 Minuten"

Marc Reuther hat am Sonntag im niederländischen Hengelo in 1:45,42 Minuten gleich beim Saisondebüt über 800 Meter die EM-Norm deutlich unterboten. Zur persönlichen Bestzeit fehlten nur zwei Zehntel. Im Interview versprüht der 21-Jährige vom Wiesbadener LV Optimismus, was seine weitere Entwicklung angeht, unterstreicht die Wichtigkeit von international besetzten Rennen und lotet seine Chancen bei der EM in Berlin aus.
Harald Koken

Marc Reuther, Sie sind gleich im ersten Rennen der Saison dicht an Ihre Bestzeit herangekommen und haben die EM-Norm bravourös abgehakt. Da kann das Fazit doch nur positiv ausfallen, oder?!

Marc Reuther:

Ich bin sehr zufrieden mit der Zeit. Trotzdem habe ich ein paar taktische Fehler gemacht, als es um Positionskämpfe ging. Aber in erster Linie stand auf dem Programm, die Norm abzuhaken und Erfahrungen zu sammeln. Beides hat wunderbar geklappt. Von daher war es ein sehr guter Saisoneinstieg. Bisher war der Saisoneinstieg bei mir immer kritisch zu sehen. Eigentlich brauche ich immer ein paar Rennen. Von daher sind die 1:45,42 Minuten wirklich hoch einzuschätzen. 1:44 Mitte bis 1:44 hoch traue ich mir auf jeden Fall zu, es müssen natürlich die Bedingungen stimmen, das Drumherum.

200 Meter vor Schluss haben Sie ganz hinten am Feld gehangen. Dann aber sind Sie noch einmal mächtig aufgerückt. War das einer der von Ihnen beschriebenen taktischen Fehler?

Marc Reuther:

Ich habe auf der Gegengeraden versucht zu arbeiten, aber die Leute dann doch vorbeiziehen lassen. Ich habe mich aber mega-mega-gut gefühlt, aber hatte einfach nicht die Position, um zu agieren und musste dann ein bisschen warten. Aber insgesamt war das Rennen wichtig für mein Selbstbewusstsein. Wenn man betrachtet, welche Zeit am Ende unter solchen Bedingungen erreicht wurde, weiß man, dass noch einiges mehr möglich ist. Und wenn ich jetzt noch ein Rennen hinbekomme, wo vorne für mich Tempo gemacht wird, ich quasi alleine renne, wird es hundertprozentig unter 1:45 Minuten gehen.

Wie sieht Ihre weitere Planung aus?

Marc Reuther:

Freitag oder alternativ Samstag haben wir nochmal ein Rennen auf dem Programm, in Dessau oder Pfungstadt. Mal schauen, ob wir beides machen oder uns nur auf eines konzentrieren. Da die Norm jetzt schon abgehakt ist, geht es darum, weitere Erfahrungen zu sammeln. Ich schließe also nicht aus, dass wir wirklich beide Rennen machen.

Wie wirken die vier in der Saisonvorbereitung absolvierten Trainingslager?

Marc Reuther:

Hervorragend, definitiv. Ich habe auf einem richtig hohen Niveau trainiert. Ich habe in Hengelo auch gemerkt, dass ich noch nicht zu 100 Prozent frisch bin, von daher ist das Ergebnis noch höher einzustufen, weil die Zeit voll aus dem Training heraus erzielt wurde.

Sie haben eine sehr homogene Trainingsgruppe in Wiesbaden, was die am Samstag von  Marvin Heinrich und Dennis Biederbick in Osterode gelaufenen 1:47er Zeiten unterstreichen.

Marc Reuther:

Definitiv. Da hat man gesehen, dass bei der ganzen Gruppe das Training wirkt. Das gibt Selbstbewusstsein, wenn man weiß, dass der Rest der Gruppe gut dabei ist. Auch wenn man sich vergleicht mit den anderen Jungs und weiß, dass man qualitativ noch ein bisschen besser trainiert hat und noch eine Schippe drauflegen kann.

Wo ist der Unterschied zwischen einem international besetzten Rennen wie in Hengelo und einem Wettkampf auf nationalem Niveau?

Marc Reuther:

In internationalen Rennen wird nichts durchgetaktet. Da muss man spontan Entscheidungen treffen. Das muss man lernen. In jedem Rennen sammelt man neue Erfahrungen, das bringt einen weiter. Das lernt man nicht, wenn man in Deutschland Hasenrennen macht, wo genau festgelegt wird, wer an welcher Position durchgeht. Deswegen wollen wir unbedingt viele solcher Rennen wie in Hengelo machen. Ich denke mal, dass mein Trainer mit dem Auftritt ganz zufrieden sein wird.

Schlägt Ihnen Ihre Körpergröße von 1,93 Meter in kompakt besetzten Rennen nicht manchmal ein Schnippchen?

Marc Reuther:

Ich bin definitiv ein Typ, der seinen eigenen Schritt laufen muss. Deswegen habe ich in Hengelo auch nicht versucht, zu sehr an jemandem zu kleben und konnte meinen Schritt wunderbar laufen. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich meinen Körper sozusagen ein bisschen neu erfunden habe. Ich habe ein paar Kilo abgenommen, bin jetzt viel athletischer, ich kann effizienter rennen. Das zeigt Wirkung.

Schenken Sie dem Sport oder Ihrem Studium der Wirtschaftswissenschaften aktuell mehr Aufmerksamkeit?

Marc Reuther:

Dem Sport. Meine Uni ist noch kooperativer geworden. Ich bin eingeschrieben, besuche aber relativ wenige Kurse und versuche mehr zu Hause zu arbeiten. Ich sehe mich als voller Athlet, ich möchte mich an meinen Leistungen im Sport messen. Deswegen schreibe ich die Klausuren meistens nach der Saison, damit ich den Kopf frei habe, damit ich sagen kann, das war das Maximum, was ich herausholen konnte, damit ich mir keine Vorwürfe machen oder Ausreden einfallen lassen muss.

Nach dem Gefühl von Hengelo: Wie weit kommen Sie bei der EM in Berlin?

Marc Reuther:

Letztes Jahr hatte ich Verletzungsprobleme. Wenn ich jetzt fit bleibe und noch einmal ordentlich etwas im Training drauflege, dann will ich auf jeden Fall ins Finale. Und dann, das habe ich auch in Hengelo gesehen, kann taktisch alles passieren. Von daher kann ich darüber hinaus noch keine Aussage treffen. Also gilt es, ins Finale zu kommen und dann wird man sehen.

Ihr Trainer Georg Schmidt hat Sie als Heißsporn charakterisiert. Wie bewerten Sie diese Aussage?

Marc Reuther:

Das stimmt schon. Ich bin jemand, der sehr emotionsgetrieben ist. Aber inzwischen kann ich das durchaus positiv nutzen. Ich weiß, wann ich ruhig bleiben muss, ich weiß, wann ich auch einmal meine Impulsivität rauslassen kann. Und gerade wenn ich das Publikum in Berlin im Rücken habe, wird mich das nicht hemmen, sondern noch einmal deutlich antreiben.

Mehr:

<link news:63409>Marc Reuther stürmt beim Saison-Debüt zur EM-Norm

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