| Interview

Marvin Schulte: „Wir können eine Granaten-Staffel stellen“

Marvin Schulte vom SC DHfK Leipzig steigerte sich am Samstag bei den Deutschen U23-Meisterschaften in Wetzlar über 100 Meter auf 10,12 Sekunden – mit minimal zu viel Rückenwind. Im Interview spricht der neue Deutsche U23-Meister über seine Ziele und die Gründe für seinen Höhenflug.
Michael Wiener

Marvin Schulte, drei starke Rennen gipfelten am Samstag im 100-Meter-Titel gegen starke Konkurrenz. Wie war’s im Finale?

Marvin Schulte:

Das Stadion war fast voll. Ich war nach den Runden zuvor natürlich motiviert und mit Selbstvertrauen ausgestattet. Ich bin für meine Verhältnisse gut aus dem Block gekommen und konnte auf der zweiten Hälfte meine Stärken im fliegenden Bereich ausspielen. Mit dem Deutschen Meister Kevin Kranz und Joshua Hartmann, der schon 10,16 Sekunden gelaufen ist dieses Jahr, war die Konkurrenz natürlich richtig stark. Daher freue ich mich umso mehr, dass ich es geschafft habe. Die Zuschauer waren super drauf, ich bin noch 150 Meter weitergelaufen und habe gejubelt. Es hat einfach Spaß gemacht, es war ein sehr schöner Moment.

Mit welchen Zielen waren Sie in die Saison gestartet?

Marvin Schulte:

In der Tat hatte ich vor dem Beginn der Freiluft-Wettkämpfe auf eine Steigerung auf rund 10,30 Sekunden spekuliert. Lediglich, muss man aus heutiger Sicht sagen. Ich bin schon mit 10,29 Sekunden in die Saison gestartet in Weinheim. In Jena konnte ich mich weiter steigern, wie auch in Wetzlar. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Zumal Sie nicht verletzungsfrei durch die Saisonvorbereitung gekommen sind.

Marvin Schulte:

Ich musste auf die Hallensaison verzichten, weil ich mir einen Muskelfaserriss zugezogen hatte. Deswegen war ich eigentlich etwas später dran im Zeitplan für die Wettkämpfe im Sommer. Aber aktuell passt es einfach.

Sie haben im vergangenen Jahr den Trainer gewechselt und sind jetzt bei Ronald Stein, Alexander John und Sven Knipphals. Was bedeutet das aktuell?

Marvin Schulte:

Das Trio hat eine unglaubliche Erfahrung, die uns zugute kommt. Es hat sich alles professionalisiert. Wir trainieren viel spezifischer als zur Jugendzeit. Die Erfolge dort sind zwar schön, aber es ist wichtig, auch in der U23 und insbesondere bei den Aktiven erfolgreich zu sein und den Übergang zu schaffen. Wir orientieren uns viel an den Trainingsphilosophien in Großbritannien und den USA. Wir haben ein ganzheitliches Team mit Trainer, Physiotherapeuten und Chiropraktiker. Dazu kommt die soziale Komponente. Wir sind eine überragende Trainingsgruppe, verstehen uns alle super.

Wer gehört dort noch dazu?

Marvin Schulte:

Felix Straub zum Beispiel, der am Sonntag die 200 Meter bei der U23-DM gewonnen hat. Niels Giese, ein weiterer junger Nationalmannschafts-Sprinter, gehört ebenso dazu wie Roy Schmidt und Robert Hering, die bei den Erwachsenen schon seit Jahren gute Leistungen zeigen und Erfahrung haben. Hürdensprinter Gregor Traber ist dabei, auf dessen Saisoneinstieg wir sehr gespannt sind. Wir harmonieren sehr gut und ergänzen uns bestens. Jeder macht den anderen besser, das macht sehr viel aus.

Ein ganz besonderer Kumpel scheint Konkurrent Joshua Hartmann zu sein. Wie kam es zu dieser Freundschaft?

Marvin Schulte:

Wir haben uns auf den Wettkämpfen kennengelernt und uns sofort sehr gut verstanden. Wir sind wie Blutsbrüder, total auf einer Wellenlänge. Wir lieben beide den Sprint und pushen uns nach ganz oben. Vor dem Halbfinale und dem Endlauf am Samstag haben wir uns auch ein paar Dinge ins Ohr geflüstert. Wir haben Bock, dass etwas passiert im deutschen Männersprint. Wir ärgern die Großen schon ein bisschen, und so kann es weitergehen.

Dass es so viele schnelle U23-Männer gibt, ist natürlich auch ein gutes Zeichen für die Staffeln. Im vergangenen Jahr haben Sie zum deutschen U20-Team gehört, das den deutschen Rekord eingestellt hat. Was ist dieses Jahr drin?

Marvin Schulte:

Ich bin sehr gespannt, was wir erreichen können. Wir haben drei, vier Jungs, die unter 10,30 Sekunden laufen können. Joshua Hartmann ist schon 10,16 Sekunden gelaufen, Kevin Kranz ist gerade erst eingestiegen und wird mit Sicherheit noch schneller. Wir werden sehr stark sein in Gävle bei der U23-EM, wir können eine Granaten-Staffel stellen.

Mit Ihnen auf der zweiten Position, das scheint Ihr Stammplatz zu sein?

Marvin Schulte:

Ich bin fliegend sehr stark, das habe ich vergangenes Jahr schon gemerkt. Ich kann das Tempo sicherlich auch 110, 120 Meter halten. Und genau das ist gefordert auf der zweiten Position, deswegen ist sie für mich am besten geeignet. Bislang wurde ich von den Bundestrainern immer dort eingesetzt, und so wird es hoffentlich auch bei der EM wieder sein.

Ihr Ziel im Einzel dürfte sicherlich sein, besser abzuschneiden als in Tampere vergangenes Jahr, als Sie einen Fehlstart bei der U20-WM produzierten?

Marvin Schulte:

Ja klar. Das war sehr ärgerlich. Der Starter hat sehr lange gewartet, jeder ist sehr angespannt, und irgendwann war ich der Erste, der den Druck nicht mehr aufrecht erhalten konnte und vorne übergekippt ist. Das kann passieren. Daraus habe ich gelernt.

Gibt es schon eine Zielsetzung für die U23-EM?

Marvin Schulte:

Nein. Ich lasse einfach alles auf mich zukommen, ich bin da sehr entspannt. Meine Trainer sind bei dieser Einstellung voll bei mir. Aber natürlich habe ich schon mal in die Bestenliste geschaut und gesehen, dass Filippo Tortu ganz vorne steht und wohl der Topfavorit sein wird. [Anm. d. Red.: Tortu sprintete dieses Jahr 10,10 Sekunden].

Wieviel Zeit investieren Sie aktuell in den Leistungssport?

Marvin Schulte:

Ich habe gerade mein Abitur gemacht, bald ist mit dem Abiball das Thema Schule abgeschlossen. Ich habe mich für die Sportfördergruppe der Bundeswehr beworben. Ich kann mich also in dieser Übergangsphase gerade voll auf den Sport konzentrieren. Im nächsten Jahr stehen die Olympischen Spiele an, das ist natürlich ein großes Ziel. Es ist jedenfalls nicht unerreichbar nach den 10,12 Sekunden vom Wochenende.

An welchen Details feilen Sie jetzt noch bis zur U23-EM?

Marvin Schulte:

Wir werden in den nächsten vier Wochen definitiv noch an den ersten 40 Metern arbeiten. Ich merke, dass es mir dort noch deutlich fehlt. Wenn ich dort noch zulegen kann, ist das hinten auch noch eine ganz andere Liga und ich renne nicht erst hinterher. Wir werden am Start feilen, dass ich dort besser wegkomme und mich mit viel Power rausdrücken kann. Den fliegenden Bereich kann man so stehen lassen. Natürlich werden wir noch an der Schnellkraft arbeiten, aber die zweite Hälfte ist schon sehr gut. Wichtig ist auch noch meine schon angesprochene Situation, dass ich mich aktuell voll auf den Sport konzentrieren kann.

Warum?

Marvin Schulte:

Weil ich so die Möglichkeit habe, genug Zeit in Ruhe und Pflege investieren zu können. Das habe ich gerade vor dem Wochenende in Wetzlar gemerkt, dass das sehr wichtig ist.

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