| Jugend-Leichtathlet 2016

Niklas Kaul auf den Spuren von Ashton Eaton

Zum zweiten Mal in Folge hat Zehnkämpfer Niklas Kaul die Publikumswahl zum „Jugend-Leichtathleten des Jahres“ gewonnen. „Das freut mich natürlich riesig“, sagt der junge Mainzer. Der U18- und U20-Weltmeister startet 2017 mit dem Abitur in sein letztes Jugend-Jahr, das mit der U20-EM in Grosseto den nächsten Erfolg bereithalten könnte. Nicht mehr in Erscheinung treten wird ab dieser Saison sein großes Idol: Weltrekordler Ashton Eaton.
Pamela Ruprecht

Statt Skifahren standen über die Winterferien Physik, Mathe und Sozialkunde auf dem Tagesplan. Niklas Kaul befindet sich derzeit in der Vorbereitung auf die drei schriftlichen Abiturprüfungen Ende Januar. Deshalb wird der Mehrkämpfer in der Hallensaison auch nur sporadisch in Einzeldisziplinen an den Start gehen, aus dem Training heraus und als Standortbestimmung. Bei der Jugend-Hallen-DM in Sindelfingen (25./26. Februar) ist der 18-Jährige aber auf jeden Fall vor Ort, ob als Teilnehmer oder Zuschauer.

Auf die vergangenen Monate kann Niklas Kaul mächtig stolz zurückblicken. „Das Jahr lief eigentlich perfekt. Es hat alles funktioniert, wie es sollte“, sagt der Nachwuchs-Athlet. U20-Weltmeister mit Weltrekord (nach aktuellem Regelwerk) in Bydgoszcz (Polen) und ein Trainingscamp mit dem Weltrekordhalter der Aktiven Ashton Eaton im Rahmen der Hallen-WM in Portland (USA) – seine zwei Highlights 2016. Das Mehrkampf-Talent schloss an den U18-WM-Titel aus 2015 nahtlos den WM-Titel in der nächsthöheren Altersklasse an. Gold mit 8.162 Punkten, damit hatte der Gymnasiast selbst nicht gerechnet.

Bestleistung 2017 steigern

Im letzten Jugend-Jahr warten im Sommer die U20-Europameisterschaften in Grosseto (Italien). Konkrete Ziele hat Niklas Kaul für den anstehenden Höhepunkt noch nicht. Zunächst gilt es, die einzige Qualifikationschance in Bernhausen (10./11. Juni) zu überstehen – in zehn Disziplinen kann viel passieren. Eine Vorstellung über den Wettbewerb in Italien gibt es doch schon: „Ich will bei der U20-EM noch mal eine Bestleistung aufstellen. Ich denke, dass noch ein paar Punkte mehr drin sind.“ Gelingt ihm das, dürfte er in der U20-Altersklasse kaum zu schlagen sein.

Der vielseitige Athlet hat aber nicht nur sportliche, sondern auch berufliche Pläne. Nach dem Abitur will er in Mainz ein Lehramtsstudium in den Fächern Sport und Physik für Gymnasien beginnen. Das Zusammenwirken von physischen Kräften funktioniert bei ihm selbst in einer Reihe von Disziplinen schon auf höchstem Niveau: Im Stabhochsprung (PB: 4,80 m), Hochsprung (PB: 2,10 m) und Speerwurf (PB: 71,59 m) ist der Mehrkämpfer technisch sehr weit. Seine Leistungen schon im Bereich von Weltklasse-Zehnkämpfern.

Das größte Potenzial liegt in der Verbesserung der Sprint-Fähigkeiten, was positive Auswirkungen besonders auf drei von zehn Disziplinen hat: 100 Meter (PB: 11,59 sec), 110 Meter Hürden und Weitsprung (PB: 6,79 m). Im Wintertraining liegt der Fokus deshalb auf der Startphase. „Mittlerweile mache ich dort auch Fortschritte“, berichtet der Schüler. Auch die Diskusscheibe soll noch weiter fliegen, wenn es darauf ankommt. Letztes Jahr fehlte die Stabilität in den Würfen. Diese Saison will er durch regelmäßigeres Training besser vorbereitet in den Ring steigen.

Zwei Wettkampf-Typen in einer Gruppe

Zum zweiten Mal die Auszeichnung „Jugend-Leichtathlet des Jahres“ zu erhalten, darauf hatte Niklas Kaul zwar gehofft. Sicher war er sich über den Ausgang der Abstimmung unter den zehn Kandidaten allerdings nicht. Starke Konkurrenz kam aus der eigenen Trainingsgruppe. Denn einer der drei Nominierten, der U18-Europameister von Tiflis (Georgien) im Zehnkampf, ist sein Trainingspartner: Manuel Wagner wird ebenfalls von Niklas' Eltern Stefanie und Michael Kaul gecoacht.

Beide sind absolute Wettkampf-Typen: Manuel Wagner erkämpfte sich die Goldmedaille in Tiflis erst im abschließenden 1.500-Meter-Lauf. Der 17-Jährige nahm dem nach neun Disziplinen in Führung liegenden Belgier Jorg Vanlierde fast 30 Sekunden ab und schob sich mit 7.382 Punkten noch auf Rang eins. „Ich komme im Training nicht annähernd an die Leistungen heran, die ich im Wettkampf schaffe“, erklärt Niklas Kaul. „Gerade in den letzten drei Disziplinen können wir beide immer noch etwas draufpacken.“

Unglaublicher zweiter Tag

Niklas Kaul gelang es in Bydgoszcz, wie schon bei der U18-WM in Cali (Kolumbien; 8.002 Punkte), am zweiten Tag enorm aufzuholen. Bei der U20-WM verwandelte er einen Rückstand von 429 Punkten auf Platz eins nach sieben Disziplinen in eine komfortable Führung von 116 Punkten nach zehn Disziplinen. Dieser Verlauf könnte sich auch in Zukunft wiederholen. „Ich kann mir gut vorstellen, dass es eine ähnliche Ausgangslage wird“, blickt er auf Grosseto voraus. „Ich hoffe, dass ich dann wieder viele Punkte gut machen kann, um relativ weit vorne zu landen.“

Wertvollster Punktebringer ist sein außergewöhnlich starker Speerwurf. Mit 83,94 Metern hält der U18-Vize-Weltmeister dieser Disziplin die U18-Europabestleistung und ist mit dem schwereren Männer-Speer bei 71 Metern angekommen. Zum speziellen Techniktraining fährt Niklas Kaul zu Francis Gross nach Frankfurt, in seine Paradedisziplin investiert er am meisten Zeit. Mittlerweile steht die Frage nach einer Spezialisierung auf den Speerwurf aber kaum noch im Raum: „Ich glaube, ich werde Zehnkämpfer bleiben.“

Weltrekordhalter als Idol

Während der große Mehrkampf-Star der letzten Jahre Ashton Eaton kürzlich seine Karriere beendet hat, steht Niklas Kaul erst am Anfang. Den überraschenden Rücktritt des 28 Jahre alten US-Amerikaners kann der Nachwuchs-Athlet nachvollziehen: „Ich glaube, ihm hat die sportliche Herausforderung gefehlt. Er hatte nicht mehr im Blick, dass er seine Punktezahl noch mal steigern kann“, sagt er über sein Idol.

"<link news:46667>On Camp With IAAF" konnte Niklas Kaul bei der Hallen-WM in Portland die professionelle Herangehensweise des Weltrekordlers bei der unmittelbaren Wettkampf-Vorbereitung beobachten. „In dieser Hinsicht ist er ein großes Vorbild, und auch sein Charakter. Er ist ein ruhiger, aber sehr netter und höflicher Typ. Das hat mich sehr beeindruckt“, erinnert sich das Talent, der auch von seiner U18-WM-Teilnahme gelernt hat. Die internationalen Abläufe waren ihm bei der U20-WM schon wesentlich vertrauter. So ging er „einen Tick entspannter und deutlich lockerer“ in den Wettkampf.

Später will Niklas Kaul natürlich auch bei den Weltmeisterschaften der Aktiven und dem Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich) starten. Bis jetzt lief seine Karriere optimal: „Die letzten zwei Jahre hatte ich das Glück, dass ich verletzungsfrei geblieben bin und immer durchtrainieren konnte.“ Der junge Zehnkämpfer will sich weiter kontinuierlich entwickeln und von Jahr zu Jahr steigern. „Erst dann wird man sehen, wo es hingehen kann“, gibt er selbst noch keine Prognose ab. Ashton Eaton war laut eigener Aussage mit 18 Jahren noch „Lichtjahre entfernt“ von dem, was der Mainzer jetzt schon kann.

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