| Interview der Woche

Niklas Kaul: „Das ist gerade wie im Märchen“

Niklas Kaul hat am Wochenende bei den U20-Europameisterschaften in Grosseto (Italien) für das herausragende Ergebnis der Titelkämpfe gesorgt. Der Zehnkämpfer vom USC Mainz überbot mit 8.435 Punkten als erster U20-Athlet der Welt die 8.400-Punkte-Marke, in einer Hitzeschlacht, in einem Mehrkampf ohne Schwäche und mit zwei herausragenden letzten Disziplinen. 35 Jahre lang war weltweit kein U20-Athlet besser als der Deutsche Torsten Voss, der sogar in einem Männer-Zehnkampf mit 8.397 Punkten eine Marke gesetzt hatte, die kaum zu überbieten schien. Wie der 19-Jährige selbst seine Punktzahl einordnet, was ihn während der zwei Tage gepusht hat und wer alles hinter dem Erfolg steht, verriet er nach dem Wettbewerb im Interview.
Silke Bernhart

Niklas Kaul, du bist U20-Weltrekordler im Zehnkampf. Wie hört sich das an?

Niklas Kaul:

Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ich wusste schon, dass ich was drauf habe. Aber 8.435 Punkte… Ich weiß gerade absolut nicht, was ich dazu sagen soll!

Wann hast du denn angefangen zu rechnen?

Niklas Kaul:

Nach dem Stabhochsprung. Wirklich diesmal erst nach dem Stabhochsprung. Und dann war es so: Da kommen jetzt noch zwei Disziplinen, die du kannst! Klar, das muss man dann auch erstmal machen. Aber in dem Moment war dann Zittern angesagt.

Torsten Voss hat vor 35 Jahren 8.397 Punkte gesammelt. Wie hast du diese Marke zuvor gedanklich eingeordnet?

Niklas Kaul:

Ich weiß noch, dass ich vor vier Jahren da saß und mir die U18- und U20-Bestenliste angeguckt habe und mir gesagt habe: Okay, dieser U20-Rekord, dieser deutsche U20-Rekord und Weltrekord im Zehnkampf, der wird nie gebrochen werden. Und jetzt stehe ich hier. Das ist einfach gerade wie im Märchen. Und ich genieße das total!

Über 1.500 Meter brauchtest du eine Bestzeit um 4:20 Minuten. Hier hat dein Trainingspartner Manuel Wagner auch Tempoarbeit geleistet. Wie war eure Taktik?

Niklas Kaul:

Wir haben es eigentlich gemacht wie im Training auch. Hinten raus bin ich immer etwas stärker, da mache ich dann Tempo und versuche, ihn noch mitzuziehen. Das hat super funktioniert. Naja, vielleicht waren wir einen Tick zu langsam bei 800 Metern. Da habe ich kurz gedacht: Das wird jetzt nichts mehr. Aber dann kam auf den letzten 200 Metern noch der Norweger, und das hat mich noch mal super gepusht. Ohne ihn wäre das nicht möglich gewesen, ohne Manuel auch nicht.

Gibt es in den zwei Tagen ein Highlight, das du besonders herausstellen würdest?

Niklas Kaul:

Da gibt es zwei Disziplinen: Weitsprung und 400 Meter. Direkt nach den 400 Metern konnte ich darüber noch nicht so glücklich sein (lacht), aber zum ersten Mal unter 49 Sekunden. Und im Weitsprung zum ersten Mal über sieben Meter. Aber 7,20 Meter, das hätte ich nicht gedacht. Die 1.500 Meter zum Schluss waren natürlich auch super.

Der Este Johannes Erm hat dich bis zuletzt gefordert und mit ebenfalls herausragenden 8.141 Punkten Silber geholt. Wie bewertest du den Wettbewerb insgesamt?

Niklas Kaul:

Ich muss ganz ehrlich sagen: Es war ein super starkes Feld, das mich so gepush hat! Da durfte ich mir auch keine Schwäche erlauben. Wenn man sieht, dass der Este Johannes Erm am Ende mit mehr als 8.100 Punkten Zweiter geworden ist! Mit einer Punktzahl, die mit U20-Gewichten und -Hürden vorher fast noch keiner gemacht hat… Und der Dritte macht auch noch über 8.000 Punkte. Das ist einfach ein klasse Wettkampf und ein klasse Feld gewesen.

Hinter so einem Erfolg stecken ja auch immer eine ganze Menge mehr Personen. Wer hat dich auf deinem Weg zum U20-Weltrekord unterstützt?

Niklas Kaul:

Natürlich zuerst meine Eltern, die gleichzeitig meine Trainer sind. Meine Disziplintrainer. Hier in Grosseto Lars Albert, der uns hier super betreut hat. Das Physio- und Ärzte-Team zuhause und auch hier. Das hat einen riesen Job gemacht, es ist nicht selbstverständlich, dass ein Physio dauerhaft für die Zehnkämpfer abgestellt werden kann. Dafür bin ich wahnsinnig dankbar.

Und wie wird jetzt gefeiert?

Niklas Kaul:

Das sage ich jetzt besser nicht (lacht). Naja, jetzt muss ich ja erstmal zur Dopingkontrolle. Und dann ist Siegerehrung. Und dann wird es heute Abend das ein oder andere Bier geben.

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