| Erste Frau unter 11 Sekunden

Olympiasiegerin Renate Stecher feiert 65. Geburtstag

Mit Stakkato-Schritten wirbelt sie über die Bahn, in den 70er Jahren ist sie die schnellste Sprinterin der Welt. Als erste Frau läuft sie die 100 Meter unter 11 Sekunden. Sechs Olympia-Medaillen krönen ihre Karriere. Am Dienstag feiert Renate Stecher ihren 65. Geburtstag.
dpa/sim

Als sie die Schallmauer um 16:15 Uhr durchbricht, klicken drei Stoppuhren. Und alle zeigen die gleiche Zeit: 10,9 Sekunden. 10,9? Renate Stecher kann es selbst kaum glauben. Als erste Frau weltweit bleibt die muskulöse Sprinterin aus Jena unter den magischen 11 Sekunden. Und sie rennt im tschechischen Ostrava nicht bloß Weltrekord über 100 Meter, den vorletzten per Hand gestoppten. Jener 7. Juni 1973 ist bis heute ein Meilenstein der Leichtathletik. Nach der Wende wird die DDR-Athletin immer wieder mit Dopingvorwürfen konfrontiert. An diesem Dienstag feiert die Thüringerin ihren 65. Geburtstag.

"In meinem Herzen bin ich von Anfang an Sportlerin gewesen und immer geblieben. Seit 30 Jahren spiele ich Basketball, mache heute auch Karate. Und ich bin immer noch in einer guten Gruppe, das hält fit", sagt die dreimalige Olympiasiegerin der Deutschen Presse-Agentur. "Ich bin mit meinem Leben zufrieden."

Verbitterung zum Thema Doping

Aber auch Verbitterung schwingt mit, wenn Renate Stecher leise erzählt. Die alten Geschichten hat sie satt. Sie will eigentlich auch keine Interviews mehr geben. Dann aber doch. Zur Vergangenheit gehören eben nicht nur Erfolge, Medaillen und Weltrekorde. "Ich kann das nicht mehr hören! Eine Aufarbeitung nach den Unterlagen betraf immer nur die damalige DDR und nicht die BRD. Inzwischen steht aber auch fest, dass Doping in der BRD stärker praktiziert wurde, als bisher bekannt war. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen."

Schon vor 15 Jahren bekennt sich der frühere Sportmediziner Manfred Höppner zu seiner Verantwortung für das flächendeckende Doping im DDR-Sport. Im Juli 2000 wird er wegen Beihilfe zur Körperverletzung zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Später protestiert der Dopingopfer-Hilfeverein (DOH) gegen die Aufnahme Stechers in die "Hall of Fame" des deutschen Sports am 11. Mai 2011. Sie habe "ihre vergiftete Vergangenheit" stets geleugnet, monierte der DOH.

Geburstagsfeiern mit Familie und Freunden

Renate Meißner, so ihr Mädchenname, ist ein Kind der DDR, geboren im sächsischen Süptitz bei Torgau. Sprinttrainer Horst-Dieter Hille formt sie beim SC Motor Jena zur Weltklasse-Athletin. Zwischen 1969 und 1976 dominiert sie die 100 und 200 Meter, holt sich in Montreal (Kanada) 1976 einen kompletten olympischen Medaillensatz ab - und beendet im Herbst ihre Karriere. Bis 1990 arbeitet sie als Diplomsportlehrerin an der Jenaer Uni, danach beim Thüringer Studentenwerk.

Neben dem Sport ist ihr immer die Familie wichtig. Drei Töchter und zwei Enkel hat sie, ihr Mann ist vor drei Jahren gestorben. Eine Riesen-Party zum 65. braucht die Mutter und Oma nicht: "Es gibt wie immer eine Feier mit der Familie und eine Feier mit Freunden."

Erfolgreichste deutsche Leichtathletin bei Olympia

Für die große Show ist Stecher schon zu ihren Glanzzeiten nie zu haben gewesen. Sie ist ruhig und bescheiden, ein Konzentrationswunder. "Ich war wirklich ein Wettkampftyp", sagt sie. Mit sechs Medaillen (3/2/1) ist sie bis heute die erfolgreichste deutsche Leichtathletin bei Olympia. Dazu kommen fünfmal EM-Gold im Freien und vier EM-Hallentitel. Außerdem 20 Weltrekorde.

Jener Donnerstag vor 42 Jahren in Ostrava ist für Renate Stecher auch heute noch präsent. "Ja, das war schon ein historischer Lauf. Der ging ja in die Geschichte ein. Dabei hatten wir schlechtes Wetter", berichtet sie. Sechs Wochen später verbessert sie ihren Weltrekord in Dresden noch einmal - auf 10,8 Sekunden. Danach bricht das elektronische Zeitalter mit der Messung von Hundertsteln an.

Enttäuschung Staffel-Niederlage München

München, 10. September 1972. Die Sprintstaffel. Letzte Kurve. Stecher, sonst auf die lange Gegengerade abonniert, ist diesmal Schlussläuferin. Doch dann kommt Heide Rosendahl! Beim Stabwechsel ist sie knapp vorn und rettet den Vorsprung ins Ziel: Gold für den "Klassenfeind" aus der Bundesrepublik, die DDR-Frauen blitzen mit der schnellsten Sprinterin der Welt um 14 Hundertstel ab.

"Naja, das hat mich schon ein bisschen geärgert. Wenn man zweimal Gold auf den kurzen Sprintstrecken geholt hat - und dann von einer Weitspringerin geschlagen wird", gibt Renate Stecher zu. Sie sagt aber auch: "Die Leistung eines anderen muss man respektieren."

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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