| Interview mit Guido Weihermüller

„Sechsviertel“ zeigt Höhen und Tiefen von Robert Hartings Ausstieg

Ein professionelles Film-Team begleitet Robert Harting (SCC Berlin) seit den Weltmeisterschaften in London (Großbritannien) mit der Kamera und erzählt im Projekt "Sechsviertel" seine Geschichte vom Ausstieg aus dem Spitzensport mit allen Höhen und Tiefen. Den letzten Wettkampf bestreitet der Diskus-Olympiasieger von 2012 Anfang September beim ISTAF in Berlin. Im Interview spricht Regisseur Guido Weihermüller über die Hintergründe des geplanten Kino-Films und verrät, was die Zuschauer am 28. Juli in der 47minütigen TV-Dokumentation auf ARD erwartet.
Peter Schmitt

Guido Weihermüller, seit über einem Jahr arbeiten Sie an dem Filmprojekt „Sechsviertel“. Dabei steht einer der erfolgreichsten Leichtathleten der letzten Jahrzehnte, Robert Harting, und sein Karriereende im Mittelpunkt. Wie ist es zu diesem Projekt gekommen und welche Zielsetzung verfolgen Sie bei den Dreharbeiten?

Guido Weihermüller: 

Robert Harting hat Ende März 2017 via Twitter mit uns Kontakt aufgenommen. Einen Monat später haben wir uns dann in Berlin zu einem Vorgespräch getroffen. Robert war voller Energie und hat uns dort eine Projektidee vorgestellt, die sich explizit mit dem Thema „Ausstieg“ beschäftigt. Robert war es dabei sehr wichtig, dass ein möglicher Film sich nicht nur um sein eigenes Karriereende drehen, sondern auch eine größere gesellschaftliche Bedeutung haben soll. Da alle unsere bisherigen Filmprojekte auch diesen Anspruch der gesellschaftlichen Relevanz haben, hatten wir gleich eine große inhaltliche Schnittmenge. Mitte Mai 2017 habe ich dann einen ersten Recherchetag mit Robert verbracht, ihn beim Training, Physio sowie Zuhause mit der Kamera begleitet und bin das erste Mal in seine Welt eingetaucht. Danach habe ich dann ein Konzept für eine Webserie, eine TV-Dokumentation und einen Kinofilm geschrieben. Der erste richtige Dreh war dann bei der WM 2017 London.

Sie begleiten mit Ihrem Filmteam Robert Harting oft auf Schritt und Tritt und haben viele intensive Gespräche mit ihm geführt. Wie würden Sie ihn als Mensch charakterisieren?

Guido Weihermüller: 

Robert hat uns mit in sein Leben genommen und ich finde er ist ist in vielerlei Hinsicht speziell. Einerseits ist Robert ein extrem höflicher, freundlicher und warmherziger Mensch mit viel Sensibilität. Andererseits ist er sehr fordernd, detailbesessen und sich selbst gegenüber extrem unnachgiebig. Ich glaube, wir erleben ihn zur Zeit in einer sehr nachdenklichen Phase. Den „Shaggy“, der feiert und es krachen lässt, den haben wir bislang nur selten erlebt.

Am 28. Juli kommt eine Art Preview des Films „Sechsviertel“ in einer 47minütigen Dokumentation in der ARD. Gerade hatten Sie die finale Abnahme für die Sendung. Wie zufrieden sind Sie mit dem bisherigen Verlauf des Projekts?

Guido Weihermüller:

Einen „Preview“ würde ich es nicht nennen, eher eine Momentaufnahme oder ein Zwischenstopp, denn die Dreharbeiten laufen ja noch mindestens bis zum ISTAF und der Ausstieg ist ja noch nicht vollzogen. Im Bereich Fernsehen läuft es sehr gut. Die ersten 45 Minuten haben beim Sender eine große Begeisterung ausgelöst und wir hoffen, dass es den Zuschauern genauso gut gefallen wird. Inhaltlich ist der Film bereits abgenommen, aber die Deutsche Meisterschaft kommt aktuell noch dazu. Die Verantwortlichen beim rbb bzw. in der ARD haben den Termin für die Ausstrahlung der TV-Dokumentation bewusst gewählt, da eine Woche nach der Ausstrahlung die EM in Berlin beginnt.

In dem TV-Film zeigen wir Robert in den konträren Welten seines Ausstiegs: Privat, an der Uni, aber natürlich auch im Training und im Wettkampf. Als Student, beim Tanztraining und auf nächtlichen Streifzügen – Bilder, wie man Robert noch nie gesehen hat. Mit rbb/ARD haben wir einen perfekten Projektpartner gefunden, der nicht nur an dem fertigen TV-Film interessiert war, sondern von Anfang an auch mit Beiträgen im ARD-Mittagsmagazin und anderen Sendeplätzen, sowie im Internet über das Projekt berichtet hat. Über die Resonanz der Webserie sind wir auch recht zufrieden und Kino folgt ja erst noch.

Was würden Sie als die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten zu „Sechsviertel“ sehen?

Guido Weihermüller:

Die größte Herausforderung ist, dass sich die Geschichte weitgehend selbst schreibt. Durch die Art und Weise unseres Filmemachens erleben wir alle Höhen und Tiefen emotional mit. Ich möchte gleichzeitig große Nähe, brauche aber auch Abstand, um meine Sicht als Filmemacher nicht zu verlieren. Unser Filmteam wird an den Drehtagen zu einem Teil von Roberts Leben. Wenn neue Situationen auftreten, wie z.B. Roberts Verletzung, dann muss das ganze Team damit umgehen und sich neu hineinfühlen. Außerdem müssen wir ständig das gesellschaftliche Thema „Ausstieg“ im Auge behalten, damit es nicht nur eine Nacherzählung einer großen sportlichen Karriere wird. Die ganze Dimension wird ohnehin erst dann deutlich, wenn Robert tatsächlich ausgestiegen ist. Das unterscheidet den Kinofilm auch nochmal deutlich von der TV-Doku.

Haben Sie auch schon einmal daran gedacht, was passiert, wenn Robert Harting nicht bei der EM in Berlin startet?

Guido Weihermüller:

Wenn man sich mit Spitzensportlern beschäftigt, dann weiß man, dass es keine Garantien gibt. Für Robert und mich geht es bei dem Filmprojekt nicht nur um den sportlichen Erfolg, sondern darum wie ein Top-Athlet den Ausstieg vorbereitet, erlebt und verarbeitet. Wir sind uns aber sicher, dass er bei der DM „einen raushaut“ und sich für die EM qualifiziert.

Wie kamen Sie auf den Titel „Sechsviertel“ des Films?

Guido Weihermüller:

Es war bei unserem ersten Treffen im Mai 2017 im Sportforum in Berlin. Wir sprachen über die 540 Grad Drehung beim Diskuswurf und darüber, dass ein Sportlerleben mehr als ein Kreis ist, der sich am Ende schließt. Es gibt immer ein Davor und auch ein Danach. So kamen wir auf Sechsviertel.

Wie wichtig ist für Sie transmediales Arbeiten in einer digitalen Welt?

Guido Weihermüller: 

Mein Ziel ist immer eine maximale Sichtbarkeit für das Filmprojekt. Mit unterschiedlichen Erzählweisen im Internet, TV und Kino geben wir dem Projekt die Möglichkeit verschiedene Zielgruppen zu finden und liefern auch verschiedene Perspektiven auf Robert Harting und das Thema Ausstieg. Während wir im Internet mit sehr kurzen Formaten kommunizieren, im TV dokumentarisch erzählen, werden wir für den Kinofilm Robert auch in fiktionalen Szenen zeigen.

Wie stehen die Chancen, dass wir den Film „Sechsviertel“ bei der Berlinale sehen und wann ist die Kinopremiere geplant?

Guido Weihermüller: 

Für die Berlinale gibt es klare Einreichkriterien und dann entscheidet eine Jury, ob der Film gezeigt wird. Wir hoffen natürlich sehr, dass es klappt. Leider hat die Kultur oft Berührungsängste mit Sport. Zum Teil ist es sogar nachvollziehbar, wenn es zum Beispiel nur um ein Portrait eines Sportlers geht. Wir würden uns wahnsinnig freuen, wenn der Kinofilm auf der Berlinale laufen und in Roberts Heimatstadt eine so bedeutsame Plattform bekommen würde.

Was war bisher der bewegendste Moment bei den Dreharbeiten?

Guido Weihermüller:

Ich glaube der bewegendste Moment kommt noch. Wir hatten schon viele emotionale, positive und harte Situationen, wo man gemerkt hat, wie extrem Roberts Leben als Spitzensportler wirklich ist und dass er alle vorstellbaren Limits überschritten hat. Aber ich glaube, das alles ist nichts im Vergleich zu dem Moment des Ausstiegs.

Mehr:

<link http: www.sechsviertel.de _blank>Alle bisherigen Web-Episoden auf sechsviertel.de

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024