| Paralympics Tokio

Léon Schäfer springt zu Silber, Bronze-Sprint von Lindy Ave

Léon Schäfer springt zu Silber, Bronze-Sprint von Lindy Ave
Léon Schäfer hat bei den Paralympics in Tokio seine erhoffte Goldmedaille verpasst, in einem verrückten Weitsprung-Wettkampf aber noch Silber gewonnen. Lindy Ave lief überraschend zu 100-Meter-Bronze, Ali Lacin durfte sich für wenige Minuten Weltrekordhalter in der Startklasse T61 nennen. Für Merle Menje und Nele Moos gab es Bestzeiten beim Paralympics-Debüt.
Nico Feißt (DBS) / mbn

Der Wettkampf der oberschenkelamputierten Weitspringer der zusammengelegten Klassen T61 und T63 war schon vor den Spielen als eines der spannendsten Events deklariert worden. Die Frage lautete: Würde Daniel Wagner, der dänische Weltmeister von 2017, Léon Schäfer bei den Paralympics in Tokio besiegen können? Den Weltrekordhalter und Weltmeister von 2019, der das Ziel Gold klar formuliert hatte?

Schon nach den ersten Versuchen deutete sich an, dass auch ein anderer mitmischen würde: Ntando Mahlangu, 19-jähriger südafrikanischer Ausnahmeläufer auf zwei Prothesen, sollte den beiden Favoriten das Leben schwermachen. Daniel Wagner startete mit 7,07 Metern gut in den Wettkampf, zum Vergleich: Der alte Paralympics-Rekord von Heinrich Popow aus Rio lag bei 6,70 Metern. Mahlangu legte 7,02 Meter nach und fand sich auf dem Silberrang wieder. Schäfer kam mit 6,74 Metern nur schwer in den Wettkampf - und das sollte sich auch erstmal nicht ändern.

Erst als der Japaner Atsushi Yamamoto im fünften Versuch einen Zentimeter weiter als Schäfer sprang und der Athlet vom TSV Bayer 04 Leverkusen auf Rang vier abrutschte, kam Bewegung in den Wettkampf. Denn als er keine Medaille hatte, fand Schäfer plötzlich zu seinem System. 7,05 Meter spülten ihn im fünften Versuch kurz auf Platz zwei, noch führte Wagner. Dann flog Mahlangu mit seinem letzten Sprung auf 7,17 Meter - die Führung. Schäfer wollte kontern und sprang mit seinem besten Versuch 7,12 Meter - Silber.

Léon Schäfer noch nicht richtig happy mit Silber

Der Däne Wagner, der die ganze Zeit geführt hatte, konnte dem nichts mehr entgegensetzen und musste sich statt Gold mit Bronze begnügen. Ein schwacher Trost für Schäfer, für den in der ersten Emotion ebenfalls nur der Paralympicssieg gezählt hätte: „Ehrlich gesagt kann ich mich noch nicht freuen, ich bin zu spät aufgewacht. Ich weiß, dass ich mehr kann, das hat heute nicht so funktioniert. Zwischendurch kommt die Freude schon durch und ich bin auf der einen Seite happy über Silber, aber der Ärger überwiegt ganz klar noch.“

In einem hochklassigen Wettkampf hatte auch der zweite deutsche Starter, Ali Lacin, sein Glanzlicht: Mit 6,70 Metern stieg er in den Wettkampf ein - Weltrekord bei den beidseitig Oberschenkelamputierten und die Verbesserung seiner eigenen Bestweite um 41 Zentimeter. Zwar stibitzte ihm Mahlangu diese Marke schnell wieder, doch Lacin durfte sich über den Europarekord und Platz fünf freuen: „Ich bin jetzt der Europarekordhalter in meiner Klasse und zufrieden. Ich bin gut gestartet, hatte dann aber ein paar Fehlversuche. Im Training bin ich schon weiter gesprungen, deshalb bin ich jetzt gespannt auf nächstes Jahr.“ Wie Schäfer über die100 Meter hat auch Lacin über 200 Meter noch Chancen auf eine Medaille - dort starten die Klassen getrennt voneinander.

Lindy Ave veredelt Bronze mit zwei Bestzeiten

Überglücklich war Lindy Ave nach dem Gewinn ihrer Bronzemedaille über 100 Meter der Klasse T38. Bereits im Vorlauf hatte die 23-Jährige von der HSG Uni Greifswald in 12,87 Sekunden ihre Bestzeit um 14 Hundertstelsekunden gesteigert und war erstmals unter 13 Sekunden geblieben. Dort hatte sie schon angekündigt, im Finale noch schneller laufen zu wollen - und das gelang ihr. 12,77 Sekunden bedeuteten nicht nur eine erneute Bestzeit, sondern auch die Bronzemedaille, nachdem Ave ihre ungarische Konkurrentin Luca Ekler um fünf Hundertstelsekunden hinter sich lassen konnte.

„Ich bin einfach nur glücklich. Neue Bestzeit, Dritte bei den Paralympics - besser hätte es heute nicht laufen können.“ Umso erstaunlicher war ihre erste Medaille bei Paralympics, weil die 100-Meter-Bronzemedaillengewinnerin der WM 2017 zwei Jahre lang verletzungsbedingt kaum trainieren konnte. „Ich hatte nur ein halbes Jahr Zeit, darauf zu trainieren, das war nicht viel, um sich vorzubereiten. Aber zwei neue Bestleistungen an einem Tag, ich bin einfach nur happy und hätte damit nie gerechnet."

Starkes Paralympics-Debüt von Merle Menje

Einen zehnten Platz in Aves Klasse gab es für Nele Moos: Die 19-Jährige vom TSV Bayer 04 Leverkusen sprintete ebenfalls zur Bestzeit in 13,58 Sekunden und war damit zufrieden: „Ich fühle mich ganz gut, mir war wichtig, dass ich auf mich achte und meine beste Leistung zeige. Fürs Debüt ist das super. Eigentlich habe ich Schwierigkeiten mit Mondo-Bahnen, aber hier ist das okay. Ich bin gespannt, was nächste Woche über 400 Meter passiert, darauf liegt mein Fokus.“

Bereits am Vormittag hatte Rennrollstuhlfahrerin Merle Menje ein starkes Paralympics-Debüt gezeigt. Die 17-Jährige fuhr im Finale über 5.000 Meter in der Klasse T54 in persönlicher Bestzeit von 11:16,38 Minuten auf einen guten sechsten Platz. Einige Zeit hatte die Athletin vom Stadt-Turnverein Singen sogar das Rennen angeführt. Bis zur Zielgerade hatte sie sogar Chancen auf Bronze, ehe sich die deutlich erfahrenere Konkurrenz im Spurt durchsetzte.

„Man sieht, wie hoch das Niveau ist - ich habe versucht, immer Kontakt nach vorne zu halten, das ist mir sehr lange gelungen“, sagte die Europameisterin: „Dass ich auf den letzten 200 Metern noch einige Plätze verloren habe, ärgert mich ein bisschen und tut weh, aber ich kann zufrieden sein.“ Somit überwog die Freude über ihre Premiere: „Es war schön, ich habe es genossen“, sagte Menje: „Das gibt mir Selbstvertrauen. Ich habe gesehen, dass ich vorne mitfahren kann. Das macht sehr viel Mut für die nächsten Rennen.“ Über 400 Meter, 800 Meter und 1.500 Meter will sie weitere starke Rennen zeigen – „und vor allem ganz viel genießen“.

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