| Interview der Woche

Hanna Klein: „In mir schlummern noch einige Reserven“

Mit einer Steigerung von 30 Sekunden hat Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) die 10-Kilometer-DM am Sonntag mit einer Top-Zeit von 31:40 Minuten für sich entschieden. Im Interview spricht die 28-Jährige über den knappen Erfolg vor Alina Reh (SCC Berlin), das Olympia-Aus in Tokio und „läuferische Schallmauern“, die sie in Zukunft brechen will.
Martin Neumann

Hanna Klein, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 10-Kilometer-DM-Titel.

Hanna Klein:

Vielen Dank, es war ein wirklich guter Lauf.

Wie haben Sie das Rennen in Uelzen am Sonntag erlebt?

Hanna Klein:

Für mich waren die ersten sechs, sieben Kilometer sehr schwer. Ich musste kämpfen und einigen Attacken von Alina Reh standhalten. Erst in der vorletzten Runde, etwa bei Kilometer sieben, bin ich besser ins Rennen gekommen.

Wie Sie gesagt haben, hat Alina Reh von Beginn an aufs Tempo gedrückt. Haben Sie irgendwann daran gezweifelt, dass Sie dem hohen Tempo weiter würden folgen können?

Hanna Klein:

Ich hatte etwa bei Kilometer vier einen richtigen Hänger. Da wäre Alina fast weggezogen. Ich wusste, dass ich dranbleiben muss. Wäre mir das nicht gelungen, wäre ich wohl nicht mehr zurückgekommen. Die Situation hat mich bestärkt, weiter dran zu bleiben.

Wann haben Sie sich entschieden, die schlussendlich entscheidende Attacke zu setzen?

Hanna Klein:

Ab der vorletzten Runde lief es besser bei mir. Nach dem Wendepunkt in der letzte Runde habe ich das Tempo erhöht, einen langen Schritt gezogen und mich ins Ziel gerettet. Ich ziehe den Hut vor Alinas Tempoarbeit. Ich war zu keiner Zeit in der Lage, etwas für das Tempo zu tun.

Sie sind in Uelzen erstmals in Ihrer Karriere unter 32 Minuten geblieben – und das mit 31:40 Minuten gleich deutlich. Haben Sie damit im Vorfeld gerechnet?

Hanna Klein:

Tatsächlich bin ich im Training vor einem Jahr schon einmal ähnlich schnell gelaufen. Darum war mir das Tempo nicht unbekannt. Außerdem bin ich vor drei Wochen in München mit 32:10 Minuten schon dicht an die 32-Minuten-Marke herangekommen, wobei ich sehr viel allein unterwegs war. Aber klar: Ich freue mich sehr über die Bestzeit und die Steigerung, denn trotz guter Vorleistungen darf man nicht automatisch mit einer solchen Steigerung rechnen.

Mit 31:40 Minuten sind Sie auf Platz sechs der ewigen deutschen Bestenliste gelaufen – und das als Bahnspezialistin. Wird man Sie nun häufiger bei Straßenläufen sehen?

Hanna Klein:

Straßenläufe im Herbst dienen für mich als Formaufbau für die nächste Saison. Was ist schließlich besser, als bei toller Stimmung wie in Uelzen zu laufen? So ein Rennen ist ein tolles Trainingsmittel und Standortbestimmung gleichermaßen. Ich bin froh, beim Training für einige Wochen von der Bahn weg zu sein und solche Rennen zu bestreiten. Diese Abwechslung mag ich so sehr an unserem Sport. Aber schlussendlich bleibe ich Bahnläuferin.

Also bleibt Ihr Fokus auf den 1.500 und 5.000 Metern?

Hanna Klein:

Genau, auf jeden Fall.

Wobei Ihr wichtigstes Bahnrennen 2021 – der olympische 1.500-Meter-Vorlauf in Tokio – mit dem Ausscheiden nicht nach Wunsch verlief …

Hanna Klein:

… das stimmt leider. Aber in mir schlummern noch einige Reserven, die will ich ausloten. Die 1.500 Meter sind einfach eine coole Strecke.

Haben Sie das Ausscheiden in Tokio denn schon verdaut?

Hanna Klein:

Mittlerweile schon, aber es hat gedauert. Es war keine leichte Zeit, denn die Bahnrennen nach Tokio haben mir einfach keinen Spaß bereitet. Dieses Tief habe ich mittlerweile überwunden und mir neue Ziele gesetzt. Beispielsweise wollte ich fit werden für die 10-Kilometer-DM. Das ist mir gelungen, ich habe ein gutes Niveau erreicht, auf das sich aufbauen lässt. Ich bin froh, dass mir solche Rennen wieder Spaß bereiten.

Ein gutes Ausdauerniveau im Winter ist die Basis für eine schnelle Bahnsaison im folgenden Jahr. 2022 stehen mit der WM in Eugene und der EM in München zwei absolute Höhepunkte an. Sind Sie mit Ihrer Trainerin Isabelle Baumann schon in die Planungen für die kommende Saison gegangen?

Hanna Klein:

Ja, und wir haben uns entschieden, den Schwerpunkt auf die 1.500 Meter zu legen. Läuft alles ideal, würde ich gern bei der WM die 5.000 Meter angehen, um bei der EM in München wieder auf die 1.500 Meter nach unten zu gehen. Das würde sehr gut von der Trainingsgestaltung passen. Natürlich ist die Chance, bei einer EM eine gute Platzierung zu erreichen, größer als bei der WM. Darum soll die EM der Saisonhöhepunkt sein.

Sie trainieren seit knapp anderthalb Jahren bei Isabelle Baumann. Wie hat sich das Training im Vergleich zu den Vorjahren verändert?

Hanna Klein:

Wir haben den Umfang erhöht, das ist durch meine Trainingsjahre auch nicht ungewöhnlich. Außerdem absolvieren wir in Tübingen viele Läufe in einem profilierten Gelände. Auch das Krafttraining wurde intensiviert. Dabei habe ich extrem von den Erfahrungen von Jackie Baumann profitiert, sie konnte mir eine Menge zeigen. Mit den Höhenketten ist ein weiteres Trainingsmittel dazugekommen. Dabei musste ich lernen, ruhig in der Höhe zu arbeiten, um nicht zu überdrehen. Mittlerweile habe ich für das richtige Tempo ein gutes Körpergefühl entwickelt.

Ihre Bestzeiten über 1.500 und 5.000 Metern stehen bei 4:02,58 bzw. 15:01,99 Minuten. Sie sind also nicht mehr so weit entfernt von zwei „Lauf-Schallmauern“. Welche Rolle spielen Zeiten von unter vier und unter 15 Minuten?

Hanna Klein:

Es wäre schön, diese Mauern irgendwann brechen zu können. Ich werde in jedem Fall alles versuchen. Auf den 5.000 Metern bin ich noch dichter dran als auf der längeren Strecke. Bei solchen Zeiten muss man natürlich auch das Glück haben, am richtigen Tag ins richtige Rennen zu kommen.

Blicken wir noch ein wenig weiter voraus als auf 2022: Spielt irgendwann der Wechsel auf die Straße und der Marathonlauf eine Rolle in Ihren Planungen?

Hanna Klein:

So weit schaue ich nicht voraus. Von einem Marathon bin ich gedanklich noch weit weg. Momentan kann ich mir es nicht vorstellen, 42 Kilometer auf der Straße zu laufen. Klar kann sich das in zwei, drei Jahren ändern. Aktuell ist das Brechen der „Schallmauern“ auf der Bahn aber noch ein viel zu attraktives Ziel.

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