| Senioren-Leichtathlet des Jahres

Thomas Stewens: "Die beiden Fünfkampf-Weltrekorde fehlen noch"

Spät im Jahr 2021 hatte Zehnkämpfer Thomas Stewens mit einem Weltrekord in der M55-Altersklasse für Furore gesorgt. Nachdem er sich diesen Traum erfüllt hatte, wurde ein weiterer wahr: Die Leichtathletik-Community belohnte ihn für seine Ausnahme-Leistung mit den meisten Stimmen und wählte ihn im Dezember zu Deutschlands "Senioren-Leichtathlet des Jahres". Was ihm diese Auszeichnung bedeutet? Und wie es jetzt – trotz zunehmender Kniebeschwerden – weitergehen soll? Wir haben mit ihm gesprochen.
Jörg Valentin

Im Vorfeld der Wahl zum "Senioren-Leichtathleten des Jahres" 2021 galt Thomas Stewens (SV Fun-Ball Dorteweil) schon als einer der Favoriten. Und die Leichtathletik-Community ließ die Prognosen zur Realität werden. Mit mehr als 20-Prozentpunkten Vorsprung durfte sich der Hesse aus dem Speckgürtel von Frankfurt für seinen Leistungen des Vorjahres zu Recht gewürdigt sehen.

Mit seinem Weltrekord von 8.312 Punkten im Zehnkampf in der Altersklasse M55 hatte der fünffache Familienvater für eines, wenn nicht sogar für das sportliche Ausrufezeichen in der Senioren-Lleichtathletik gesorgt. Akribie, Willensstärke, gepaart mit Talent und unbändigem Trainingseifer waren Voraussetzungen für die außergewöhnliche Leistung. Das honorierte auch die Leichtathletik-Familie und setzte Thomas Stewens die „Krone“ der Publikumswahl auf

Grund genug für leichtathletik.de, sich mit dem Zehnkämpfer zu unterhalten.

Gratulation zur Wahl zum "Senioren-Leichtathleten des Jahres", Thomas Stewens. Haben Sie schon mit der Familie und Freunden auf Ihren Erfolg angestoßen?

Thomas Stewens:

Ja, sofort mit einem Glass Sekt und der (fast) ganzen Familie.

Hat Sie Ihre Wahl eigentlich überrascht? Und wie stolz macht Sie das Votum der Leichtathletik-Community?

Thomas Stewens:

Auf alle Fälle war es in dieser Form eine Riesen-Überraschung. So ein Online-Votum ist etwas ganz Besonderes, aber der Ausgang ist kaum zu prognostizieren. Ich persönlich hatte viel Unterstützung von Familie, Verein, Verband und Freunden und sicher auch ordentlich Glück, da mein M55-Zehnkampf-Weltrekord so spät im Jahr viel Aufmerksamkeit bekommen hatte. Aber die anderen Nominierten waren ja auch bärenstark und sind herausragende Athleten.

Ist es nicht eine besondere Auszeichnung für einen Sportler, in einer Reihe mit den ganz Großen der nationalen Leichtathletik-Szene wie Malaika Mihambo oder Johannes Vetter genannt zu werden?

Thomas Stewens:

Das ist wirklich ganz großes Kino und der Initiative des DLV zu verdanken, uns Altersklassen-Sportler wieder mehr in die Leichtathletik-Familie zu integrieren. Auch der Hessische Leichtathletik-Verband hat sich intensiv für alle seine nominierten Athleten eingesetzt. Ich bin sehr froh, dass wir endlich aus der leicht skurrilen Ecke geholt werden und hoffe, dass bald alle Leichtathleten jeden Alters wie selbstverständlich auf deutschen Sportplätzen trainieren und starten können. Die Läufer, Radfahrer und Triathleten haben das mit großem Erfolg geschafft, in der Stadion-Leichtathletik tut sich Einiges. Nur der Mehrkampf hat das Thema leider noch nicht erkannt. Eine Deutsche Altersklassen-Meisterschaft im Zehn- und Siebenkampf existiert seit vielen Jahren nicht mehr.

Sie galten schon im Vorfeld der Wahl als einer der Mitfavoriten auf den Titel. Der deutliche Vorsprung von mehr als 20 Prozentpunkten auf die Konkurrenz aus weiteren vier Nominierten überrascht trotzdem. Hätten Sie selbst mit einem solch überragenden Ergebnis gerechnet?

Thomas Stewens:

Ganz sicher nicht, sportlich ist das auch nicht gerechtfertigt. Da liegen alle Nominierten sehr eng beieinander. Aber wie schon gesagt, Online-Abstimmungen entwickeln ja oft eine ganz eigene Dynamik. Vor Jahren schon war ich einmal mit einer ebenfalls ordentlichen Leistung bei einer solchen Abstimmung ganz weit hinten. Dass ich jetzt prozentual mit 37,4 Prozent fast so wie die Lichtgestalt Malaika Mihambo mit 39,0 Prozent in ihrer Kategorie abschneide habe, ist natürlich der Hammer.

Für Sie als Weltrekordler im Zehnkampf in der M55 dürfte das Votum zusätzliche Motivation und Kraft für Ihre weitere sportliche Zukunft bedeuten. Sie haben sich doch sicher schon Gedanken gemacht, welche Ziele Sie sich für die kommende Saison und vielleicht auch darüber hinaus noch stecken wollen?

Thomas Stewens:

Ich habe erstmal lange Pause gemacht und wollte den Körper regenerieren lassen. Aber da hat mein rechtes Knie ziemlich schnell signalisiert, dass das nicht gut ist. Die bis dahin sporadischen Schmerzen haben erheblich zugenommen, insbesondere im Alltag bei den Spaziergängen mit unserem Collie-Welpen Osby. Ein Arztbesuch bei meinem Freund Michael Clarius in der Vulpiusklinik hat bestätigt, dass das rechte Knie leider aufgrund einer verletzungsbedingten sogenannten Varusgonarthrose, das heißt einer Arthrose auf der Knie-Innenseite mit beginnender Verknöcherung des Kniegelenks, irreparabel geschädigt ist. Ich werde mich also statt der erhofften „Knie-Reparatur" mit dem Thema Teilprothese beschäftigen müssen.

Nach der ersten Frustration habe ich mich entschlossen, bis zu diesem Zeitpunkt mit einem intensiven Kraft- und Dehnungstraining möglichst leistungsfähig zu bleiben. Ziel ist es, die Kraftströme im Knie auf die intakte Außenseite umzuleiten, die seit Jahren verlorene komplette Streckung wieder zu erkämpfen und so die nächsten Jahre bestmöglich und mit reduzierten Schmerzen zu funktionieren.

Die ersten Wochen dieses intensiven mit meiner Trainerin Amaliya Sharoyan entwickelten Trainings zeigen gute Erfolge und ich bereite mich derzeit auf den Hallen-Fünfkampf bei der Europameisterschaft in Braga vor. Danach kommt dann der sehr schöne Mehrkampf in Stendal, wo ich ebenfalls im Fünfkampf starten könnte. Auch wenn das jetzt ein bisschen schwieriger geworden ist, aber die beiden Fünfkampf-Weltrekorde fehlen ja noch irgendwie.

Abschließende Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort: Was empfehlen Sie jüngeren Leichtathleten, wie man auch im Alter noch erfolgreich seinen Sport ausüben kann?

Thomas Stewens:

Mit Spaß trainieren, Pausen einhalten, auch andere Lebensbereiche entwickeln, gute Vereine/Gruppen finden, vorsichtig Skifahren und Kreuzbänder-Risse schnell von sehr guten Ärzten operieren lassen. ... und auch bei vollen Tagen das Bier mit Freunden und die Feste in der Familie nicht vergessen.

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