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Tom-Linus Humann – Überraschendes DM-Gold bringt zusätzlichen Motivationsschub

Sieben DLV-Athletinnen und Athleten haben sich bei der Hallen-DM erstmals in die Siegerliste eingetragen. Unter ihnen neue Gesichter, sowie Athletinnen und Athleten, die schon mehrere Medaillen auf nationaler Ebene zu Hause haben und in Leipzig endlich ganz oben standen. Wir stellen sie vor, heute Stabhochspringer Tom-Linus Humann (Schweriner SC).
Jan-Henner Reitze

Tom-Linus Humann
Schweriner SC

Bestleistung:

Stabhochsprung: 5,40 m (2019), Halle: 5,51 m (2022)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2022

5,40 Meter – das ist die größte Höhe gewesen, die Tom-Linus Humann vor der vergangenen Wintersaison jemals übersprungen hat. In den folgenden Hallenwettkämpfen wurde sie zum Mindeststandard. Nach zwei Jahren ohne Steigerungen konnte sich der Stabhochspringer konstant auf einem neuen Niveau präsentieren. Mit 5,50 Metern vom PSD Bank Meeting in Dortmund reiste der 23-Jährige zur Hallen-DM, wo er die bisher beste Saison seiner Karriere mit einer weiteren Steigerung auf eine 5,60er-Höhe vollenden wollte.

Sein Sprung über die neue Bestleitung von 5,51 Metern bestätigte gleich im ersten Versuch, dass diese Ambition nicht unrealistisch war. Die 5,61 Meter blieben danach allerdings nicht mehr liegen. Dafür hatte die gewonnene Medaille mit Gold eine unverhoffte Farbe. Denn für die höher eingeschätzten Konkurrenten Oleg Zernikel (ASV Landau) und Torben Blech (TSV Bayer 04 Leverkusen) waren neue Bestleistungen an diesem Tag kein Thema. Beide schafften auch 5,51 Meter. Oleg Zernikel allerdings erst im zweiten Versuch, so dass ihm Bronze blieb. Torben Blech, der 5,51 Meter ebenfalls im ersten Anlauf meisterte, teilte sich den Platz ganz oben auf dem Treppchen mit Tom-Linus Humann.

„Mit Gold hatte ich natürlich nicht gerechnet, war aber super happy darüber. In erster Linie freue ich mich jetzt auf die Freiluftsaison und bin gespannt, welche Höhen möglich sein werden“, so der Überraschungssieger vom Schweriner SC, der sein gesteigertes Level auf zusätzlich gewonnene Sicherheit im technischen Ablauf zurückführt. Diese konnte er sich auch erarbeiten, weil nach den Corona-Beschränkungen der vergangenen Jahre wieder ein strukturierter Aufbau inklusive Zugang zur Trainingshalle möglich war.

Zuerst Spaß und Freundschaft, dann auch Leistungsperspektive

In seiner Heimat Schwerin begann Tom-Linus Humann im Grundschulalter mit der Leichtathletik. „Die Tochter einer befreundeten Familie hat Speerwurf gemacht. Sie meinte, Leichtathletik wäre vielleicht auch was für mich, weil ich mich gern bewege. Also habe ich es ausprobiert.“ Nicht nur der Spaß am Training wurde sofort entfacht, es entstanden auch schnell Freundschaften. Beides Gründe, gerne Zeit beim Schweriner SC zu verbringen, dem der Athlet bis heute treu geblieben ist.

Im Weitsprung, über die Hürden und im Sprint zeigte sich sein vielseitiges Talent. Nächster Schritt war der Schulwechsel zur fünften Klasse auf das Sportgymnasium Schwerin. Ein Auge darauf, wer für den Stabhochsprung infrage kommen könnte, hatte dort Andreas Rändler. Tom-Linus Humann brachte eine gute Grundlage für die anspruchsvolle Disziplin mit. „Die ersten Wettkämpfe liefen gut. Und es war auch beeindruckend, zu sehen, wie sich der Stab bei den Älteren richtig biegt und welche Höhen sie überwinden können“, erinnert er sich. Damit war die Lieblingsdisziplin gefunden.

Auch Erfolge stellten sich ein, mit dem Vorstoß in die nationale Spitze. Mit 3,65 Metern übersprang der junge Athlet beispielsweise im Jahr 2012 die zweitbeste Höhe in der Altersklasse M14. Bei seiner ersten Jugend-DM in Wattenscheid 2014 belegte er den achten Platz. Sogar die Premiere im Nationaltrikot brachte der Leistungssprung auf 4,85 Meter im Jahr 2015. Die Reise zur U18-WM ins ferne Cali (Kolumbien) war eine Erfahrung, die weiter beflügelte. Dazu kam der Sieg bei der Jugend-DM in Jena (4,80 m).

In der Altersklasse U20 gelangen die ersten Sprünge über fünf Meter bis hin zu 5,10 Metern. Neben zweimal Jugend-DM-Silber drinnen und draußen im Jahr 2016 musste der Stabhochspringer aber auch die Schattenseiten seiner Disziplin kennenlernen. 2017 scheiterte er bei der Jugend-DM in der Halle in Sindelfingen und später auch im Sommer in Ulm jeweils an seiner Anfangshöhe.

Ausbildung in Teilzeit ermöglicht Fortsetzung der Sportkarriere

Der Schulabschluss war wie bei vielen ein entscheidender Zeitpunkt, an dem die Weichen für die Zukunft gestellt wurden. Tom-Linus Humann kam zu dem Entschluss, seine sportlichen Ambitionen weiterzuverfolgen. „Nachdem ich in meiner Jugend so viel Zeit in den Stabhochsprung investiert hatte, wollte ich mehr herauskitzeln. Bis heute motiviert es mich zu wissen, dass ich mein Potential noch nicht ausgeschöpft habe.“ Die Idee, wie sein gleichaltriger Trainingspartner Gillian Ladwig (Schweriner SC), zur Landespolizei zu gehen, ließ sich allerdings nicht umsetzen. „Beim Einstellungstest kam raus, dass ich eine Farbschwäche habe.“

Eine bis heute stimmige Lösung fand sich in der Ausbildung zum Bürokaufmann bei den Schweriner Stadtwerken, die auch Vereinssponsor sind. „Mir wurde ermöglicht, die Ausbildung in Teilzeit zu machen. Ich konnte also vormittags arbeiten und nachmittags trainieren.“ Im Mai stehen die schriftliche und mündliche Abschlussprüfung an, danach soll es als Absolvent mit einer Teilzeitstelle weiter gehen.

Steigerung im Sommer mit neuen Stäben fortsetzen

In kleinen Schritten ging die sportliche Entwicklung bis 2019 weiter, als unter anderem die neue Bestleistung von 5,40 Metern sowie der Titel bei der U23-DM in Wetzlar (5,30 m) zu Buche standen. Auch dieses Gold war übrigens wie bei der Hallen-DM ein geteiltes, damals stand Vincent Hobbie (LG Region Karlsruhe) mit ihm ganz oben auf dem Treppchen.

Dass es danach erstmal nicht weiter nach oben ging, hatte neben den Umständen durch die Corona-Pandemie weitere Gründe. „Ich bin mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen. Im Training ging es höher als im Wettkampf. Da wollte es einfach nicht zusammenpassen. Ich wusste aber immer, es muss nur einmal Klick machen, dann kommt ein kleiner Durchbruch. Deshalb bin ich immer drangeblieben“, erzählt der Deutsche Hallenmeister. Seine berufliche Absicherung sowie sein Trainer Andreas Rändler und seine Familie unterstützten das Festhalten am eingeschlagenen Weg, den er ohne den Status als Bundeskaderathlet geht.

Der zurückliegende Winter hat bestätigt, dass sich Geduld und Arbeit auszahlen. Hallenwettkämpfe hätte es gern noch weitere geben können. „Ich habe mich erst am Ende der Saison so richtig sicher gefühlt. Im Training bin ich Höhen wie in meinen Wettkämpfen mit weicheren Stäben gesprungen. Deshalb bin ich optimistisch, dass es noch höher gehen kann.“

Allerdings hat es auch etwas Gutes, dass Zeit bis zu den nächsten Wettkämpfen bleibt. Denn der Winter hat Lücken beim Material offengelegt. „Ich bin von 4,90 Meter langen Stäben auf fünf Meter gewechselt. Da fehlen mir härtere. Ich habe mir welche zusammengeliehen, aus Potsdam, Leverkusen und Dortmund“, berichtet Tom-Linus Humann. Die Finanzierung von drei neuen Stäben haben sein Verein und der Landessportbund bewilligt. Bestellt ist auch ein Stab, der bei der Hallen-DM vielleicht geholfen hätte, die 5,61 Meter zu schaffen. Eine Höhe in diesem Bereich bleibt erstmal das nächste Ziel für den Sommer. „Da denke ich lieber in kleinen Schritten.“

Video: Geteiltes Gold für Torben Blech und Tom-Linus Humann 

Das sagt Bundestrainer Andrei Tivontschik:

Tom-Linus hat sich über Jahre hinweg kontinuierlich weiterentwickelt. 2016 ist er erstmals fünf Meter gesprungen, es folgten 2017 5,10 Meter, 2018 5,20 Meter und 2019 5,40 Meter. Dann kam die Corona-Pandemie, weitere Steigerungen blieben erst einmal aus. Dass nach kontinuierlichen Verbesserungen erst einmal ein Stillstand eintritt, kann passieren und ist auch bei anderen Athleten der Fall. In diesem Winter ist dann wieder ein deutlicher Fortschritt gelungen.

Technisch ist Tom-Linus gut ausgebildet. Anlaufgestaltung, Einstich und Absprung sehen gut aus. Auch seine Schnelligkeit passt. Um noch höher zu springen, braucht er härtere Stäbe. Das hat auch in Leipzig zu noch höheren Sprüngen gefehlt.  Für den Sommer muss er weitere Stäbe nachbestellen. Die Bedingungen können mit Rückenwind noch besser sein als in der Halle. Wenn er sich mit diesen härteren Stäben zu springen traut und gesund bleibt, kann er für Überraschungen sorgen. Über konstante Wettkämpfe kann er sich in Richtung 5,70 Meter bewegen.

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