| Oregon 2022

Zweimal Hindernis-Drama, einmal Happy End

Die Vorläufe der Frauen über 3.000 Meter Hindernis wurden am Samstag bei den Weltmeisterschaften in Eugene, Oregon aus deutscher Sicht zu einem wahren Wechselbad der Gefühle. So viel vorweg: Sowohl Lea Meyer als auch Gesa Krause legten starke Rennen auf die Bahn. Aber eine stürzte, und die andere zitterte und weinte schließlich vor Glück.
Silke Bernhart

Nur ein einziges Rennen hatte Gesa Krause (Silvesterlauf Trier) vor dem WM-Vorlauf von Eugene absolviert. Und das hatte sie selbst als "Schlag ins Gesicht" bezeichnet. 9:44,44 Minuten Ende Juni in Stockholm – es war ihre langsamste Zeit seit 2015, Vorläufe mit eingeschlossen. Da war die Unsicherheit vor ihrem WM-Auftritt am Samstag natürlich groß. Doch Gesa Krause wäre nicht Gesa Krause, wenn sie nicht jedes Rennen zugleich als Chance auf Weiterentwicklung betrachten und mit großem Kampfgeist annehmen würde.

So gab die zweimalige Europameisterin im Hayward Field über 3.000 Meter Hindernis wieder einmal bis zur Ziellinie alles. Und das sollte sich am Ende auszahlen. In 9:21,02 Minuten belegte sie Platz sieben des zweiten Vorlaufs und lag zu diesem Zeitpunkt auf Rang fünf von sechs Zeitschnellsten, die ins Finale einzogen. Beim Eintritt in die Mixed Zone lief noch der dritte Vorlauf und ihre Einschätzung lautete: "Das reicht wahrscheinlich nicht."

Dann der bange Blick auf die Bildschirme – die zeigten, dass nach den vier Erstplatzierten die Fünfte an Boden verlor. Und dass diese schließlich in etwa der gleichen Zeit wie Gesa Krause die Ziellinie überquerte. Gefolgt vom Zittern vor den Live-Results. Und schließlich der großen und tränenreichen Erleichterung: Es hatte für Gesa Krause um acht Hundertstel für ihr sechstes WM-Finale gereicht!

"Das WM-Finale ist ein riesen Gewinn für mich"

"Das war wirklich haarscharf. Und ich bin unfassbar dankbar und glücklich, dass die Sterne heute auf meiner Seite standen", sagte sie anschließend. "Manchmal muss man auch Glück haben, und es hat sich gelohnt, bis zum letzten Meter zu fighten." Ein Kampf war auch der Weg bis zum WM-Vorlauf, mit fast zehn Monaten Hindernis-Pause aufgrund von Achillessehnen-Beschwerden nach den Olympischen Spielen und gleich mehreren Infekten, die die zweimalige Europameisterin immer wieder zurückwarfen.

Warum sie mit dem großen Ziel Heim-EM vor Augen trotz ungleich schlechterer Aussichten bei der WM an den Start geht? Das konnte Gesa Krause wieder einmal eindrucksvoll erklären: "Das WM-Finale ist unter dem Aspekt ein riesen Gewinn für mich. Man ist so erfolgsverwöhnt, dass man nur noch auf Medaillen schaut. Am Ende des Tages kann man stolz darauf sein, im sechsten WM-Finale in Folge zu stehen. Und ich sage es auch mal so: Wenn ich mich jetzt aufgeben würde, weil ich vielleicht nicht auf dem Podium stehe – was ist dann noch die Motivation für junge Menschen, diesen Sport zu betreiben?!"

Lea Meyer stürzt kopfüber in den Wassergraben

Dass Glück und Leid nah beieinander liegen, unterstrich der Vorlauf der zweiten deutschen Hindernisläuferin Lea Meyer (ASV Köln). Denn die Deutsche Meisterin von Berlin hätte Gesa Krause durchaus einen Platz im Finale streitig machen können. Doch sie blieb gleich zu Beginn des Rennens am Balken des Wassergrabens hängen und stürzte kopfüber ins Wasser. Dass sie sich angesichts des spektakulären Sturzes wieder aufrappelte und die Verfolgsjagd aufnahm, spricht ebenso für sie wie die Leistung, die am Ende auf der Anzeigetafel erschien: 9:30,81 Minuten. Erst fünfmal war sie schneller.

"Ich kann mich glücklich schätzen, dass da nicht mehr passiert ist", fasste Lea Meyer anschließend zusammen. "Da steht man auf und rennt weiter, vor allem wenn man weiß, dass man selbst daran Schuld ist. Ich will ja trotzdem ins Ziel kommen. Und zeigen, dass ich trotzdem jemand bin, mit dem man in ein paar Wochen rechnen kann." In ein paar Wochen findet die Heim-EM in München (15. bis 21. August) statt. Und Lea Meyer gelang der positive Blick voraus: "Ich bin bei den Deutschen Meisterschaften eine 9:30 im Alleingang gelaufen und hier eine mit einem Sturz. Ich kann eine deutliche PB laufen, und das mache ich in diesem Jahr auch noch!"

WM 2022 Eugene

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