| Interview der Woche

Carolin Schäfer: „Ich hatte einfach einen Lauf“

Der dritte 6.300-Punkte-Siebenkampf des Jahres brachte Carolin Schäfer am Wochenende Rang eins beim Mehrkampf-Meeting in Talence und Rang zwei der IAAF Combined Events Challenge. Im Interview mit leichtathletik.de lässt die 22 Jahre alte Frankfurterin ihre Saison noch einmal Revue passieren und spricht von neuen Stärken, neuer Konstanz und dem Team hinter dem Erfolg.
Silke Morrissey

Carolin Schäfer, herzlichen Glückwunsch zu einem perfekten Saisonabschluss! Wie erstaunt sind Sie, dass Sie in Talence sogar noch einmal Ihre Bestleistung angreifen konnten?

Carolin Schäfer:

Wahnsinnig erstaunt! Obwohl ich wusste, dass ich noch ein gutes Niveau habe und auch mit 6.200 Punkten für Platz zwei der World Challenge geliebäugelt hatte. Wir haben noch mal gut trainiert nach den Europameisterschaften, aber dass das dann noch mal so ein Knaller wird, mit 6.383 Punkten, das freut mich ungemein!

Sie sind mit einer Bestleistung von 6.072 Punkten in das Jahr gestartet. Wie bewerten Sie den Leistungssprung auf konstant 6.300 Punkte?

Carolin Schäfer:

Naja, eigentlich haben wir schon im letzten Jahr in den Vorbereitungs-Wettkämpfen gesehen, dass ich gut drauf bin. Schon da habe ich mit der Norm für die Weltmeisterschaften geliebäugelt. Aber dann kam leider die Verletzung [Anm. d. Red.: Verletzung in beiden Kniekehlen beim Mehrkampf-Meeting in Götzis] dazwischen. Deswegen habe ich mich für diese Saison noch mal richtig reingekniet. Ich wollte unbedingt zur EM, habe superviel investiert und auch sehr viel Unterstützung von meinem Umfeld bekommen. Wer meine letzten Jahre gesehen hat wusste, dass ich einiges drauf habe. Ich konnte es bisher nur nie richtig zeigen – bis jetzt!

Sie selbst hat der Leistungssprung also gar nicht besonders überrascht?

Carolin Schäfer:

6.200 Punkte waren für diese Saison mein Ziel. Damit wäre ich schon super zufrieden gewesen. Dass ich drei Mehrkämpfe auf einem 6.300-Punkte-Niveau machen kann – das hätte ich nicht gedacht. Ich hatte einfach einen Lauf.

Wann fiel die Entscheidung, in Talence die Saison mit einem weiteren Siebenkampf zu beenden?

Carolin Schäfer:

Ich habe mich nach den Europameisterschaften noch gut gefühlt, hatte keine Verletzungen. Da habe ich gedacht: Ich bin gut drauf, ich könnte ja einfach noch weiter trainieren um noch in die World Challenge-Wertung und da unter die ersten Drei zu kommen.

Zum Saisonende konnten Sie sogar noch zwei Einzel-Bestleistungen aufstellen, über 200 und 800 Meter. Haben die sich angedeutet?

Carolin Schäfer:

Seltsamerweise waren genau die Disziplinen gut, in denen ich gar nicht damit gerechnet hatte. Da, wo ich es erwartet hatte, kamen die Leistungen leider nicht so richtig. Vor den 800 Metern haben wir nur errechnet, wie schnell ich sein muss, damit ich Zweite in der Challenge werde.  Dass es dann so schnell wird… Manchmal ist das so, wenn einmal der Knoten geplatzt ist, wenn man keinen Druck mehr hat und der Saison-Höhepunkt hinter einem liegt.

Die 800 Meter waren bisher nicht unbedingt Ihre Lieblingsdisziplin. Bei der EM hatten Sie Unterstützung von Ihrer Trainingspartnerin, der WM-Vierten Claudia Rath. Es geht aber offensichtlich auch alleine…

Carolin Schäfer:

Claudia gibt mir unglaublich viel Sicherheit, bei Tempoläufen im Training und auch zuletzt bei der EM. Ich weiß: Wenn sie die Zeiten läuft, dann kann ich das auch. In Talence habe ich einfach mal probiert laufen zu lassen. Es war der Saisonabschluss, meine letzten zwei Runden, und ich wusste: Danach ist die Saison zu Ende. Ich nehme sehr, sehr viel Positives mit aus diesem Wettkampf.

Die meisten anderen Athletinnen im Feld schienen dagegen ziemlich müde oder hatten mit Verletzungsproblemen zu kämpfen. Haben Sie sich gewundert, dass Sie sich schließlich so deutlich durchsetzen konnten?

Carolin Schäfer:

Viele Athleten sind nach der Saison einfach fertig. Ich habe mir zwischenzeitlich auch gewünscht, dass ich den Siebenkampf in Ratingen zu Ende gemacht hätte – aber das ging damals nicht, ich hatte Rückenprobleme und wollte den Fokus ganz auf die EM legen. Letztendlich muss man sich auf sich selbst konzentrieren. Dass andere aufhören, verletzt sind, kommen und gehen, ist jedes Jahr das gleiche. Da muss man einfach seine Chance ergreifen und sie nutzen!

Wer hat Sie in Talence durch den Wettkampf begleitet?

Carolin Schäfer:

Mein Trainer Jürgen Sammert! Das ist wichtig im Mehrkampf, ohne Trainer geht es eigentlich nicht. Ich bin ja mittlerweile schon eine recht erfahrene Athletin, aber bei so einem großen Wettkampf auf hohem Niveau ist es wichtig, den eigenen Trainer mitzuhaben.

Wie hat er auf Ihren Sieg reagiert?

Carolin Schäfer:

Der ist unfassbar stolz! Ich habe ihm zu verdanken, dass ich in dieser Saison so gut war. Er hat schon vorher gesagt: Komm, das wird der perfekte Abschluss, wenn du hier noch mal gut 800 Meter läufst und den Titel gewinnst. Er hat mich immer super unterstützt, auch im letzten Jahr, als es nicht so gut lief. Als Athlet ist es sehr schön, wenn der Trainer so viel Vertrauen in dich setzt und so viel Hoffnung hat, dass etwas ganz Großes dabei herauskommen kann.

Die letzten zwei Wettkampf-Runden des Jahres haben Sie hinter sich. Was steht als nächstes an?

Carolin Schäfer:

Ich habe meine Ausbildung bei der hessischen Polizei zuletzt hintenangestellt, um bei der EM gut zu sein. Dafür wurde mir sehr viel Verständnis entgegen gebracht. Ich habe den Freiraum bekommen, den ich wollte und brauchte. Daher muss ich aber jetzt, wo die Saison zu Ende ist, ins Praktikum, um meinem Arbeitgeber auch wieder etwas zurückzugeben. Ich will mich wieder ein bisschen mehr in meinen Job reinknien, da freue ich mich auch drauf, das ist eine gute Abwechslung neben dem Sport. Klar, ein paar Tage hat man immer mal frei, die versuche ich sinnvoll zu nutzen.

Für einen Urlaub wird die World-Challenge-Prämie also nicht draufgehen. 20.000 US-Dollar haben Sie mit Platz zwei gewonnen. Was machen Sie mit dem Geld?

Carolin Schäfer:

Da bin ich konservativ und lege das an – das ist sehr, sehr viel Geld für mich! Bisher bin ich noch nicht so wirklich mit Preisgeld in Berührung gekommen. Das ist hoffentlich der Startschuss für die nächsten Jahre. Das eine oder andere werde ich mir sicher davon gönnen, ein wenig muss man sich ja auch belohnen für die Leistungen. Aber der Rest kommt auf die Bank.

Gibt es nach einem rundum gelungenen Jahr noch irgendetwas, das Sie im Hinblick auf 2015 anders oder besser machen wollen?

Carolin Schäfer:

Da muss ich erst mal überlegen. Nee, eigentlich soll alles so bleiben, wie es ist! Das Umfeld, die Trainingsgruppe, die Trainer, die ich um mich herum habe. Freunde, Familie, Partner – alle haben mich in den letzten Jahren total unterstützt. Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mir dieses Umfeld so geschaffen habe. Darauf lässt sich gut aufbauen, damit es im nächsten Jahr vielleicht noch einen weiteren Schritt nach oben geht.

<link news:37009>Carolin Schäfer beste Siebenkämpferin in Talence

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