| Halbmarathon-Ausblick

Gesa Krause vor Berlin: Liegt die Zukunft auf der Straße?

Bahn oder Straße? Im Vorfeld des Berliner Halbmarathons fiel die Antwort von Hindernis-Spezialistin Gesa Felicitas Krause für die kommenden Jahre noch eindeutig aus. Doch die 25-Jährige hat zunehmend Gefallen an langen Läufen gefunden und mit der Familie Heinig ausgemachte Marathon-Experten an ihrer Seite. Ein Rennen über 42,195 Kilometer? Zumindest nicht mehr ausgeschlossen!
Jörg Wenig

Mit Gesa Felicitas Krause geht am Sonntag (8. April) beim Berliner Halbmarathon eine Läuferin ins Rennen, die das Zeug hat, eines Tages auf der Straße für Furore zu sorgen. Noch ist die Halbmarathondistanz für die 25-Jährige allerdings eher eine Art Ausflug. Es gilt darum, Erfahrungen zu sammeln und die höheren Trainingsumfänge als Grundlage für weitere Verbesserungen in ihrer Spezialdisziplin zu nutzen.

Über 3.000 Meter Hindernis dagegen zählt Gesa Krause, die in Frankfurt am Main wohnt, aber für den Verein Silvesterlauf Trier startet, inzwischen zur Weltklasse. Ein sensationeller dritter Platz bei den Weltmeisterschaften in Peking (China) 2015 ist der bislang größte Erfolg ihrer Karriere. 2016 gewann sie den Europameisterschafts-Titel, den sie im Sommer in Berlin verteidigen möchte.

Doch vielleicht kann der Berliner Halbmarathon am Sonntag ein erster, erfolgreicher Schritt in die Zukunft sein für Gesa Krause. „Ich bin in Topform, jedoch ist es schwer eine Prognose abzugeben. Aber ich will am Sonntag ins Ziel kommen und eine vernünftige Zeit laufen“, sagte die Läuferin am Freitag in Berlin, wenige Stunden nach ihrer Ankunft aus dem südafrikanischen Trainingslager in Potchestroom.

"Irgendwie lag mir das Laufen von Anfang an"

Gesa Krause kam früh zur Leichtathletik, und ihr läuferisches Talent wurde schnell offensichtlich. „Ich war schon immer ein Energiebündel und unermüdlich. Ich brauchte immer Beschäftigung und habe alles laufender Weise erledigt“, erinnert sich Gesa Krause an ihre Kindheit. „Wenn ich zu Hause etwas holen sollte bin ich oft gerannt. Das ging ja schneller als wenn ich gegangen wäre.“ Mit acht Jahren startete sie bei ihrem ersten Wettkampf und wurde bei dem Crosslauf auf Anhieb Zweite.

„Irgendwie lag mir das Laufen von Anfang an. Werfen und Springen mochte ich, aber ich war in diesen Bereichen weniger talentiert. Auch das Quälen muss man mögen. So weh es auch tat, so sehr ich nach jedem Wettkampf geweint habe: Ich habe mich immer wieder an den Start gestellt und wollte gewinnen“, erzählt die Läuferin, die einst in die Poesiealben ihrer Mitschüler schrieb: Ich möchte bei Olympischen Spielen antreten!

Motivationsschub als Zuschauerin der Spiele in Athen

Gerade erst zwölf Jahre alt, sah Gesa Krause die Spiele in Athen (Griechenland) im Fernsehen: „2004 habe ich alles verfolgt. Ich wollte unbedingt 800-Meter-Läuferin werden. Die 2:00-Minuten-Marke war für mich so eine magische Grenze“, erinnert sie sich. „Damals habe ich mich darüber gefreut, dass ich nicht Letzte geworden wäre. Meine Bestzeit war schneller als die langsamste Zeit in den Vorläufen.“

Bei Olympia erhalten mitunter Athleten aus kleinen Nationen einen Startplatz, obwohl sie leistungsmäßig nicht das entsprechende Niveau haben. Eine Läuferin aus Palästina war in Athen die langsamste im Vorlauf mit 2:32,10 Minuten. Damals als 12-Jährige schon schneller gewesen zu sein, sprach für das offensichtliche Talent von Gesa Krause.

Seit neun Jahren trainiert von Wolfgang Heinig

Seit sie mit 16 Jahren in Frankfurt in ein Sport-Internat zog, ist Wolfgang Heinig ihr Trainer. Der Coach, der früher seine Frau Katrin Dörre-Heinig zu einer Marathon-Weltklasseläuferin machte und später gemeinsam mit seiner Frau Katrin Tochter Katharina in die nationale Spitze führte, ist im Sportbereich die wichtigste Vertrauensperson von Gesa Krause.

„Ein Athlet ist nichts ohne seinen Trainer, und ein Trainer ist nichts ohne seinen Athleten“, erklärte die Läuferin vor kurzem in der Zeitschrift „Runner’s World“. Schnell schaffte sie unter Heinig über 3.000 Meter Hindernis den Anschluss an die erweiterte internationale Spitze. Als 18-Jährige wurde sie U20-Europameisterin, im gleichen Jahr belegte sie bei der WM in Daegu (Südkorea) 2011 einen erstaunlichen sechsten Platz und lief dabei U20-Europarekord (9:32,74 Minuten).

Schon zwei Olympia-Teilnahmen

Den Kindheitstraum vom Olympiastart erfüllte sie sich bereits ein Jahr später: Gesa Krause wurde bei den Spielen in London (Großbritannien) Siebte. Rang sechs erreichte sie 2016 bei Olympia in Rio (Brasilien). Kurz zuvor hatte sie im Sommer 2016 den EM-Titel über 3.000 Meter Hindernis gewonnen, nachträglich – nach einem Dopingfall – erhielt sie die Bronzemedaille der EM 2012.

2015 feierte die Hessin ihren bis dato größten internationalen Erfolg und wurde sensationell Dritte bei der WM in Peking. Sie ist damit die einzige deutsche Frau, die in der Leichtathletik-Geschichte bei einer interkontinentalen Meisterschaft (Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele) eine Medaille über 3.000 Meter Hindernis gewinnen konnte. Den EM-Titel in Berlin im Sommer zu verteidigen, ist das ganz große Ziel in diesem Jahr.

2018: Schallmauern im Visier

Mittelfristig werden für Gesa Krause, die zur Sport-Fördergruppe der Bundeswehr gehört, noch die Hindernisrennen im Mittelpunkt stehen. Zumal sie weiteres Potenzial für Verbesserungen sieht. Zweimal brach sie im vergangenen Jahr ihren eigenen deutschen Rekord. Nachdem sie bei der WM in London 2017 Pech hatte, weil sie im Finale nach einem unverschuldeten Sturz „nur“ Platz neun erreichen konnte, steigerte sie sich beim ISTAF in Berlin auf 9:11,85 Minuten. Mit dieser Zeit war sie die neuntschnellste Läuferin des Jahres in der Welt.

„2018 möchte ich zuerst die Schallmauer von 9:10 Minuten knacken, danach kommen dann die 9:05“, sagt Gesa Krause und erklärt: „Auf diesem Level muss man von Sekunde zu Sekunde denken. Die Luft wird immer dünner. Eines Tages die Neun-Minuten-Barriere zu durchbrechen, ist mein Traum. Und ich glaube fest daran, dass es möglich ist. Ich habe noch einige Jahre Zeit, mich an diese Schallmauer heranzukämpfen – und ich bin bereit, dafür zu kämpfen. Dafür ist mir kein Weg zu steinig.“

Halbmarathon-Debüt gescheitert und doch fruchtbar

Es ist noch nicht lange her, da hatte Gesa Krause mit den klassischen Langstrecken nichts im Sinn. Ein Halbmarathon wäre nicht nicht vorstellbar gewesen, ein Marathon außerhalb ihrer Welt. Doch von einer besseren Ausdauer profitiert sie auch über die 3.000-Meter-Hindernisdistanz. Deswegen streute Wolfgang Heinig verstärkt lange Läufe in den Trainingsaufbau seiner Athletin.

Um auch einen Wettkampf-Anreiz zu setzen, startete sie vor gut einem Jahr beim Halbmarathon in Ras Al Khaimah in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Dieses Debüt lief jedoch schief, Gesa Krause kam nicht ins Ziel. „Ich war damals müde vom vorangegangenen Trainingslager in Kenia. Schon nach fünf Kilometern habe ich mich gefragt, wie ich das hohe Tempo halten soll. Ab Kilometer sechs wurde ich immer langsamer, und ich habe irgendwann keinen Sinn mehr darin gesehen ins Ziel zu laufen. Es war am Ende nur noch Jogging“, erzählt Gesa Krause, die das Debüt nach rund 15 Kilometern aufgab.

Dennoch hatte sich der Aufwand gelohnt, denn das Training erfüllte seinen Zweck für die Hindernisrennen. „Ich habe sehr umfangreich trainiert, und das hat sich im Laufe der Saison ausgezahlt. Ich bin mir sicher, dass ich davon profitiert habe und so liegt es nahe, dass ich auch in diesem Jahr einen ähnlichen Weg gehen werde.“

Profitieren von der Erfahrung von Katharina Heinig

Mehrere Trainingsläufe von 20 und 25 Kilometern wurden in den vergangenen Wochen in ihr Programm integriert. Und die Erfahrungen aus Ras Al Khaimah werden Gesa Krause in Berlin helfen. „Ich weiß nun, dass ich vor dem Halbmarathon etwas mehr Regeneration brauche und eventuell ein bisschen ruhiger loslaufen muss“, sagt sie und fügt hinzu: „Entsprechend habe ich in den letzten sieben Tagen das Training zurückgeschraubt.“

Dass am Sonntag auch Katharina Heinig (LG Eintracht Frankfurt), die seit längerer Zeit nicht mehr von ihrem Vater, sondern von ihrer Mutter betreut wird, im Rennen ist, ist sicherlich ein Vorteil für Gesa Krause. Obwohl das Training und die Schwerpunkte der beiden unterschiedlich sind, gibt es Gelegenheiten für gemeinsame Läufe. Beide wohnen in Frankfurt nahe beieinander und sind auch gut befreundet. An der erfahrenen Straßenläuferin könnte sich die Hindernis-Spezialistin in Berlin orientieren. „Für mich ist die Sache mit dem Halbmarathon Neuland. Katha ist da eine gute Orientierung. Aber ich habe wirklich keine Vorstellung, wie gut ich mithalten kann“, sagt Gesa Krause.

Marathon-Start nicht mehr ausgeschlossen

So eng mit Familie Heinig verbunden, spricht doch einiges dafür, dass Gesa Krause eines Tages auch Marathon laufen wird. Auf die entsprechende Frage antwortet die Hindernis-Europameisterin: „Wenn man an Heinigs denkt, dann ist Marathon natürlich nicht weit. Wir scherzen schon immer darüber, dass ich irgendwann mal bei der Marathondistanz lande."

Es habe Zeiten gegeben, da habe sie gesagt: "Ich werde niemals einen Marathon laufen." Schon der Gedanke an die vielen langen Einheiten habe sie gequält. "Im Laufe der Zeit gewöhnt man sich aber an das umfangreiche Training und mittlerweile kann ich es nicht ganz und gar ausschließen. Die nächsten Jahre werde ich aber auf der Bahn zu finden sein. Dafür mag ich das Laufen auf der Bahn viel zu gern.“

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