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Jürgen Mallow wird 70

Er gilt als Leitfigur der Neuausrichtung nach den Olympischen Spielen 2004 – und avancierte als Cheftrainer und Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) zum entscheidenden Wegbereiter der aktuellen Erfolgsbilanzen: Jürgen Mallow hat dafür gesorgt, dass die DLV-Akteure international in der allerersten Reihe mitkämpfen. Am Freitag (5.12.) vollendet er sein 70. Lebensjahr.
Harald Koken

Jürgen Mallow ist ein nüchterner Analytiker, ein Realist, ein Arbeiter. Wie sein 2009 verstorbener Lehrmeister Bert Sumser, der Armin Hary 1960 in Rom (Italien) zum Olympiasieg über 100 Meter führte und bald darauf Willi Holdorf zum Zehnkampf-Olympiasieg sowie Kurt Bendlin 1967 zum Zehnkampf-Weltrekord. Der Jubilar hat es immer verstanden Sportler, die weiterkommen wollen, zu begeistern. Seine Qualitäten als Berater von Extraklasse-Athleten sind unumstritten.

Komplexe Bewegungen betrachten, zergliedern und bewerten – eine von vielen Stärken. Pädagoge und Motivator – auch diese Attribute treffen auf Jürgen Mallow zu. Ob als Vereins-, Landes- oder Bundestrainer - seinen Schützlingen hat er stets den Rücken gestärkt und Voraussetzungen geschaffen, damit sie Karriere machen konnten. „Er hat sich große Verdienste um den Leistungssport im DLV erworben“, betonte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop bereits im November 2009, als Jürgen Mallow sich in den Ruhestand verabschiedete – vorübergehend.

Schon mit 15 Jahren Trainer

Während des Zweiten Weltkrieges, also in Hungerjahren im Ostseebad Wustrow bei Rostock geboren und in Hamburg aufgewachsen, fand der hagere Jüngling als Zehnjähriger zur Leichtathletik – animiert durch den Klassenlehrer, der sein Talent für die Mittelstrecken entdeckte. Schon mit 15 wechselte er ins Trainerlager und betätigte sich vielfältig als Strippenzieher. Nach dem Studium der Theaterwissenschaften wurde der Mitt-Zwanziger ins Organisationskomitee der Olympischen Spiele 1972 in München berufen. Sein Schützling Günter Zahn entzündete damals das Olympische Feuer.

Anfang der 1980er Jahre fungierte Jürgen Mallow nicht nur als Cheftrainer beim LAC Quelle Fürth, sondern zeitweise auch als DLV-Trainer für den Hindernislauf. Absoluter Gänsehaut-Moment: der 12. August 1983. Im WM-Finale von Helsinki (Finnland) stürmte Patriz Ilg ein Jahr nach seinem EM-Sieg dem Weltmeister-Titel entgegen. Gesundheitsbedingt hatte er sich nur so gerade eben qualifizieren können. Aber Trainer Jürgen Mallow spielte Psychologe: „Ausheilen, Neuaufbau und Strategieentwurf für das Finale,“ so seine Marschroute.

Vorzeige-Schützling Patriz Ilg

Der 57-jährige Lehrer, in Aalen ehrenamtlich Ortsvorsteher des Stadtteils Hofen, hat am Freitag ebenfalls Geburtstag. Ein anderer Mallow-Musterschüler: der Münchener Rainer Schwarz (LG Gauting/Stockdorf), 1983 „über die Böcke“ Deutscher Meister und mit 8:11,93 Minuten sogar noch schneller als Patriz Ilg. Unvergessen: Klaus-Peter Nabein, im Oktober 2009 im Alter von 49 Jahren an einer Krebserkrankung verstorben, wurde 1979 Junioren-Europameister über 800 Meter und später Vize-Europameister in der Halle.

Nach Stationen als DLV-Trainer Nachwuchs und Landestrainer in Berlin zog es Jürgen Mallow zurück nach Bayern. Bis ihn der DLV 2004 nach Darmstadt rief. Zunächst als Leitender Bundestrainer, dann als Sportdirektor schaffte er das eigentlich Unmögliche: aus Individualisten eine Mannschaft zu formen. Viele Strukturen umkrempeln, Athleten und Heimtrainer in den Mittelpunkt rücken – Ziele, die erreicht wurden. Gedankenlosem Drauflostrainieren Einhalt gebieten – ein Konzept, das aufging.

Unruhestand in Österreich

Nach der Pensionierung Ende 2009 zog Jürgen Mallow nach Österreich in die Gemeinde Gablitz, etwa fünf Kilometer westlich der Wiener Stadtgrenze. „Ich kannte Wien schon aus meiner Studienzeit. Meine Frau und ich waren immer wieder auf Urlaub in Österreich. Meine Söhne haben hier studiert. Das Kulturangebot, die Landschaft und das Essen gefällt uns sehr gut“, so der Ruheständler, der Stoppuhr und Wettkampfkalender eigentlich aus der Hand legen wollte. Doch dann kam alles ganz anders.

Er lernte den talentierten österreichischen Langhürdler Thomas Kain kennen – und wurde dessen Coach. Bei der EM in Zürich (Schweiz) preschte der 21-Jährige trotz persönlicher Bestzeit von 50,90 Sekunden knapp am Semi-Finale vorbei. Vorübergehend unterstützte Jürgen Mallow auch den Österreichischen Leichtathletik-Verband als Leiter des Trainerteams und als Vize-Präsident für den Leistungssport. Private Gründe veranlassten ihn jedoch nach rund drei Jahren zum Rücktritt.

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