| Interview

Prof. Braumann: „Lieber fett und fit als schlank und schlapp“

Vom 13. bis zum 15. März findet in Nellingen-Ruit ein Kongress des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) mit zahlreichen Topreferenten statt. Das Motto: „Erlebnisraum Leichtathletik – ein Leben lang“. Im Vorfeld des Kongresses stellt leichtathletik.de einige Referenten im Interview vor. Heute kommt Prof. Klaus-Michael Braumann zu Wort, der ärztliche Leiter des Instituts für Sport- und Bewegungsmedizin in Hamburg. Beim Kongress wird er über den menschlichen Körper und die Bedeutung einer guten Fitness im Lebenslauf sprechen.
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Herr Prof. Braumann, Sie waren in früheren Jahren selbst aktiver Läufer im Bereich der Mittel- und Langstrecke mit einer Marathonbestzeit von 2:40:48 Stunden. In wieweit sind Sie nach wie vor der Leichtathletik verbunden?

Prof. Klaus-Michael Braumann:

Ich war immer ein mittelguter Mittelstreckenläufer. Aber ich habe 18 Jahre lang die Qualifikation für die Landesmeisterschaften in Niedersachsen über die 1.500 Meter geschafft und bin also 18 Jahre mindestens einmal unter 4:05 Minuten, das war damals die Quali-Zeit, gelaufen. Darüber bin ich ein wenig stolz.  Heutzutage verfolge ich berufsmäßig natürlich die Leichtathletik. Wir betreuen bei uns im Untersuchungszentrum ja die Kaderathleten des Hamburger Verbandes. Seit drei Jahren kommt auch der DLV–Weitsprung-Kader zur jährlichen sportmedizinischen Untersuchung nach Hamburg.

Als Prodekan der Fakultät für Psychologie und Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg und ärztlicher Leiter des Institutes für Sport- und Bewegungsmedizin bleibt Ihnen selbst noch die Zeit, sich in dem Umfang zu bewegen, wie Sie es gerne möchten?

Prof. Klaus-Michael Braumann:

Grundsätzlich schon. Mein Hobby Laufen betreibe ich wegen verschiedener Zipperlein allerdings nur noch sehr sporadisch. Ich versuche, etwa drei Mal pro Woche ins Fitness-Studio zu kommen und dabei  auch etwas für die Muskeln zu tun. Das reicht mir, um fit zu bleiben und das Gewicht zu halten.

Ihr Vortrag beim DLV-Kongress lautet „Der menschliche Körper – Bedeutung einer guten Fitness im Lebenslauf“. Wo werden die Schwerpunkte Ihres Vortrages liegen?

Prof. Klaus-Michael Braumann:

Ich werde versuchen, nicht nur die eigentlich ja bekannten Zusammenhänge zwischen Bewegungsmangel und chronischen Krankheiten aufzuzeigen. Dabei will ich neben den präventiven Effekten vermehrt auch die echten therapeutischen Optionen darstellen. Ich möchte auch zeigen, wie regelmäßige Bewegung sonst noch positive Effekte hat. Dazu gehören die Beeinflussbarkeit von Stressresistenz und das sogenannte ‚Burnout-Syndrom‘ sowie die Verbesserung der kognitiven Leitungsfähigkeit durch regelmäßiges Training.

Neben den oben bereits erwähnten Tätigkeiten sind Sie auch noch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP). Wie lautet Ihre Faustformel für ein gesundes Leben? Was würden Sie gerne jedem für seine Gesundheit mit auf den Weg geben wollen?

Prof. Klaus-Michael Braumann:

Das ist eigentlich ganz einfach: Wir sollten versuchen wo immer es geht, uns zu bewegen. Wenn man systematisch Rolltreppen und Fahrstühle meidet und auch mal das Auto durch Fahrrad oder einen Spaziergang ersetzt, sind die Grundlagen schon gelegt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Erkenntnisse ist für ein gesundes Leben in erster Linie ‚vortriebswirksame‘ Muskeltätigkeit vonnöten. Die Muskeln produzieren Botenstoffe (Myokine), die im Körper die ne-gativen Effekte der im Fett gebildeten Adipokine sozusagen neutralisieren. Es gilt tatsächlich der Satz ‚lieber fett und fit als schlank und schlapp‘.

Es gibt aktuelle Erhebungen der WHO, dass bei immer mehr Kindern und Jugendlichen Überernährung und Bewegungsmangel erkennbar sind, die langfristig zu großen gesamtgesellschaftlichen Schäden führen werden. Wie können Sportvereine die Betroffenen besser erreichen und wie weit können die Mediziner dabei helfen?

Prof. Klaus-Michael Braumann:

Das ist in der Tat ein Riesenproblem. Bereits jetzt haben etwa ein Prozent der übergewichtigen Kinder einen manifesten Typ II Diabetes, den früher Patienten in der Regel erst ab dem sechzigsten Lebensjahr entwickelt haben. Und diese Kinder werden im Lauf ihres weiteren Lebens ziemlich sicher an den Komplikationen dieser Krankheit zu leiden haben. Blindheit, eingeschränkte Nierenfunktion und den Verlust verfaulter Füße – um es mal ganz drastisch auszudrücken. Hier bin ich manchmal fassungslos über die Leichtfertigkeit, mit der die Hauptplayer in unserem Gesundheitssystem diese Fakten schlicht ignorieren. Ob es tatsächlich immer die Sportvereine sein müssen, ist zu diskutieren. Bewegen kann man sich überall, auch und gerade in der Schule – und das muss ja nicht unbedingt immer der Sportunterricht sein. Die Medizin muss auf breiter Front begreifen, wie wichtig die körperliche Aktivität ist. Wenn das zusammen mit Vereinen umgesetzt werden kann, ist das wunderbar.

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