| Rückblick

Robert Harting - Kein Jahr wie jedes andere

Sein Debüt beim Memorial van Damme in Brüssel hat Diskuswerfer Robert Harting am Freitag gewonnen, die minimale Hoffnung auf den Sieg in der Diamond League blieb aber unerfüllt. Doch auch ohne die schillernde Kristall-Trophäe im Gepäck wird der Berliner die Rückreise in die deutsche Hauptstadt genossen haben. Sie brachte ihn nach der vielleicht schwierigsten Saison seiner Karriere einen Schritt näher in Richtung Urlaub. Zeit für einen Rückblick.
Ivo Koken

Lange hing sein Start beim Finale der Diamond League in der Schwebe. Die Organisatoren aus Brüssel wollten kein Antrittsgeld zahlen, der dreifache Weltmeister sich und seine Disziplin aber auch nicht unter Marktwert verkaufen. „Da habe ich auch eine Verantwortung gegenüber meinen Kollegen“, stellt der tonangebende Mann der Diskuswurf-Szene klar. Am Ende habe man einen fairen Kompromiss gefunden und so griff Robert Harting zum Saisonabschluss noch einmal an.

Seinen Teil zur letzten Chance auf den Sieg der lukrativen Leichtathletik-Serie hakte der Berliner gewohnt souverän ab. 67,57 Meter reichten zum Sieg, doch die benötigte Schützenhilfe der Mitbewerber blieb aus. Dauerrivale Piotr Malachowski (Polen) hielt sich mit 67,35 Metern schadlos auf Platz zwei und räumte somit das Preisgeld von 40.000 US-Dollar (rund 30.000 Euro) ab. Eine Niederlage, die „der Harting“ in Anbetracht ungewohnter Belastungsproben sicher wegzustecken weiß.

Büffeln statt Schlaf

„Von außen sah dieses Jahr schlichtweg normal aus, von innen – und deshalb enorm bedeutend – war es sehr harte Arbeit“, blickt der Diskuswerfer zurück. Trainerwechsel, der Abschluss des Studiums und der Aufbau der viel beschriebenen Sportlotterie – das alles hat Kraft gekostet und Spuren hinterlassen. Auch auf dem Wurfplatz. „Die Anstrengung war manchmal größer als befürchtet und das hat mich etliche Meter gekostet“, beschreibt Robert Harting seine Situation in der <link>Fachzeitschrift „Leichtathletik“.

Die bisher ungekannte Dreifachbelastung neben dem sportlichen Alltag forderte Tribute. Nicht selten hieß es Nachtschichten am Schreibtisch schieben. Uniarbeiten nach einem kräftezehrenden Tag verdrängten den erholsamen Schlaf. „Natürlich hatte das Auswirkungen auf die sportliche Leistung“, stellt der 29-Jährige klar. „Diese Abschläge haben die Leistungsbereitschaft nicht verhindert, aber beschwert und anfällig gemacht.“

70 Meter im Visier

Gründe, warum ein Wurf in den Bereich seiner Bestleistung in diesem Jahr ausblieb. Auf 68,47 Meter flog die Scheibe an Pfingsten bei den FBK-Games im niederländischen Hengelo, wo noch ein Jahr zuvor seine gewaltige Serie von 35 Siegen gerissen war. Gut zwei Meter fehlten 2014 zur Bestmarke von 70,66 Metern, geworfen am 22. Mai 2012 in Turnov (Tschechische Republik). Erst drei Tage zuvor hatte Harting damals seine Visitenkarte bei den Halleschen Werfertagen mit seinem ersten 70er aufgewertet.

Weitere Würfe über diese Grenze blieben beim Sportsoldaten seither aus. „Die 70 Meter sind nächstes Jahr mein Ziel“, blickt der Lautsprecher unter den deutschen Athleten optimistisch voraus. „2015 kann ich mich wieder voll auf den Sport konzentrieren.“ Unebenheiten sollen wieder durch Kontinuität und eingespielte Tagesabläufe geglättet werden. Noch eingespielter werden auch die Trainingseinheiten verlaufen, nachdem diese im EM-Jahr unter ungewohnter Regie stattfanden.

Jahr eins nach Werner Goldmann

Vor gut einem Jahr wechselte die Berliner Trainingsgruppe, zu der auch Freundin Julia Fischer und Bruder Christoph Harting (SCC Berlin) gehören, von Erfolgscoach Werner Goldmann zum vorherigen Neubrandenburger Nachwuchstrainer Torsten Schmidt, der sich selbst als „sportfachlicher Berater“ bezeichnet. Ein Tapetenwechsel nach über zehn Jahren Zusammenarbeit. „Es waren neue Trainingsreize und Perspektiven nötig“, resümiert der 2,01-Meter-Riese. „Wir haben im Training einen regelrechten Kassensturz vollzogen“.

Mit Blick auf die anstehenden Großereignisse nutzte Harting die Gelegenheit des „Übergangsjahres“, um sein gesamtes Training in kleine Einzelteile zu zerlegen und das Puzzle dann mit neuen Bewegungsmustern wieder zur Perfektion zusammenzuführen. Mal wird der Diskus mit Links geworfen, mal fliegen Speere und Hämmer – vielfältig neue Herausforderungen. Generell ist bei der Arbeit im Stadion so manches ungewohnt. Sogar das schon turnusmäßige Trikotzerreißen blieb in Zürich aus. Eines aber hatte Bestand: die Rolle als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft.

Teamplayer und Anführer

Robert Harting geht mit gutem Beispiel und breiter Brust voran, kümmert sich um die, bei denen der Respekt vor dem großen Wettkampf größer ist. Einzelgespräche, Motivationsreden, die Kollegen im Team pushen – damit hat der Leader sicher auch einen Anteil am Erfolg des DLV-Teams. Am großen Ganzen mitwirken, dafür ist der Wurf-Hüne nicht erst seit diesem Jahr bekannt. Immer wieder regte er in der Vergangenheit mit öffentlicher Kritik zum Handeln an. Mit der Sportlotterie lenkte er nun ein eigenes Flaggschiff auf das offene Meer der Funktionärswelt.

13 Siege, eine Niederlage, EM-Titel Nummer zwei. Das ist das, was unterm Strich von dieser ganz besonderen Saison bleibt. „Wenn ich unter diesen Bedingungen ein Fazit ziehen soll, kann das nur positiv ausfallen“, hatte Harting schon vor dem Saisonfinale in Brüssel bilanziert.

Ein paar Tage heißt es noch fleißig sein, bis endlich die Bachelorarbeit fertig ist. Anschließend ist Kräftetanken angesagt. Mit vollen Akkus nimmt der dann examinierte Absolvent der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation anschließend vollen Anlauf auf das Jahr, das in Peking (China) mit dem vierten WM-Titel in Folge wieder ein ganz Besonderes werden könnte.

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