| U20-WM

Tim Nowak: "Das Niveau war krass"

Werbung für den Zehnkampf: Tim Nowak (SSV Ulm 1846) hat sich bei der U20-WM in Eugene (USA) am Mittwoch gegen Weltklasse-Konkurrenz behauptet und seine Bestleistung um fast 180 auf 7.980 Punkte gesteigert. Dafür wurde ihm nach zwei Tagen Bronze um den Hals gehängt. Durch welche Höhen und Tiefen er dafür gehen musste, wie er die Leistungen der Konkurrenz erlebt hat und warum es trotz aller Freude Grund zum Hadern gab, verriet er anschließend im Interview.
Silke Morrissey

Tim Nowak, du hast den besten U20-Zehnkampf hinter dir, den je ein deutscher Mehrkämpfer absolviert hat. Aber du legst deine Stirn in Falten – bist du jetzt etwa am Hadern?!

Tim Nowak:

Ja, weil ich natürlich 8.000 Punkten machen wollte! 20 Punkte dran vorbei… Ach, letztlich ist das egal, es ist ja nur eine Formsache, ob nun eine acht davor steht. Aber es wäre schon schön gewesen!

Aber mal von vorn. Es heißt ja Zehnkampf. Wie sehr musstest du in den zwei Tagen in Eugene kämpfen?

Tim Nowak:

Also, ich sage das wahrscheinlich oft, aber: Das hier war wirklich der härteste Zehnkampf, den ich je gemacht habe! Ich war von Anfang an ziemlich unter Druck, weil die anderen hier gleich starke Leistungen abgeliefert haben. Das muss man sich mal überlegen: Es haben in der Weltgeschichte vorher erst fünf U20-Zehnkämpfer mehr als 8.000 Punkte gemacht. Und dann hier gleich zwei – beziehungsweise fast drei! Das Niveau vor allem am ersten Tag war total krass.

Da lagst du noch in Lauerstellung mit deutlichem Abstand zu den Medaillen.

Tim Nowak:

Als ich mit Kurs auf Bestleistung nur auf Rang sieben lag habe ich erkannt: Die anderen haben wirklich was drauf. Nach den 400 Metern war ich am Ende, körperlich und geistig. Ich hatte Kopfschmerzen, ich war wie paralysiert. Vielleicht hatte ich einen Sonnenstich, ich habe komisch geredet, habe die Wörter verwechselt. Ich war so am Ende!

Dafür ging’s dann aber am nächsten Tag mit 14,14 Sekunden über die Hürden erstaunlich gut weiter! Wie hast du dich neu motiviert?

Tim Nowak:

Das war dann kein Problem, weil ich wusste: Der zweite Tag ist mein Tag! Ich kann mit am besten Hürden laufen, eigentlich bin ich der beste Diskuswerfer, einer der besten Stabhochspringer, einer der besten Speerwerfer und kann auch ganz gut laufen.

Du musstest an beiden Tagen auch so einige Tiefpunkte wegstecken…

Tim Nowak:

Das Kugelstoßen war enttäuschend, da konnte ich meine Stärke überhaupt nicht ausspielen. Genau wie im Diskuswerfen. Ich kann einfach nicht bei Regen werfen, da hatte ich totale Probleme. Bei meinem besten Versuch bin ich weggerutscht und habe den Diskus grad noch so rausbekommen. Was mich hier aber richtig gestört hat waren die Wartezeiten. Das war irgendwie nicht so gut organisiert. Über 400 Meter war ich zum Beispiel im letzten Lauf und saß einfach mal eine halbe Stunde in einer Kammer und habe die Wand angestarrt. Aber an beiden Tagen konnte ich mich nach Tiefschlägen wieder rausarbeiten, erst mit dem Hochsprung, dann mit dem Stabhochsprung.

Wann wusstest du, dass dir eine Medaille sicher ist?

Tim Nowak:

Nach dem Stabhochsprung war ich an vierter Stelle, und da wusste ich, dass ich im Speer noch einen raushauen kann. Ich wusste: Es geht um was. Und dann hat es gleich im ersten Versuch mit 59 Metern geklappt. Bronze war da sicher. Die Russen waren 200 Punkte hinter mir, und die können nicht schneller laufen als ich, jedenfalls nicht 20 Sekunden. Deswegen habe ich mich sogar ein bisschen auf die 1.500 Meter gefreut. Und eigentlich dachte ich, dass auch die 8.000 Punkte sicher sind. 4:40 Minuten hätte ich dafür laufen müssen. Aber dann wurden die Schritte schon nach 500 Metern kürzer. Ich konnte muskulär einfach nicht mehr.

Haben dir die 8.000 Punkte schon vorher im Kopf rumgespukt?

Tim Nowak:

Die waren eigentlich mein Plan, wenn ich ehrlich bin. Ich wusste, dass ich 8.000 Punkte machen kann – nicht aber, dass das auch mit so vielen Tiefschlägen möglich ist. Im Diskus habe ich mal eben 100 Punkte liegen gelassen. Auch die Medaille war von vornherein mein Ziel, obwohl ich gedacht hätte, dass das einfacher wird. Ich hatte nur mit einem oder zwei Hauptkonkurrenten gerechnet, jetzt waren hier fünf oder sechs auf Weltklasse-Niveau.

Vor zwei Jahren standen wir bei den U20-Weltmeisterschaften in Barcelona gemeinsam in der Mixed Zone und du hast deinen Wettkampf Revue passieren lassen: Platz neun mit 7.356 Punkten. Jetzt bist du auf dem Treppchen angekommen. Was hat sich verändert in der Zeit?

Tim Nowak:

Barcelona war für mich damals der größte Traum. Jetzt sehe ich das leider etwas nüchterner. Es ist mehr Arbeit als Vergnügen geworden. Damals hatte ich gar keinen Druck. Und jetzt musste ich was zeigen. Ich gehe ganz anders an Wettkämpfe heran. Irgendwie bin ich angekommen im Profi-Sport.

<link news:35670>Tim Nowak holt mit 7.980 Punkten Bronze nach Hause

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