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Torsten Sanders trotz unrunder Vorbereitung stark wie nie

Bänderriss, Trainer-Burnout und Abitur – Hochspringer Torsten Sanders hatte in den letzten Wochen etliche Nüsse zu knacken. Dennoch ist der 19-Jährige stark wie nie. Bei der U23-DM flog er vor heimischer Kulisse zum Titel – und schaffte dabei erstmals 2,17 Meter.
Harald Koken

Die Saisonvorbereitung war alles andere als optimal: Wochenlang konnte Torsten Sanders (Weseler TV) gar nicht oder nur alternativ trainieren. Grund: Ein Bänderriss, zugezogen am 12. April. Ein großes Pech gleich zu Beginn eines Trainingslagers, das den Feinschliff für eine Top-Saison verleihen sollte.

Kürzertreten war angesagt. Was dem 1,96 Meter großen Hochspringer nicht geschadet zu haben scheint. Im Gegenteil: Der Wiedereinstieg eine Woche zuvor in Regensburg war mit 2,10 Metern zwar noch zaghaft. Doch bei der U23-DM ließ sich der 19 Jahre alte Lokalmatador am Samstag daheim nicht die Butter vom Brot nehmen. 2,17 Meter – Hausrekord und Sieg.

Favorit Wendrich patzt

Dem U20-Silber im Vorjahr folgte nun der erste Meistertitel auf nationaler Ebene. „Eigentlich hatte ich mich auf ein spannendes Springen um Silber eingestellt“, erzählte der Blondschopf nach seinem Überraschungs-Coup. Doch Favorit Falk Wendrich (TV Wattenscheid 01) strauchelte. Er blieb bei 2,08 Metern stecken und musste mit Platz zwei Vorlieb nehmen.

Zur Ehrenrettung: Beim Einspringen hüpfte der U20-Vize-Weltmeister, den ein Jahr lang Muskelprobleme plagten, zweimal locker über 2,10 Meter. „Da habe ich gedacht, dass er vorneweg springt. Auch weil er in Garbsen 2,19, in Sinn 2,20 und in Regensburg wieder 2,19 Meter geschafft hat. Das sah immer souverän aus und ich bin davon ausgegangen, dass er wieder komplett da ist. Doch man hat gesehen, wie schnell das geht. Da brauchen nur drei Versuche nicht zu passen und man ist weg“, kommentierte der gefeierte „Platzhirsch“.

„Nach den 2,12 Metern stand mein Sieg fest, ich habe aber gedacht: Mit der Höhe willst du nicht Meis­ter werden, da musst du noch einen drauflegen.“ Groß rauskommen will er im nächsten Jahr – und bei der U23-EM in Tallinn (Estland) das Nationaltrikot überstreifen. Wie im vergangenen Jahr schon einmal. Bei der U20-EM in Rieti (Italien) bewältigte der Ex-Handballer 2,12 Meter und wurde Neunter.

Kampf um Tallinn-Tickets

Die Norm für die kontinentalen Junioren-Bestenkämpfe: 2,21 Meter – machbar. „Aber die Konkurrenz ist riesengroß. Der 95er-Jahrgang mit Tobias Potye, Falk Wendrich, Philipp Erfurth, Tim Schenker und David Nopper, die kommen alle hoch“, prognostiziert Torsten Sanders einen heißen Kampf um die DLV-Tickets.

Gecoacht wurde er bei der U23-DM von NRW-Landestrainer Hans-Jörg Thomaskamp, bei dem er in Leverkusen zweimal pro Woche Technikeinheiten absolviert. An zwei anderen Tagen trainiert der Crack am Landesleistungsstützpunkt in Rhede unter der Regie von Jürgen Palm, ein weiteres Mal im heimischen Auestadion. Viele Köche verderben den Brei? Von wegen. Das Modell ist eine Art Rettungsring und wurde aus der Not geboren.

Trainer nimmt Auszeit

Denn Wesels Cheftrainer Roman Buhl hat sich Ende April zurückgezogen. Knall auf Fall – nach 15-jähriger Tätigkeit und acht DM-Medaillen allein im letzten Jahr. „Mit jedem Erfolg wächst der Druck, auch wenn es nur der selbst gemachte ist. Das lässt einen dann nicht mehr zur Ruhe kommen, es fehlt einfach die Gelassenheit“, erläuterte der zweifache Familienvater, der hauptberuflich im Garten- und Landschaftsbau arbeitet.

„Ich rechne es Jürgen Palm und Hans-Jörg Thomaskamp hoch an, dass sie uns unterstützen“, so der 42-Jährige. Schon im Herbst habe er gespürt, dass die Trainertätigkeit ihn enorm aufreibe. Im letzten Jahr sei er an 40 Wochenenden in Sachen Leichtathletik unterwegs gewesen. Alles in allem also Stress pur.

Mehr Aufwand, neue Chancen

„Der Aufwand ist immens größer geworden“, erklärt Torsten Sanders, der durch die Pendelei wöchentlich sechs Stunden mehr im Auto sitzt. Mindestens. Andererseits stellte sich die neue Situation nicht nur als negativ heraus: Dem Abiturienten eröffnen sich nunmehr ungeahnte berufliche Perspektiven.

„Ich habe an die Kölner Sporthochschule gedacht, aber auch ein Angebot von Bayer vorliegen, bei dem ich Sport und Beruf verbinden könnte“, verrät der Schlaks, der erst seit vier Jahren Leichtathlet ist und sich zunächst als Läufer und Zehnkämpfer erprobte – bis ihn eine Verletzung bremste. „Die hat mich an fast allem gehindert, nur nicht am Hochsprung. Da hat allmählich die Spezialisierung eingesetzt, und ich habe mich in einem Jahr um 22 Zentimeter verbessert, von 1,82 Meter auf 2,04 Meter“, blickt Torsten Sanders auf das Jahr 2011 zurück.

Mag sein, dass Schwester Melanie Vorbild war. Sie wurde kürzlich in Kassel Deutsche Hochschulmeisterin im Hochsprung. Bruder Stephan Sanders würde es indes aber mit Argwohn betrachten, wenn man ihn auf vermeintlich gute Sprünge ansprechen würde. Er ist Hürdensprinter – und wurde am Wochenende bei der U23-DM Dritter. Und natürlich ebenfalls gehörig gefeiert.

<link>Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift

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