| Hinter den Kulissen

Die Meeting-Macher – Die Köpfe hinter den Highlights der Hallensaison I

Sie stehen meist im Hintergrund und haben doch ganz viel zu sagen. Denn ohne sie wäre die Leichtathletik in Deutschland kaum denkbar: die Macher der Meetings. Von Weinheim bis Cottbus, von Rochlitz bis Dortmund, von Karlsruhe bis Weinheim, von Erfurt bis Berlin, von Nordhausen bis Darmstadt: Hier stellen wir die Organisatoren der größten deutschen Hallen-Events 2023 mit ihrem oft ehrenamtlichen, aber immer hochprofessionellen Engagement genauer vor.
Ewald Walker

Martin Wacker und Alain Blondel (Indoor Meeting Karlsruhe)


Sie bilden seit Jahren ein kongeniales Duo für die Leichtathletik: Alain Blondel und Martin Wacker organisieren das Internationale Hallenmeeting in Karlsruhe. Während Blondel für die sportliche Seite des Indoor Meetings zuständig ist, kümmert sich Wacker um das sportpolitische Umfeld wie Sportstätten und Sponsoren.

Einen besseren Hintergrund als Meeting-Direktor kann man kaum haben: Alain Blondel war 1994 in Helsinki (Finnland) Zehnkampf-Europameister (8.453 Punkte), danach Trainer und Partner von Heike Drechsler, die er 2000 zum zweiten Olympiasieg im Weitsprung führte. Gleichzeitig begann der Franzose seine eindrucksvolle Karriere als Meeting-Organisator. In Karlsruhe trat er in die Fußstapfen von Siegfried König, in Stuttgart in die des inzwischen verstorbenen, legendären Freddy Schäfer. Blondel lockte alle Weltstars in die Hallen von Karlsruhe und Stuttgart und wurde mit Weltrekordleistungen belohnt. Ein Franzose als Glücksfall für die deutsche Leichtathletik.

„Alain ist die sportliche Herzkammer unseres Meetings" sagt Meeting-Direktor Martin Wacker. Zusammen haben sie im Badischen ein kleines Leichtathletik-Wunder geschaffen. Nach der Sperrung der Europahalle, die über fast drei Jahrzehnte mit 4.500 Zuschauern einen beeindruckenden Rahmen lieferte, gelang ihnen eine organisatorische Meisterleistung, indem sie in Göteborg (Schweden) die blaue Kunststoffbahn aufkauften und in die Messehalle verlegen ließen. „Zu diesem Zeitpunkt war unser Meeting eigentlich tot“, erinnert sich Wacker. Jetzt freuen sich in Karlsruhe alle Leichtathleten auf die Rückkehr in die Europahalle (voraussichtlich 2025).

Gemeinsames Ziel für das Duo Wacker/Blondel: „Unsere Arbeit war immer ein Überlebenskampf, aber wir wollten immer gegen das Meetingsterben in Deutschland ankämpfen." Was man mit Durchhaltevermögen und Beharrlichkeit erreichen kann, beweist Alain Blondel immer wieder. Neben 29 Meetings in Karlsruhe war er 2014 bei den Europameisterschaften für den sportlichen Teil zuständig und wirkte auch beim Diamond-League-Meeting in Rabat (Marokko) mit. Für das kommende Jahr steht Blondels Lebensaufgabe bevor: Er ist bei den Olympischen Spielen in Paris für die Leichtathletik-Wettbewerbe im Stade de France zuständig. Es ist wie die Krönung einer großartigen Macher-Karriere.
 


Uli Hobeck (Springer-Meeting Cottbus)


Er ist ein „Methusalem“ unter den Meetingmachern. 22 Freiluft-Meetings und 19 Springer-Meetings in der Halle hat Uli Hobeck in Cottbus seit 1990 organisiert und dabei regelmäßig die Weltklasse in die Lausitz geholt. Die Besonderheit von Cottbus: Mit nur zwei Disziplinen (Stabhochsprung und Hochsprung) gelingt eine für Zuschauer attraktive Fokussierung auf jeden Athleten.

13 Mal war Hobeck DDR-Meister über 1.500, 5.000 und 3.000 Meter Hindernis, war 1970 Zweiter beim Europacup in Stockholm (Schweden). Kurz vor den Olympischen Spielen 1972 wurde er aus politischen Gründen (Westkontakt) suspendiert, obwohl er ungeschlagen zu den Spielen nach München gefahren wäre.

Der Lehrer und Trainer Hobeck hat sein Erfahrungen erfolgreich in die organisatorische Seite der Leichtathletik eingebracht. Er konnte Weltstars in das Stadion der Freundschaft oder in die Lausitzer Sporthalle locken, 28 Olympiasieger, 80 Welt- und Europameister aus 48 Nationen begrüßen. „Vielleicht habe ich damit meine politische Niederlage kompensiert“, sinniert Hobeck heute über sein Lebenswerk.

Uli Hobeck hatte sich zudem als Präsident der German Meetings bundesweit für die Sportfeste eingesetzt. „In jedem Fall noch das 20. Springer-Meeting, danach wird man sehen“, blickt der 75-Jährige voraus. Der Mensch und Macher Hobeck hat sich mit seinem Engagement einen ganz hohen gesellschaftlichen Stellenwert in der Lausitz erarbeitet: Er ist eine Institution geworden.
 


Werner Hütcher (Kugelstoß-Meeting Nordhausen)


Die Idee für das Kugelstoß-Meeting hatte Werner Hütcher beim Wandern. Dass daraus für zehn Jahre ein herausragendes Hallensportfest werden sollte, war eine kleine Sensation. Angefangen mit 500 Zuschauern, waren es später 2.000, die um einen Kugelstoßring in einer ganz normalen Sporthalle herumsaßen, und das ist mehr als bemerkenswert.

Mit Werbegags (die Organisatoren zogen eine Dampf-Lok, David Storl stieß über ein Auto, Kugeln wurden im Feuer geschmiedet) lockte man in Nordhausen das Publikum. Olympiasieger, Welt- und Europameister standen im Ring, als Zugpferde immer die deutschen Aushängeschilder wie Ralf Bartels, Astrid Kumbernuss, Nadine Kleinert, Christina Schwanitz oder David Storl, die dem Meeting hohe Attraktivität verliehen. Der Weltmeister von 2009 Christian Cantwell (USA) begeisterte das Publikum allein mit seiner Präsenz und Meetingrekord.

Siebenmal war Nordhausen das beste Kugelstoß-Hallenmeeting der Welt und beanspruchte das “Orakel“: Wer in Nordhausen gewann, holte sich im Sommer auch die internationalen Titel. Nach zehn Jahren war Chef-Organisator Hütcher müde, das Meeting ereilte 2013 das Aus. Doch Anfang 2023 feierte Nordhausen sein Comeback. Pensionär Hütcher hatte sein altes Organisationsteam zurückgeholt. Es soll auch im Olympiajahr 2024 weitergehen... 
 


Thomas Genzel (Erfurt Indoor)


Das „Erfurt Indoor“ entwickelte sich bereits zwischen 1995 und 2005 zu einer internationalen Qualitätsmarke, doch dann verhinderten die Finanzen eine Fortsetzung. Thomas Genzel, von 1992 bis 2004 Verwalter der Erfurter Sportstätten, nahm 2004 mit einigen Mitstreitern das Comeback des Erfurt Indoors in Angriff, im Februar feierte das Meeting bereits wieder seine zehnte Auflage.

Genzel war zu DDR-Zeiten 800 Meter-Läufer (1:48,6 min) und nach seiner aktiven Karriere auch als Trainer tätig. „Leichtathletik ist mein Leben“, sagt der 65-Jährige, „ ich habe einfach immer wieder die Seiten gewechselt, vom Aktiven zum Trainer und jetzt zum Meetingmacher“.

Das Indoor wächst kontinuierlich zu einem angesehenen nationalen Sportevent. Den vorläufigen Höhepunkt gab es bei der dritten Auflage 2016, als Sprinter Julian Reus den 28 Jahre alten deutschen Hallenrekord über 60 Meter in 6,53 Sekunden egalisierte. 2018 feierte das dreistündige Hallenmeeting mit 1.200 Besuchern einen weiteren Aufwärtstrend.

Mit seinem Engagement trägt Genzel mit dazu bei, dass der einstige erfolgreiche Leichtathletik-Standort Erfurt aus erfolgreichen DDR-Jahren mit Olympiasiegern in den 70er und 80er Jahren wieder stärker auf der Landkarte vertreten ist. Allerdings unter ganz veränderten Vorzeichen. „Früher hatten wir in Thüringen 50 hauptamtliche Trainer, heute sind es noch fünf“, sagt Genzel.
 


Thomas Geißler (Hochsprung-Gala Weinheim)


Thomas Geißler war als 800 Meter-Läufer (1:49,41 min) Ausdauersportler, und auch außerhalb der Laufbahn hat der inzwischen 62-Jährige  beachtliche Steherqualitäten entwickelt. 20 Mal hat er in Weinheim bereits verantwortlich die Kurpfalz-Gala organisiert, die Hochsprung-Gala erlebte in diesem Winter bereits die 16. Auflage.

„Wir sind wohl das einzige Meeting mit Rückenwind-Garantie“, freut sich Geißler über die Besonderheit, dass man im Weinheimer Stadion je nach Windsituation von der Zielgeraden immer auf die Gegengerade wechseln kann. Auch die Hochspringer schätzen die Weinheimer Gala, nicht nur aufgrund des Schwingbodens. Die Zuschauer platziert zwischen den beiden Anlaufseiten ist eine Besonderheit, die viel zur Stimmung beiträgt.

„Das Weinheimer Highlight war sicher, als Blanka Vlasic 2,05 Meter hoch sprang und am selben Abend Hallen-Weltmeister Ivan Ukhov mit 2,35 Metern siegte“, erinnert sich Geißler stolz. Auch die Olympiasieger Stefan Holm (Schweden) und Yelena Slesarenko (Russland) begeisterten das Weinheimer Publikum.

Thomas Geißler betont aber auch: „Wir wollten immer eine Plattform für die deutsche Athleten bieten.“ Deshalb hebt er auch hervor, dass Ariane Friedrich mehrfach in Weinheim am Start war. „Das stimmungsmäßig beste Meeting war tatsächlich das in diesem Jahr 2023 aufgrund der grandiosen Atmosphäre“, schätzt Geißler. Mit dazu beigetragen hatte auch der Höhenflug von Christina Honsel (TV Wattenscheid 01) über sensationelle 1,98 Meter.

Seit 1997 ist Thomas Geißler Abteilungsleiter in der TSG Weinheim. „Es wird Zeit, ein Team aufzubauen, das in meine Fußstapfen tritt, damit das, was wir aufgebaut haben, auch fortgesetzt wird“, nennt der Leichtathlet mit Herz und Seele als Aufgabe. Postalische Rückmeldungen von Athleten Wochen nach einem Meeting sind für ihn wie Balsam auf die Seele und Bestätigung für das große Engagement.

Am kommenden Freitag stellen wir Ihnen im zweiten Teil unserer Porträt-Reihe weitere Meeting-Macher vor. Ausgewählt wurden die Organisatoren von Veranstaltungen, die mindestens den Challenger-Status von World Athletics trugen.

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