| Zum Abschied

Christian Reif startet die zweite Karriere

In der vergangenen Woche hat Weitspringer Christian Reif (LC Rehlingen) überraschend seine Leistungssport-Karriere beendet. Der Europameister von 2010 will sich künftig auf seine berufliche Zukunft konzentrieren und hat ein attraktives Jobangebot als Regionalverkaufsleiter bei Aldi angenommen. Seine sportlichen Ziele für 2015 sind neu geordnet: Statt der WM in Peking winkt der Dillinger Firmenlauf.
Manuel Keil

Nach der Pressekonferenz, auf der Christian Reif seinen Entschluss öffentlich machte, wollte er erst einmal ein paar Tage für sich haben und Abstand gewinnen. Außerdem wollte er am vergangen Freitag in Ruhe seinen 30. Geburtstag feiern. Dennoch bekam er in den vergangenen Tagen viel Resonanz bezüglich seines Rücktrittes. „Extrem viele Leute haben mir geschrieben“, sagt er. „Die meisten davon sind auch Sportler und haben mir alle gratuliert.“

Zudem gab es zahlreiche Anfragen von den Medien, die er aber zum Großteil geblockt hat. „Ich will nicht zu viel auf hohem Niveau jammern. Es wäre mir unangenehm, wenn das falsch rüberkommt.“ Dennoch betont er, dass natürlich finanzielle Gründe ein mit entscheidender Grund für seinen Rücktritt waren. Er ist sich aber sicher, dass viele andere Sportler finanziell deutlich mehr Probleme haben als er.

Finanzielle Sicherheit

„Die Sponsoren sind immer weniger geworden, obwohl ich eine gute Saison hatte. Da habe ich mich zwischendrin schon gefragt, was passieren würde, wenn ich mich richtig verletze oder wenn die nächste Saison schlecht wird“, beschreibt er seine Gedanken im Jahresverlauf.

Bereits während seiner Leistungssportkarriere hat Christian Reif mit seinem Master of Business Administration (MBA) in Sportmanagement die Grundlage für die Zukunft gelegt. Sein primäres Ziel sei gewesen, auch später im Sportbereich zu arbeiten. So berichtet er von einem Fall, bei dem er sich zwar mit Empfehlung aber ohne Erfolg auf eine Stelle beworben hat. „Da habe ich gedacht das wäre eine sichere Angelegenheit, weil ich alle Anforderungen erfüllt und perfekt ins Profil gepasst habe“, erinnert er sich. „Und dann kam die Absage noch ohne Vorstellungsgespräch.“

Bei seiner aktuellen Jobwahl hat er daher jüngst andere Prioritäten gesetzt: „Ich will einfach Sicherheit für die Zukunft. Daher habe ich das sehr gute Angebot aus der Wirtschaft jetzt angenommen.“ Bei Aldi Süd wird Christian Reif zum Regionalverkaufsleiter aufgebaut.

EM-Titel als Highlight

Für den Sportler in ihm war das jedoch keine leichte Entscheidung, da der Leistungssport ihm in den letzten Jahren viele schöne Momente brachte. Sein größter Erfolg und zugleich auch sein schönster Moment sei der Titel 2010 bei der EM in Barcelona (Spanien) gewesen. „Das war vor allem den Umständen mit der Qualifikation und den ungültigen Versuchen geschuldet,“ erklärt er. Nach zwei übergetretenen Sprüngen landete er im dritten erst bei 8,47 Metern in der Sandgrube, bis heute Meisterschaftsrekord.

„Aus dem Nichts, mit dem Rücken zur Wand so ein Sprung. Das war extrem geil“, kommt Christian Reif ins Schwärmen. Damit beendete er 2010 die Saison auf Platz eins in der Welt. Ganz besonders stolz ist er, dass er diese Weite 2014 in Weinheim noch einmal bestätigen und um zwei Zentimeter verbessern konnte.

Auch sonst war die aktuelle Saison mit neun Wettkämpfen jenseits der acht Meter sehr erfolgreich. Christian Reif holte mit der Nationalmannschaft bei der Team-EM in Braunschweig den Titel und sicherte sich mit 8,13 Metern auch den Disziplinsieg vor dem späteren Europameister Greg Rutherford (Großbritannien). Bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm schaffte Christian Reif erstmals sechs Acht-Meter-Sprünge in einem einzigen Wettkampf.

Acht-Meter-Marke 68-mal übertroffen

Im Jahresverlauf sollte dann nur noch ein weiterer folgen, in der Qualifikation bei der EM in Zürich (Schweiz). Im Finale wurde er zwei Tage später mit 7,95 Metern Achter, wie schon bei der Hallen-WM in Sopot (Polen). Insgesamt hat Christian Reif die für Weitspringer so wichtige und zugleich magische Acht-Meter-Marke 68-mal übertroffen. „Ich weiß gar nicht, ob das überhaupt schon ein Deutscher geschafft hat.“ Erstmals gelang ihm das mit 8,08 Metern bei seinem DM-Titel 2007 in Erfurt.

Seitdem stand bis auf das Jahr 2008, da verpasste er nach einem Muskelfaserriss die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Peking (China), stets zum Saisonende die acht vor dem Komma. „Ich bin echt froh, dass es so viele Jahre über acht Meter ging“, sagt er. Konstanz zeigte er aber nicht nur auf hohem Niveau, sondern auch bei seiner Entwicklung im Jugendbereich.

Schon mit sieben Jahren im Verein

Christian Reifs Grundschullehrer entdeckte schon früh dessen Talent und gab seinen Eltern die Empfehlung, er solle es mal mit der Leichtathletik versuchen. Im Alter von sieben Jahren startete so seine Laufbahn beim TSV Iggelheim. „Wie fast alle habe ich damals mit Drei- und Vierkampf angefangen“, erinnert er sich. „Das ging dann weiter mit Blockwettkampf und irgendwann Acht- und Zehnkampf.“

Den Sprint habe er allerdings relativ lange vernachlässigt, stattdessen bis in den Jugendbereich vor allem für die Hürden und alle vier Sprungdisziplinen trainiert. So gab es anfangs auch im eigenen Verein immer Athleten, die besser waren. Das Jahr 1997, in dem er seinen 13. Geburtstag feierte, beendete er im Weitsprung mit durchschnittlichen 5,02 Metern. Dann folgten konstante Steigerungen von etwa einem halben Meter pro Jahr.

Jugend-DM weckte Motivation

„Mit 16 Jahren habe ich mich dann im Weit- und Dreisprung erstmals für die Deutschen Jugendmeisterschaften qualifiziert. Das war alles total neu“, erzählt Christian Reif und muss lachen. „Mein Anlauf war zehn Meter kürzer als bei allen anderen. Ich bin dann immer voll losgelaufen und die Sprünge waren technisch einfach grausam.“ Bei der Jugend-DM kam auch der Kontakt zu Trainer Juri Tscherer zustande. Der wunderte sich vor allem, dass man mit so einer Technik so weit springen kann.

Nach der Saison wechselte Christian Reif zum ABC Ludwigshafen und trainierte fortan bei dem ausgewiesenen Sprungexperten Juri Tscherer. „Da ging es dann erst so richtig los mit dem Leistungssport.“ Die erfolgreiche Zusammenarbeit gipfelte in Platz neun bei der WM 2007 in Osaka (Japan). Nach den Verletzungsproblemen im Jahr 2008 und einer Operation wechselte der gebürtige Pfälzer dann an den Olympiastützpunkt nach Saarbücken in die Trainingsgruppe zu Uli Knapp.

Verpasste Heim-WM „schwerster Moment“

Auch der war schnell von Christian Reif begeistert. „Er kam ja nach seiner OP auf Krücken zu mir. Nach den ersten Monaten war mir aber schon klar, dass ich noch nie ein so großes Talent in den Händen hatte“, erzählte er vergangene Woche bei der Verabschiedung von Christian Reif.

Aus dem großen Ziel, der Heim-WM 2009 in Berlin, wurde aber leider nichts. Zu spät konnte Christian Reif ins Wettkampfgeschehen eingreifen, in Dudelange (Luxemburg) schaffte er mit 8,17 Metern die geforderte Norm erst nach dem Nominierungszeitraum etwa eine Woche vor WM-Start.

So verfolgte er die WM vor Ort in Berlin nur als Zuschauer, obwohl er in der zweiten Saisonhälfte der stärkste deutsche Weitspringer war. „Die verpasste Heim-WM war glaube ich der schwerste Moment meiner Karriere. Trotzdem war ich aber nicht wirklich down, weil ich die Saison hinten raus ja noch gerettet habe“, beschreibt er die damaligen Eindrücke. Seinen größten Erfolg unterm Hallendach feierte Christian Reif mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei der Hallen-EM in Göteborg (Schweden) im vergangenen Jahr.

Vorfreude aufs Skifahren

Am meisten vermissen werde er künftig die Trainingslager. „Die waren toll und haben immer viel Spaß gemacht“, erinnert er sich gerne zurück. „Wir waren immer in sonnigen Ländern, haben aber trotzdem professionell gearbeitet, obwohl man es wie Urlaub empfunden hat.“

Künftig freut er sich auf seine heimliche Leidenschaft, das Skifahren im Winter, auch wenn das nach seinem Berufseinstieg Anfang Dezember dieses Jahr noch nicht klappt. „Als Leistungssportler hatte ich da immer ein schlechtes Gewissen und habe es weggelassen wegen der Verletzungsgefahr.“

Neue sportliche Ziele

Aktuell hält er sich vor allem mit Fitness- und Krafttraining in Form und arbeitet viel mit seinem Eigengewicht. So konnte er sich jüngst über einen neuen Rekord im dreistelligen Bereich bei den Liegestützen freuen.

Demnächst will er auch wieder mit dem Laufen anfangen. Denn für 2015 hat er bereits ein sportliches Ziel, den Firmenlauf in Dillingen. Dieser zählt mit 15.000 Teilnehmern zu den größten Laufsportveranstaltungen in Deutschland. „Da will ich natürlich nicht ganz schlecht aussehen“, sagt Christian Reif. Vorgenommen hat er sich für die fünf Kilometer eine Zeit um die 20 Minuten.

Im Moment bleibt zum Laufen noch wenig Zeit, da er sich vor seinem Berufsstart noch um einige Dinge kümmern muss. So bezieht er in Saarbrücken gerade eine neue Wohnung und steckt aktuell im Umzugsstress. „Das ist etwas, was ich eigentlich gar nicht brauche.“ Am 1. Dezember wird er dann seine zweite Karriere beginnen.

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