| Leute

Julia Ritter versprüht Vorfreude auf Cali

Vor dreieinhalb Jahren nahm Julia Ritter das erste Mal eine Kugel in die Hand. In diesem Jahr kann sich die U18-Athletin Hoffnungen auf eine Medaille bei der U18-WM machen. Es wäre die vorläufige Krönung einer ungewöhnlichen Erfolgsgeschichte, die im Team-Work mit Vater Reiner und einem Youtube-Studium der Technik von David Storl begann.
Silke Morrissey

Sonntag, 10. Mai, 13 Uhr. Ein Jubelschrei hallt durch den Helmut-Schön-Sportpark in Wiesbaden. Im Innenraum des Leichtathletik-Stadions hüpft eine junge Dame aus dem Kugelstoß-Ring und rennt freudestrahlend zu einer der Zuschauer-Bänke, um sich dort von ihren Trainern die Glückwünsche abzuholen. Das Publikum ist begeistert. 18,29 Meter mit der Drei-Kilo-Kugel – das ist Weltklasse.

Zur Verdeutlichung ein paar Zahlen: 2015 hat bisher nur eine U18-Athletin weltweit weiter gestoßen. Auch 2014 kam in dieser Altersklasse nur eine Kugelstoßerin weiter. Seit der Umstellung von der Vier- auf die Drei-Kilo-Kugel in der U18-Altersklasse im Jahr 2012 war keine deutsche Athletin besser. 2013 hätte die Marke Bronze bei der U18-WM bedeutet, 2014 Silber bei den Olympischen Jugendspielen.

Allein die deutsche U18-Bestleistung hat weiter Bestand. Ilke Wyludda stieß 1986 sogar mit der Vier-Kilo-Kugel 19,08 Meter – diese Marke muss für einen Eintrag in die Rekordbücher auch mit der leichteren Kugel übertroffen werden. Trotzdem: Ein 18-Meter-Stoß einer deutschen U18-Athletin mit dem Drei-Kilo-Gerät war bisher in keiner Bestenliste notiert. Bis Julia Ritter am Sonntag in den Ring stieg.

Handball in der Jugend-Bundesliga

Die Kugelstoßerin vom SuS Oberaden in Westfalen hat eine rasante Entwicklung hinter sich. Noch bis Ende 2011 war sie ausschließlich auf dem Handball-Feld zuhause, spielte noch bis vor zwei Monaten in der Jugend-Bundesliga beim TVG Kaiserau. Das Medizinball-Stoßen im Sportunterricht und die Erfahrungen ihrer jüngeren Schwester Emily in der Leichtathletik brachten sie schließlich auf den Gedanken, es auch einmal mit der Eisenkugel zu versuchen.

Es begann ein ungewöhnlicher Weg an der Seite ihres Vaters und Trainers Reiner Ritter. „Wir haben uns bei Youtube Videos von David Storl angeschaut“, berichtet sie lachend. „Papa war früher Fußballer. Von Leichtathletik hatte er keine Ahnung.“ Gemeinsam erarbeiteten sie sich die Kugelstoß-Technik, Dynamik und Kraft brachte Julia Ritter vom Handball mit.

An ihren ersten Wettkampf erinnert sich die Nachwuchsathletin, die am Mittwoch ihren 17. Geburtstag feiert, noch genau. „Der war am 15. Januar 2012“, sagt sie. „Da habe ich mich gleich für die Westfälischen Meisterschaften qualifiziert.“ In ihrem dritten Wettkampf holte sie sich den Westfalen-Titel.

Unterstützung der Bundestrainer

Danach ging’s weiter steil bergauf. Das Jahr 2012 beendete Julia Ritter mit 13,75 Metern in den deutschen Top Ten der U16. 2013 war sie mit 15,80 Metern die beste deutsche U16-Athletin. 2014 packte sie noch einmal fast zwei Meter drauf: 17,63 Meter bedeuteten in Deutschland Platz drei hinter Anika Nehls (SC Neubrandenburg) und Alina Kenzel (VfL Waiblingen), die eine Dritte der Olympischen Jugendspiele, die andere Teilnehmerin der U20-WM.

„Ich trainiere wirklich sehr hart“, erklärt Julia Ritter ihre Leistungsentwicklung. Neun Einheiten pro Woche kommen da für die Schülerin schon mal zusammen, je eine unter der Woche und zwei am Wochenende. Immer an ihrer Seite ist ihr Vater. „Wir machen alles zusammen“, sagt die bald 17-Jährige. Klar gebe es auch mal Zickereien, aber: „Wir sind ein super Team!“

Mittlerweile hat das Gespann zudem Unterstützung von erfahrenen Trainern. Julia Ritter arbeitet sowohl mit Nachwuchs-Bundestrainer Miroslav Jasinski in Wattenscheid zusammen als auch mit Frauen-Bundestrainer Klaus Schneider, mit dem sie vor dem Wettkampf in Wiesbaden noch Einheiten in Kienbaum absolviert hat. Auch Vater Reiner ist in regem Austausch mit den Experten und profitiert von deren Tipps: „Er hat schon viel gelernt“, sagt seine Tochter anerkennend.

Traum von Cali

Im Jahr 2015 kann sich die junge Athletin mit der Teilnahme an den U18-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien; 15. bis 19. Juli) einen ersten großen sportlichen Traum erfüllen. Die Norm von 16,00 Metern hat sie längst in der Tasche. So konnten ihre Fans schon beruhigt die Reise buchen. Mutter, Vater, Schwester, Oma, Opa, Tante, Onkel: Alle werden dabei sein, wenn die Kugelstoßerin am 16. Juli um eine Medaille kämpft.

Möglicherweise wird sie in Kolumbien sogar ein zweites Mal in Aktion treten. Denn auch im Diskuswerfen hat Julia Ritter den Richtwert für Cali in der Tasche. Auch dort helfen ihr ihre guten körperlichen Voraussetzungen, unter Druck wackelt aber schon mal die Technik. „Das ist Kopfsache“, sagt sie und fügt lachend hinzu: „Beim Diskuswerfen braucht man Technik, da nützt die Kraft alleine nichts.“

Fröhlich und optimistisch

Die starke Konkurrenz im Kugelstoßen dagegen bereitet der Medaillenkandidatin keine Sorgen. Sie ist eine Frohnatur, trägt immer ein Lächeln auf den Lippen und versprüht Optimismus. Starke Gegnerinnen motivieren sie, da fliege die Kugel automatisch weiter. „Das positive Denken habe ich beim Handball gelernt“, sagt sie, „da habe ich beim Sieben-Meter-Wurf immer Nervenstärke bewiesen.“

Trotzdem musste sich Julia Ritter schweren Herzens erst einmal von ihrer Handball-Mannschaft verabschieden. Kugelstoß-Training, Schule mit Abitur im kommenden Jahr – da blieb zuletzt keine Zeit mehr für ein weiteres Hobby, das zudem für seine Verletzungsgefahr bekannt ist. „Aber Papa hat gesagt, dass ich vielleicht nach der Leichtathletik-Saison noch ein paar Spiele machen darf“, sagt Julia Ritter. Vielleicht kann sie ihren Mitspielerinnen dann ja sogar eine WM-Medaille präsentieren.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024