| Trainingskonzept

Mannheims Sprinterinnen - Einblick in ein Erfolgsrezept

Vier DLV-Athleten im Finale der Hallen-EM, drei von ihnen holten eine Medaille. Für die deutschen Sprinter geht es nach oben. Eine der erfolgreichsten Trainingsgruppen der Disziplin ist die von Valerij Bauer in Mannheim.
Lea Saur

Montagabend in der Leichtathletik-Halle auf dem Gelände des MTG Mannheim: Nach und nach trudelt die Trainingsgruppe von Valerij Bauer ein. Vormittags hatten Alexandra Burghardt, Carina Frey, Yasmin Kwadwo und Verena Sailer, allesamt dem Bundeskader Sprint angehörig, schon im 20 Kilometer entfernten Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg trainiert. Am Abend stehen noch ein paar Sprünge in Mannheim auf dem Plan.

Tratschend machen sich die Sprinterinnen auf den Weg zum Aufwärmen. Sie wirken vertraut, die Stimmung ist locker und harmonisch. Seit einem Jahr, als zuletzt Alexandra Burghardt zur Gruppe dazu stieß, trainieren die Mädels dieser Konstellation. „Wir haben immer viel Spaß hier und machen immer mal wieder Blödsinn“, erklärt sich Valerij Bauer das unkomplizierte Miteinander. „Im Training profitieren alle voneinander, auch wenn sie im Wettkampf natürlich Konkurrentinnen sind.“

Mannheim repräsentativ für Gesamtkonzept des DLV

Nationale Konkurrenz auf internationalem Topniveau in einer Trainingsgruppe vereint - das gibt es nicht nur in Mannheim. In Paderborn trainieren die Bundeskader-Sprinterinnen Inna Weit, Josefina Elsler und Tatjana Pinto (LG Brillux Münster) gemeinsam.

Der Wattenscheider Christian Blum, bei der Hallen-EM über 60 Meter mit Silber dekoriert, trainiert mit den Leipzigern Martin Keller und dem Hallen-EM-Vierten im Hürdensprint Erik Balnuweit. Betreut werden sie von Ronald Stein, der im DLV die Verantwortung für die Entwicklung des Sprintbereiches innehat. Dieses Konzept von kooperativen Trainingsgemeinschaften ist Teil eines Gesamtprozesses, der durch den DLV gefördert wird.

Auch in anderen Disziplinen profitieren Athleten vom Konzept des gemeinsamen Trainings auf hohem Niveau: In Halle trainieren die Mehrkämpfer Rico Freimuth (SV Halle), Vize-Weltmeister Michael Schrader (SC Hessen Dreieich) und die WM-Zweite von 2009 Jennifer Oeser (TSV Bayer 04 Leverkusen) zusammen. In Ulm bilden der Hallen-EM-Zweite Arthur Abele, Mathias Brugger, der Dritte der U20-WM Tim Nowak und U18-Rekordler Manuel Eitel (alle SSV Ulm 1846) eine Gruppe.

Konkurrenz belebt das Geschäft

Nicht zuletzt auf dieses Konzept kann der Aufwärtstrend im deutschen Sprint zurückgeführt werden. Die Trainingsgruppe in Mannheim ist bestes Beispiel dafür. Drei der vier deutschen Sprinterinnen, welche die Norm für die Hallen-EM geknackt hatten, trainieren zusammen in Mannheim: Verena Sailer, Alexandra Burghardt und Yasmin Kwadwo. Alle drei steigerten sich im Laufe der Hallen-Saison auf international absolut achtbare Bestzeiten von 7,08, 7,23 und 7,24 Sekunden.

Außerdem im Finale von Prag: Die Schweizerin Mujinga Kambundji, die temporär in Mannheim trainiert, und in Tschechien mit Schweizer Rekord aufwartete. Worin liegt nun das Geheimnis des Erfolgs der Trainingsgruppe?

Valerij Bauers Geheimnis des Erfolgs

Der Diplom-Sportwissenschaftler Valerij Bauer ist seit Jahren im deutschen Sprint unterwegs. Allein mit Verena Sailer, dem Aushängeschild der deutschen Sprinterinnen, arbeitet er seit 16 Jahren zusammen. Und trotzdem wird er nicht müde, immer weiter über Optimierungsmöglichkeiten nachzudenken. Bauer ist ein Macher. Er denkt über die Grenzen des Normalmöglichen hinaus, so auch beim Entwurf der Mannheimer Sprintmaschine.

Der DLV-Techniktrainer für den Sprintbereich hatte das Gerät entworfen, das vor drei Jahren im Mannheimer Sprintschlauch installiert wurde. Die Maschine dient der Optimierung der Sprinttechnik. Die Steuerung erfolgt vollautomatisch, Beschleunigung und Geschwindigkeit können exakt eingestellt werden. Vor allem Bauers Trainingsgruppe nutzt die Maschine, doch natürlich stimmen sich die Trainer vor Ort ab.

Kommunikation vor Ort stimmt

So arbeiten Sprinter Patrick Domogala, Schützling von Michael Manke-Reimers, Hürdensprinterin Carolin Dietrich und 200-Meter-Spezialistin Nadine Gonska, die bei DLV-Bundestrainer Kurzhürden und Bundesstützpunkt-Koordinator Rüdiger Harksen trainieren, ebenso an dem Gerät. Die beiden Trainer kennen und schätzen sich seit Jahren. „Rüdiger hat das alles hier vor allem aufgebaut. Ihm ist es zu verdanken, dass wir so großartige Strukturen vor Ort haben“, betont Bauer.

Er ist so zufrieden mit dem jahrelang eingespielten System, dass er keinen Grund sieht, in den wenigen Wochen zwischen Hallensaison-Ende und dem ersten Saison-Höhepunkt im Freien, der Staffel-WM in Nassau (Bahamas; 2./3. Mai) ins Trainingslager zu fahren. Auf den Bahamas steht mit der ersten Olympia-Qualifikation der Staffeln die nächste wichtige Herausforderung für die DLV-Sprinter an.

Schnelle, zielorientierte Unterstützung

„In Mannheim gibt es einfach ein gewisses Know-How, das geholfen hat, die gesamte Methodik aufzubauen“, erklärt Bauer. „Wir haben den Olympiastützpunkt Rhein-Neckar in Heidelberg vor Ort, an dem wir eine der besten Möglichkeiten für Krafttraining in Deutschland haben. Gleichzeitig können wir uns bestens mit Medizinern und Physiotherapeuten dort abstimmen“, sagt der Trainer.

Dieses System bietet nicht nur optimale Trainingsmöglichkeiten, sondern unterstützt die Sprinterinnen auch bei kurzfristigen gesundheitlichen Problemen. „Als Yasmin sich heute morgen nicht so gut gefühlt hat, konnten wir gleich eine Blutprobe abgegeben und vier Stunden später habe ich telefonisch die Ergebnisse bekommen“, erläutert Valerij Bauer die enge Zusammenarbeit.

Beste Trainingsbedingungen

Diese vielfältigen Kooperationsformen vor Ort, die den Athleten in den Mittelpunkt stellen, hält Bauer selbst für einen der größten Faktoren seines Erfolgs. Nicht umsonst ist Mannheim Bundesstützpunkt mit Schwerpunkt Sprint und Hürdensprint. Die gegenseitige Unterstützung aller Beteiligten sorge für die aus Bauers Sicht nahezu besten Trainingsbedingungen in Deutschland.

Dazu gehört auch der Team-Spirit. Der stimmt nicht nur innerhalb seiner Trainingsgruppe,  sondern auch das Aufeinandertreffen mit den anderen Sprintern, wie beispielsweise bei der Hallen-EM, ist immer harmonisch. In Prag hatten auch die Männer aufgetrumpft: hinter Christian Blum lief Julian Reus (TV Wattenscheid 01) zu Bronze, Platz sechs gab es für den Berliner Lucas Jakubczyk - ein historischer Erfolg für den deutschen Sprint und eine Bestätigung für Ronald Stein als Gesamtverantwortlichem.

Verena Sailer, in Prag mit Bronze dekoriert, brachte die Stimmung nach dem Erfolg in ihrem Facebook-Post auf den Punkt: „Was für ein Wochenende bei der Hallen-EM! Nicht nur wegen unserer Leistungen, sondern auch wegen der super Stimmung im Team!“ Die kommt nicht von ungefähr: Alle Athleten des Bundeskaders Sprint wurden unter Leitung von Ronald Stein und der Integration von Valerij Bauer in Lehrgänge eingebunden.

Blick über den Tellerrand

Zurück nach Mannheim: Alle Athletinnen der Trainingsgruppe kümmern sich parallel zu ihrer sportlichen Karriere um die „Zeit danach“. Jedoch nicht in Form einer Ausbildung bei der Bundespolizei, sondern mit einem Studium: Frey und Burghardt machen den Bachelor in Marketing/BWL und Medienkulturwissenschaften/BWL. Kwadwo studiert Lehramt in Heidelberg, Sailer macht per Fernstudium den Master in Wirtschaftspsychologie.

Stetige Entwicklungen, harmonische Konkurrenz, zielorientierte Kommunikation und Kooperation vor Ort und der Blick über den Tellerrand des Sport hinaus - die Trainingsgruppe von Valerij Bauer beweist, dass Dank des Zusammenspiels all dieser Faktoren und des Konzepts des DLV der Aufwärtstrend im deutschen Sprint noch lange nicht im Endspurt ist.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024