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Max Heß – Hop, Step, Jump ins Rampenlicht

Vor der Bauhaus Junioren-Gala in Mannheim hatte Max Heß noch nicht einmal die Norm für die U20-Weltmeisterschaften. Jetzt wird die Konkurrenz in Eugene (USA) ganz genau hinschauen, wenn der Dreispringer aus Chemnitz Anlauf nimmt: Mit 16,39 Metern hat sich der 17-Jährige am Samstag still und heimlich in die Top Drei der Welt katapultiert. Weiter kam seit der Wiedervereinigung kein deutscher U20-Athlet.
Silke Morrissey

Viermal nahm Max Heß in Mannheim Anlauf. Mit dem zweiten Sprung (15,71 m) hatte er die U20-WM-Norm um sechs Zentimeter überboten, mit dem dritten Sprung pulverisierte er sie: 16,39 Meter – ein Quantensprung. Dann war die Luft raus. Nach einem ungültigen Versuch ließ der Chemnitzer die letzten beiden Sprünge sausen. Was wäre da noch zu holen gewesen?

„Die Leistung war für mich selbst völlig unerwartet“, gestand der junge Mann, der mit seinem gescheitelten Blondschopf perfekt in eine Neuverfilmung von Erich Kästners „Emil und die Detektive“ passen würde. Unaufgeregt und mit einem verschmitzten Lächeln blickte er am Samstag zurück auf den Sprung, der ihn in Windeseile ins Rampenlicht katapultiert hatte. „Ich habe schon währenddessen gemerkt, dass der weit war.“

Vielleicht kam Max Heß auch zugute, dass er vergleichsweise entspannt in den Wettkampf gegangen war. Rückenprobleme hatten ihn in der Saisonvorbereitung kürzer treten lassen, erst langsam fand er ins Wettkampf-Geschehen. Riesensätze oder gar ein Blick auf die mögliche internationale Konkurrenz für die U20-WM waren kein Thema. Im Mittelpunkt für Mannheim stand die Norm, an der zuvor noch elf Zentimeter gefehlt hatten. Und dass er die drauf hat wusste er – schließlich war er zwei Wochen zuvor mit etwas zu viel Wind schon einen Zentimeter darüber hinaus gesegelt.

Drei 16-Meter-Kandidaten

Der Auftritt des jungen Chemnitzers macht Mut für die Zukunft in einer Disziplin, in der der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) zuletzt viel Aufbau-Arbeit leisten musste. Der Einsatz scheint Früchte zu tragen, die ersten erntete Dmitri Antonov (LAC Quelle Fürth) 2013 mit 16,02 Metern und Bronze bei der U18-WM und auch der Schweriner Tobias Hell kratzte 2014 mit 15,99 Metern schon an der 16-Meter-Marke.

16 Meter - viele Jahre war diese Marke für deutsche U20-Athleten außer Reichweite. Bis ins Jahr 2000 muss man zurückblicken um dort in den Bestenlisten Rudolf Helpling zu finden, der im Trikot des LC Jugend 07 Bergheim auf 16,29 Meter geflogen war. Aber so weit wie Max Heß, 16,39 Meter – so weit ist seit der Wiedervereinigung kein deutscher Jugendlicher gekommen. Und Max Heß hat noch ein weiteres Jahr in der Jugend vor sich. Am Sonntag (13. Juli) wird er 18 Jahre alt.

Großes Talent

Drei Jahre ist es her, dass Max Heß in der Chemnitzer Trainingsgruppe von Erfolgstrainer Harry Marusch landete, der auch 14-Meter-Springerin Kristin Gierisch angehört. Und fast wäre nichts geworden aus einer Dreisprung-Karriere. „Der kam als Weitspringer mit 5,40, 5,50 Metern bei mir an – mit dieser Leistung nehme ich normalerweise nicht mal Mädchen auf“, erinnert sich Marusch lachend. „Was soll ich mit dem?“, habe er sich gefragt – ihm dann aber doch eine Chance gegeben.

Schon schnell zeigte sich, dass das die richtige Entscheidung gewesen war. Marusch berichtet von einer Trainingseinheit, bei der die Gruppe bei Schnee und Eis in den niedrigen Laufkeller ausweichen musste. Die Steigesprünge seines neues Schützlings beeindruckten ihn. „Was ist das denn?“ schoss ihm durch den Kopf.

Rasante Entwicklung

Eigentlich ist die Kurve von Max Heß ab diesem Zeitpunkt nur steil bergauf gegangen. Als M15-Athlet findet man ihn in den Sprüngen noch in keiner deutschen Bestenliste. 2012 setzte er im Weitsprung 6,71 Meter in die Grube und war mit 14,58 Metern der drittbeste deutsche U18-Athlet. 2013 schaffte er es bei der U18-WM mit Bestleistung von 15,52 Metern auf Rang acht.

Der Schlüssel zur jüngsten Leistungssteigerung: eine noch höhere Geschwindigkeit im Anlauf. 10,92 Meter pro Sekunde hat Biomechaniker Luis Mendoza für den 16,39-Meter-Sprung gemessen - beachtlich für einen U20-Athleten.

Unterstützung der Bundestrainer

Harry Marusch betont, dass der Erfolg auch das Resultat einer guten Zusammenarbeit mit den Bundestrainern Tamas Kiss und Charles Friedek sei. „Da hat sich im Dreisprung in den letzten zwei Jahren enorm viel getan“, schwärmt er, „wir erfahren viel Unterstützung“. Für die U20-WM in Eugene wird Marusch seinen Schützling dann auch ohne Bedenken in die Hände von U20-Bundestrainer Charles Friedek geben, der ihn auch schon bei der U18-WM in Donetsk (Ukraine) betreut hat.

Und wie ist es für einen Nachwuchs-Dreispringer, mit einem ehemaligen Weltklasse-Athleten und Ex-Weltmeister zusammenzuarbeiten? „Faszinierend“, sagt Max Heß. Berührungsängste gebe es aber keine mehr: „Mittlerweile haben wir ein ganz lockeres Verhältnis und verstehen uns sehr gut.“

Bei 16 Metern stabilisieren

Max Heß wird die Zeit seit Samstag dazu genutzt haben, den ersten 16-Meter-Satz seiner Karriere zu verdauen – und wohl auch dazu, einen Blick zu werfen in die internationalen Ranglisten, die für ihn zuvor noch keine Rolle gespielt haben. Dort wird er dann den kubanischen Überflieger Lázaro Martínez finden. Der U18-Weltrekordler ist noch ein Jahr jünger als Heß, schon dreimal über 17 Meter gesprungen und der Konkurrenz weit voraus. Zum Verfolgerfeld gehört nun auch Max Heß selbst.

Doch Trainer Harry Marusch warnt vor überzogenen Erwartungen. „Bis Mannheim hat er um die Norm gekämpft, und jetzt soll er auf einmal vorne mitspringen?“ fragt er. Nein, das wäre vermessen, das weiß er, und das weiß auch sein Athlet.

Unabhängig voneinander gefragt sind sie sich einig, was der Maßstab sein muss. 16 Meter waren vor der Saison die Zielstellung, erklärt Harry Marusch, diese Marke soll er erst einmal bestätigen. Max Heß formuliert es so: „Stabil 15,70 Meter. Und wenn dann noch mal welche über 16 Meter gehen, wäre das auch nicht verkehrt.“

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