Die starken deutschen Zehnkämpfer musste sich bei den Europameisterschaften in Zürich (Schweiz) noch besserer Konkurrenz geschlagen geben: Gold, Silber und Bronze gingen an Andrei Krauchanka (Weißrussland; 8.616), Kevin Mayer (Frankreich; 8.521) und Ilya Shkurenyov (Russland; 8.498). Arthur Abele erkämpfte sich mit Bestleistung von 8.477 Punkten Rang fünf, dahinter reihten sich Kai Kazmirek und Rico Freimuth ein.
Der Stabhochsprung wurde an Tag zwei das Zünglein an der Waage. Bis dahin lag das Feld auf hohem Niveau dichtauf, acht Zehnkämpfer lagen noch auf Kurs jenseits von 8.400 Punkten, jeder von ihnen mit Medaillenchancen.
Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied), mit einer Leistung von 8.471 Punkten als Jahresbester angereist, hatte sich in glänzender Verfassung präsentiert und nach sieben Disziplinen mit drei Einzelbestleistungen und ohne jeglichen Ausrutscher in Führung gelegen. Herausragend sein Weitsprung mit 7,68 Metern, weitere Bestleistungen über 100 Meter (10,75 sec) und über die Hürden (14,05 sec) sowie starke 2,13 Meter im Hochsprung.
Dann aber kam der Stabhochsprung, und hier gingen magere 4,60 Meter für den U23-Europameister ein – 5,20 Meter ist er schon gesprungen. Zwar ließ er noch eine Speer-Bestleistung (63,17 m) folgen, nach 4:38,67 Minuten über 1.500 Meter musste er in der Endabrechnung jedoch noch drei stärkere Läufer an sich vorbeilassen. Dass er mit 8.458 Punkten den zweitbesten Zehnkampf seiner Karriere absolvierte und dass dieses Resultat „nur“ für Rang sechs reichte – ein Ausdruck der Klasse des Feldes.
Arthur Abele auf Welle der Euphorie
Voller Glückshormone und mit einem strahlenden Lächeln hatte Arthur Abele auf Rang vier liegend den ersten EM-Tag beendet, und auch den zweiten Tag konnte er freudestrahlend zu Ende bringen, obwohl nach den 1.500 Metern ganz kurz Ärger über eine nur um 21 Zähler verpasste Medaille aufflackerte.
Der Athlet vom SSV Ulm 1846 hatte sechs Jahre – seit seinem Verletzungs-Aus bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking – auf einen Auftritt auf internationaler Bühne gewartet, und er genoss jede Sekunde im Letzigrund.
Der 28-Jährige steigerte seine sechs Jahre alte Bestmarke um stolze 100 auf 8.477 Punkte und durfte sich über Rang fünf freuen. Mit einer goldenen Startnummer für die Zwischenführung nach drei Disziplinen, einem Meisterschaftsrekord über die Hürden von 13,55 Sekunden und der Gewissheit, dass er wieder mittendrin ist in der internationalen Spitze, kann er die Heimreise antreten.
Rico Freimuth kämpft sich durch
Für Rico Freimuth (SV Halle) gab es nach einem enttäuschenden ersten Tag an Tag zwei durchaus Grund zur Zufriedenheit. Auch er startete wie Abele mit einer Hürden-Bestleistung (13,63 sec) und war anschließend bester Diskuswerfer (48,81 m).
Im Stabhochsprung war er einer der Leidtragenden einer anderthalbstündigen Wind-Unterbrechung - hatte aber anschließend bessere Bedingungen und flog noch über gute 4,80 Meter. Mit dem Speer (62,74 m) war er schließlich sechs Meter besser als in Ratingen. 8.308 Punkte standen für ihn nach zehn Disziplinen zu Buche – nicht ganz das, was er sich vorgenommen hatte, aber ein versöhnlicher Abschluss auf Rang sieben Europas.
Krauchanka überragend
Der neue Europameister Andrei Krauchanka hatte schon an Tag eins mit herausragenden 2,22 Metern im Hochsprung für ein Ausrufungszeichen gesorgt. Im Stabhochsprung holte er sich an Tag zwei mit 5,10 Metern die Führung in der Zwischenwertung wieder zurück, Gold war ihm da nicht mehr zu nehmen. Mit 8.616 Punkten setzte er sich an die Spitze der Welt.
Dahinter stellte Kevin Mayer, U20-Weltmeister von 2010, mit 8.521 Punkten einen neuen französischen U23-Rekord auf. Neun Disziplinen lag er in Lauerstellung, erst über 1.500 Meter erkämpfte er sich den Medaillenrang. Ilya Shkurenyov hielt in der letzten Disziplin den Niederländer Eelco Sintnicolaas um 20 Punkte auf Distanz, nur einen Punkt hinter diesem landete Arthur Abele.
STIMMEN ZUM WETTBEWERB:
Arthur Abele (SSV 1846):
Ich bin sechs Jahre weg gewesen! Heute hat mir nur ein Punkt gefehlt – auf Blech (lacht). Und 21 Punkte auf Bronze. Aber ich bin mega happy, und ich denke, eigentlich kann heute jeder von uns happy sein mit der starken Leistung, die er gezeigt hat. Der Stabhochsprung war heute richtig krass. Nach zwei Fehlversuchen über 4,60 Meter habe ich mir gedacht: Scheiße, das kann’s doch jetzt noch nicht gewesen sein! 4,80 Meter musste ich auslassen, da hatte ich keine Kraft mehr. Jedes Mal, wenn ich angelaufen bin, hat’s geschüttet wie aus Kübeln. Aber die Punkte habe ich im Speerwurf liegenlassen, das ist das einzige, was mich wirklich wurmt. Drei, vier Meter mehr und ich wäre auf Bronze. Aber hätte, wäre, wenn – das hilft nichts im Zehnkampf. Ich bin überglücklich mit meiner Bestleistung, das ist der Wahnsinn. In Peking will ich nächstes Jahr Revanche nehmen, da musste ich ja 2008 bei Olympia verletzt aufgeben.
Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied):
Ich bin eigentlich sehr zufrieden, außer mit dem Stabhochsprung. Neun Disziplinen waren super, aber eine halt nicht. Das passiert beim ersten großen Wettkampf. Ich war nach dem Stabhochsprung sehr enttäuscht. Das war ein technischer Fehler. Ich hatte die Höhe, aber die Tiefe nicht. Beim Stabhochsprung ist es natürlich immer ein bisschen blöd, wenn es regnet. Windig war es auch, aber der starke Wind kam erst bei den höheren Höhen. Das möchte ich aber eigentlich nicht dafür verantwortlich machen. Mit der Punktzahl bin ich zufrieden. Man darf sich hier keinen Fehler erlauben. Die anderen waren zu stark. Das war der ausschlaggebende Punkt. Ich habe eigentlich den ganzen Wettkampf genossen. Hürden waren Bestleistung. Speer war auch noch einmal Bestleistung. Auf den 1.500 Metern ging leider einfach nicht mehr. Es war auch relativ kalt. Die höhere Punktzahl kommt, wenn im nächsten Jahr auch im Stabhochsprung noch ein bisschen was geht.
Rico Freimuth (SV Halle):
Ich hatte mir mehr erhofft, aber ich bin zufrieden. Die Hürden waren super. Ich bin gut in den zweiten Tag gekommen. Ich war nicht mehr nervös. Ich bin mit Spaß reingegangen. Das war so der Schlüssel. Im Diskus hatte ich mir mehr erhofft, das war aber trotzdem eine gute Weite. Stabhochsprung war richtig geil (lacht). Ich fand es wirklich amüsant. Ich hatte echt meinen Spaß. Es gab zweimal eine Unterbrechung. Dann stand ich da hinten und die Latte fliegt runter. Meine drei Minuten liefen runter und ich bekam ein X. Das war das zweite X bei 4,80. Dann bin hin und habe gesagt: Wir müssen unterbrechen und könnt ihr mir bitte meinen zweiten Versuch wieder geben. Dann hat der Kampfrichter gesagt: Ja, natürlich. Dann war dieser Orkan. Ich war danach schon megaplatt. Dann kam ich überhaupt nicht mehr rein. Darauf, dass ich die 4,80 noch gesprungen bin, war ich echt stolz. Das war echt nicht einfach. Speer läuft wieder, das freut mich. Mein Trainer meinte dann zu mir: 4:37, dann machst du am zweiten Tag 4.200 Punkte, was eine Hausnummer ist. Ich habe aber relativ früh geahnt, dass das in die Hose geht.
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