Eigentlich müsste Chantal Butzek in diesen Wochen am heimischen Schreibtisch intensiv fürs Abitur büffeln. Doch die Paderbornerin geht mit ihren Büchern schon bald auf Reise. Die 19 Jahre alte Sprinterin startet bei der Hallen-WM in Portland (USA, 17. bis 20. März) über 60 Meter. Ihr Ziel dort ist vergleichbar mit dem schulischen. Es lautet: Lernen!
Das „Küken“ im DLV-Team ist 1,72 Meter groß, vor knapp einer Woche 19 Jahre alt geworden – und verdammt schnell. Sprint-Youngster Chantal Butzek (LC Paderborn) hat eine klasse Hallensaison hingelegt und darf als Belohnung zum ersten Mal in der A-Nationalmannschaft starten – über 60 Meter bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Portland.
„Das ist schon ganz schön aufregend. Zumal ich nicht viele Athleten aus der deutschen Mannschaft kenne“, sagt die Schülerin. Apropos Schülerin: Bevor es über den „Großen Teich“ geht, muss ihr Rektor die außerschulische Betätigung erst einmal genehmigen. Schließlich steckt Chantal Butzek mitten im Abitur-Endspurt. Wenige Wochen nach Portland stehen die finalen Klausuren an.
Bewährungsprobe auch ohne Norm
Und die will Chantal Butzek mit guten Noten absolvieren. Die 19-Jährige ist ehrgeizig – in der Schule und im Startblock. Die vier besten 60-Meter-Zeiten ihrer Karriere hat sie in diesem Winter hingelegt. Zwischen 7,27 und 7,30 Sekunden ist sie dabei gelaufen. Zwar fehlte damit die Winzigkeit von einer Hundertstelsekunde zur Hallen-WM-Norm. Doch der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) gab und gibt aussichtsreichen Talenten auch ohne Norm die Chance zur internationalen Bewährungsprobe. Selbiges gilt beispielsweise für den Chemnitzer Hürdensprinter Martin Vogel, der nach seiner Steigerung um 17 Hundertstel auf 7,67 Sekunden ebenfalls in Portland dabei ist.
Schon 2015 hatte Chantal Butzek mit 7,31 Sekunden eine starke Hallensaison hingelegt, wurde aber Ende Mai auf dem Weg zu neuen Freiluft-Bestzeiten unsanft ausgebremst. Ein Sturz über 100 Meter Hürden beim „Anhalt“-Meeting in Dessau brachte ihr eine ordentliche Gehirnerschütterung samt veritabler Schrammen ein und das Talent vom zweigleisigen Sprinten ab.
Diesen Sommer Richtung 11,40 Sekunden
„Nur“ 11,61 Sekunden standen für die Paderbornerin am Ende der Saison in den Statistiken. Mit den Zubringerwerten aus der Halle hätte sie eigentlich zwei Zehntel schneller sein müssen. „Dann greife ich die 11,40 Sekunden halt in diesem Jahr an“, schaut Chantal Butzek selbstbewusst in den Sommer. Dann wird sie auch eingleisig fahren. Der Hürdensprint ist hintenan gestellt und erst wieder in der kommenden Hallensaison ein Thema.
Das hat die Deutsche U20-Hallenmeisterin und Vierte der Hallen-DM von Leipzig zusammen mit ihrem Trainer Thomas Prange entschieden. Die 19-Jährige schätzt an ihrem Coach die Kreativität im Training sowie seine Genauigkeit. „Er ist sehr anspruchsvoll und kann sich sehr gut in uns hineinversetzen“, beschreibt Chantal Butzek die Zusammenarbeit mit dem Ex-Sprinter.
Fehler wie in Leipzig vermeiden
Der betreut seit anderthalb Jahren auch Tatjana Pinto. Die 23-Jährige lief vor Wochenfrist bei der Hallen-DM in Leipzig mit 7,07 Sekunden die schnellste Zeit einer deutschen 60-Meter-Sprinterin seit einem Vierteljahrhundert. Dreimal die Woche trainieren Pinto und Butzek in Paderborn gemeinsam. Ihre Vereins- und Trainingskameradin tritt ebenfalls in Portland über 60 Meter an.
„Sie ist im Training schon echt krasse Zeiten gelaufen. Da hat sich schon so eine Leistung angedeutet“, berichtet die Schülerin. Sie selbst profitiert von der Zusammenarbeit: „Ich kann noch eine Menge von Tatjana lernen. Beispielsweise beim Start und in der Beschleunigung. Da hatte ich in Leipzig noch ein paar technische Fehler. So habe ich mich beispielsweise deutlich zu früh aufgerichtet.“
Das Ziel heißt Halbfinale
Das soll am 19. März um 20:40 Uhr deutscher Zeit besser laufen. Schließlich hat sich die Paderbornerin ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: den Einzug ins Halbfinale. Da erfahrungsgemäß bei Hallen-Weltmeisterschaften drei „Halbfinals“ mit acht Sprinterinnen ausgetragen werden, hat die 19-Jährige eine berechtigte Chance.
2014 in Sopot (Polen) mussten die Sprinterinnen mindestens 7,36 Sekunden anbieten, um die Vorläufe zu überstehen. Eine machbare Aufgabe für Chantal Butzek und eine Entschädigung gleichermaßen. Denn das „Küken“ im DLV-Team wird in Portland sehr viel Zeit mit ihren Schulbüchern verbringen. Aber das nimmt sie für ihre erste WM bei den „Großen“ nur zu gern in Kauf.