Claudine Vita ist ein echter Rohdiamant in der deutschen Wurfszene, der in der Werfer-Hochburg Neubrandenburg von Dieter Kollark und Franka Dietzsch als Trainer geschliffen wird.
Claudine Vita muss sich aber in ihrer Paradedisziplin, dem Diskuswerfen, erst noch gegen die geballte Konkurrenz im deutschen Lager durchbeißen. Doch sie hat mit dem Kugelstoßen eine zweite Option, die immer interessanter zu werden scheint.
Zwei Olympia-Normen reichten nicht
Die Konkurrenz in der deutschen Diskuswurfszene ist unerbittlich: Im letzten Jahr war die 20-Jährige mit ihrer neuen persönlichen Bestleistung von 62,77 Metern die Nummer 21 der Welt, hatte auch die Olympia-Norm erfüllt. Doch gleich vier andere DLV-Werferinnen, angeführt von der Berlinerin Julia Harting (68,49 m), waren noch stärker. „Das Diskuswerfen ist vom Anspruch her sehr hoch“, stellt Claudine Vita zu dieser Situation fest.
Im Kugelstoßen sah es für sie 2016 ähnlich aus: 17,90 Meter bedeuteten als Bestleistung zwar die Olympia-Norm, aber auch hier erwiesen sich drei Kolleginnen aus dem deutschen Lager als noch besser. Wahrlich keine einfache Situation.
Doch gerade mit der Kugel könnte sich für Claudine Vita nun das Tor öffnen. Zum einen war sie der Filstalerin Lena Urbaniak (18,05 m) und der Leipzigerin Sara Gambetta (17,95 m) im letzten Jahr schon auf den Fersen, zum anderen legt Weltmeisterin Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) eine Babypause ein.
Chancen auf WM-Start gestiegen
Damit sind die Chancen darauf, dass Claudine Vita in diesem Jahr auch im Freien in die DLV-Nationalmannschaft der „Großen“ aufsteigt und zum WM-Team für London (Großbritannien) gehören könnte, besser denn je.
Gelungen ist ihr dieser Schritt bereits im Winter. Sie bahnte sich mit der Kugel den Weg zur Hallen-EM in Belgrad (Serbien), erzielte dort zunächst in der Qualifikation (17,83 m) und dann auch im Finale (18,09 m) eine persönliche Hallen-Bestleistung.
Die Kombank Arena verließ die Sportsoldatin mit einem guten fünften Platz und einem rundum zufriedenen Gesicht: „Man kann sich nichts Besseres vorstellen, als beim Höhepunkt seine Bestleistung abzurufen.“
18 Meter mit der Kugel „etwas Besonderes“
Doch nicht nur das. Für Claudine Vita war es in Belgrad der erste 18-Meter-Stoß ihrer Karriere, eine Art Meilenstein: „Das fühlt sich schon nach etwas Besonderem an.“ Doch wäre das nicht ein Grund, künftig stärker oder ganz auf das Kugelstoßen zu setzen? Nicht wirklich, diese Disziplin ist ihre zweite Wahl, wie sie sagt.
Allerdings möchte die 20-Jährige ihrer bisherigen Marschroute treu bleiben: „Wir machen so weiter wie gehandhabt. Man sieht, dass es mir gut bekommt, wenn ich beide Disziplinen trainiere und auch im Wettkampf bestreite. So wie es momentan läuft, fühle ich mich gut damit.“
Gesagt, getan! Nur eine Woche nach der Hallen-EM stand sie auch schon wieder im Diskusring. Beim Winterwurf-Europacup auf Gran Canaria (Spanien) packte sie Mitte März einen Wurf auf 58,76 Meter aus, das war Platz eins in der Nachwuchs-Konkurrenz und zugleich die U23-EM-Norm.
Konkurrenzsituation als Motivation
Dass es in Deutschland so starke Konkurrenz gibt, nimmt Claudine Vita als Motivation und Anspruch: „Wenn man es schafft, im Diskuswerfen vorne mitzumischen, dann hat man auch die Chance in der Weltspitze ganz vorne zu landen.“
Motivation zieht sie aber durchaus auch aus der Konstellation im Kugelstoßen: „Hinter Christina Schwanitz gibt es eine kleine Lücke, vielleicht gelingt es uns ja, diese in den nächsten Jahren auszufüllen.“ Diese Mission kann sie durchaus lockerer angehen, denn natürlich hat sie als eigentliche Diskuswerferin unter den Kugel-Expertinnen wie bei der Hallen-EM „nichts zu verlieren“.
Claudine Vita hat starke Nerven
Claudine Vita hat eine besondere Qualität, wenn es darum geht, im Wettkampf ihre Leistung abzurufen und auch nach internationalen Medaillen zu greifen. Dass sie trotz einer gewissen Nervosität auf starke Nerven vertrauen kann, zeigte sie bereits vor vier Jahren bei der U18-Weltmeisterschaft in Donetsk (Ukraine) mit Silber. Zwei Jahre später legte sie bei der U20-EM Silber mit der Kugel und Gold mit dem Diskus nach.
Den momentanen Übergang von dem Jugendbereich zu den Erwachsenen sieht Claudine Vita gerade in ihren Disziplinen als einen „langwierigen Prozess“. Allerdings sagt sie auch: „Wenn es so bleibt, wie es gerade ist, würde ich auf alle Fälle sagen, dass ich bei den Frauen angekommen bin. Ich will diese Leistungen in Zukunft bestätigen und natürlich noch verbessern.“
Berlin 2018 - Kleines Heimspiel, großes Ziel
Gelingt ihr das, dann rückt auch ein EM-Start 2018 in Berlin in Reichweite. Dass sie im Olympiastadion dabei sein möchte, steht außer Frage: „Mein Ziel ist es schon, dort mitzumachen und mich natürlich auch für das Finale zu qualifizieren.“
Berlin wäre für sie dann auch eine Art kleines Heimspiel: „Meine Eltern wohnen in Berlin und meine anderen Geschwister auch. Es wäre super, wenn sie dann im Stadion sind, mich unterstützen und anfeuern und ich das mit einer guten Leistung belohnen kann.“
Das große Ziel auf deutschem Boden lockt also bereits. Dass es für Claudine Vita in diesem Jahr über die Weltmeisterschaft in London dann weiter nach Berlin geht, ist durchaus möglich. Denn neben ihrer Paradedisziplin, dem Diskuswerfen, hat sie mit dem Kugelstoßen einen Joker, der durchaus stechen könnte.