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Niklas Kaul – Mit zwei Rekorden im Gepäck nach Cali

Schon der europäische U18-Rekord mit dem Speer war der Hammer. Drei Wochen später ließ er eine neue kontinentale Bestmarke auch im Zehnkampf folgen. Niklas Kaul führt in beiden Disziplinen die Weltjahresbestenliste an und hat am Samstag bei der U18-Gala in Schweinfurt seine Ambitionen für einen Doppelstart bei der U18-WM in Cali (Kolumbien; 15. bis 19. Juli) bestätigt.
Pamela Ruprecht

Sein Herz schlägt für den Zehnkampf. Das stand auch dann nicht außer Frage, als Niklas Kaul Mitte Mai in Halle den zweitbesten Wurf, der auf der Welt jemals einem Athlet seiner Altersklasse gelang, abfeuerte: 83,94 Meter mit dem 700-Gramm-Speer. Die bisherige deutsche U18-Bestleistung um ganze sieben Meter übertroffen. „Das war voll überraschend“, blickt der Mainzer auf die Situation zurück. Antworten auf die Fragen, ob er trotzdem den Fokus wie bisher weiter auf den Mehrkampf setze, erübrigten sich bald.

Drei Wochen später nämlich stellte der 17-Jährige in Bernhausen auch im Zehnkampf eine europäische Bestleistung in der U18 auf: 7.783 Punkte nach einem enorm starken zweiten Tag. Das sind rund 50 Punkte mehr als sein Vorgänger, Manuel Eitel (SSV Ulm 1847), 2014 gesammelt hatte und Jan Felix Knobel (Königsteiner LV) und Ex-Europameister Pascal Behrenbruch (LG Eintracht Frankfurt) in diesem Alter drauf hatten – keine unbekannten Namen.   

Keine Garantie für später

„Klar freut man sich über den Rekord und dass man besser war als die Athleten davor, aber ich würde nicht sagen, dass das jetzt etwas für die Zukunft heißt, wie es bei mir wird“, relativiert Niklas Kaul seinen Erfolg. „Natürlich wünscht man sich irgendwann mal so viele Punkte zu machen wie Pascal oder Jan Felix.“ Der direkte Schluss darauf, dass er später bei den Männern auch 8.500 Punkte mache, weil er jetzt so gut ist, mache für ihn aber noch keinen Sinn. Er will weiter machen, wo er gerade steht.

Während die Sensationsweite im Speerwurf für den Schüler unerwartet kam, wollte er im Zehnkampf unbedingt in diese Punkteregionen vorstoßen. Es hatte sich im Training angedeutet, dass es realistisch ist. Im Wettkampf muss es dann aber auch aufgehen. Alle zehn Stationen müssen klappen. „Es reicht, wenn man in einer Disziplin nicht konzentriert ist, dann ist man raus. Dass es letztendlich so funktioniert hat, ist super.“ Nach Tag eins hatte er noch mehr als 400 Punkte unter dem Rekordkurs von Manuel Eitel gelegen.

Wie zu vermuten, sind auch die anderen Würfe bei Niklas Kaul nicht ohne. Seine Bestleistung mit dem Diskus steht bei 49,92 Metern, mit der Kugel bei 16,18 Metern. Doch auch die Sprungdisziplinen können sich sehen lassen: Hochsprung 1,95 Meter, in Bernhausen allerdings nur 1,84 Meter, und mit dem Stab 4,60 Meter. Ausbaufähig ist sicher noch seine 100-Meter-Zeit (11,53 sec) ebenso wie die 110 Meter Hürden. „Im Sprint besser werden, ist erst mal das Hauptziel.“ Im Mehrkampf.

Mehrkampf-Training mit Ergänzungen

Seit vier Jahren trainiert der Deutsche U16-Meister im Neunkampf von 2013 bei seinen Eltern, Stefanie und Michael Kaul, die als frühere 400-Meter-Läufer aus dem Leistungssport kommen. Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten, bei denen Niklas Kaul den Trainern am Ende meistens Recht geben müsse, funktioniere das sehr gut. Dazu gibt es einmal die Woche eine Speer-Technikeinheit bei Francis Gross in Frankfurt. Und: extra Stabhochsprung-Lektionen bei der Schwester von Lisa Ryzih (ABC Ludwighafen), Nastja Reiberger.

Zusätzlichen Druck verspürt er nach seinen Wahnsinns-Leistungen nicht, dafür mehr Motivation und Selbstbewusstsein. Im Mehrkampf ist der ehemalige Handballer, der für seine Leistung lieber selbst verantwortlich ist, in den technisch anspruchsvollen Disziplinen momentan sehr sicher und blickt zuversichtlich Richtung U18-WM in Kolumbien. Gleiches gilt für den Speerwurf. „Man hat im Hinterkopf, dass man schon mal so weit geworfen hat. Man weiß, dass man eigentlich fast jede Weite in Cali kontern kann.“
 
Um nach der Nominierung für den Mehrkampf auch das Ticket in der Einzeldisziplin zu lösen, war vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) in Schweinfurt noch ein Leistungsnachweis gefordert. Für Niklas Kaul reine Formsache, mit einem 74-Meter-Wurf war er am Samstag durch. „Irgendwie hat der letzte Biss gefehlt, die letzten ein bis zwei Prozent“, sagte Niklas Kaul nach dem Wettkampf. Anspannung und Konzentration werden im U18-WM-Finale wesentlich größer sein, „wenn man in Cali im Stadion steht und weiß, jetzt geht es um alles.“

Volle Konzentration in Kolumbien

In Kolumbien war der 1,90 Meter große Nachwuchsathlet, wie wohl die meisten, noch nicht - aufregend, der erste internationale Start. Die Vorfreude ist groß. Noch dazu tritt Niklas Kaul in zwei Wettbewerben an und reist mit der jeweils besten Vorleistung im Gepäck an. „Eine Medaille in einer von beiden Disziplinen wäre natürlich ein Traum.“ Er will sich auf sich konzentrieren und nicht schauen, was die Konkurrenz macht, „weil man nur sich selbst beeinflussen kann.“ Besonders im Zehnkampf ist Fokussierung von der ersten bis zur letzten Disziplin, den 1.500 Metern, gefragt.

Der Mehrkampf findet zu Beginn der Veranstaltung statt. Nach einem Tag Pause wird er mit etwas Muskelkater zur Speer-Qualifikation antreten und am Sonntag voraussichtlich zum Finale. „Besser wäre es andersrum, aber es ist schon relativ gut so.“ Schließlich hätten auch beide Wettkämpfe am selben Tag sein können oder die Quali gleich am Morgen nach dem Mehrkampf. Gegen die Spuren des anstrengenden ersten Wettkampfs setzt er auf die Physiotherapeuten und das Adrenalin.

Die Faszination Leichtathletik hat für Niklas Kaul, dessen Vorbild Speer-Weltrekordler und Modellathlet Jan Zelezny (Tschechien) ist, viele Facetten. „Es macht sogar Spaß nach Läufen platt auf der Bahn zu liegen, obwohl das jeder Mensch, der das noch nie gemacht hat, nie verstehen wird.“ In Zukunft fährt er weiter zweigleisig. Warum auch etwas ändern, wenn es so gut läuft? Zu früh spezialisieren möchte er sich nicht: „Man kann sich am Ende der Jugend immer noch entscheiden, was dann am besten ist.“ Momentan eindeutig beides.

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