| Bundestrainer im Porträt

Sebastian Weiß plant als behutsamer Lotse langfristig

Sowohl beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) als auch beim TSV Bayer 04 Leverkusen steht Sebastian Weiß symbolhaft für einen Generationswechsel im Trainerstab. Bei seinem Verein hat der 32-Jährige im Herbst 2016 Paul Heinz Wellmann abgelöst, als DLV-Bundestrainer kürzlich Henning von Papen. Seine größten Erfolge konnte er bislang als Coach von Konstanze Klosterhalfen feiern.
Harald Koken

Eines ist Sebastian Weiß auf keinen Fall: ein Fitmacher für schnelle Erfolge. Wohl wissend, dass seine Kader-Athletinnen noch lange nicht den Zenit ihrer Leistungsfähigkeit erreicht haben, mahnt er zu Geduld und plant langfristig. Er weiß, dass gut Ding Weile haben will. Und zwar aus eigener Erfahrung. Denn seine persönlichen Bestzeiten lief er mit 23, ist also ein Praktiker durch und durch.

800 Meter in 1:52,61 und 1.500 Meter in 3:53,77 Minuten – seine Bestzeiten auf den Mittelstrecken. Indizien, dass Sebastian Weiß für die Trainertätigkeit wichtige Erfahrung mitbringt. Er wurde norddeutscher und westdeutscher Meister. In der Nähe von Bremen und in Schleswig-Holstein aufgewachsen, zog es ihn nach Abitur und Zivildienst nach Köln. Während seines Studiums der Sportwissenschaften trat er 2008 beim ASV Köln seinen ersten Trainerjob an – und hat sich seitdem Schritt für Schritt voran gearbeitet.

Von Köln nach Leverkusen

2013 schloss er sein Studium als „Master of Science“ an der Deutschen Sporthochschule Köln ab. Als Adi Zaar 2012 als DLV-Bundestrainer am Olympiastützpunkt Saarbrücken eine neue Aufgabe übernahm, sprang Sebastian Weiß beim TSV Bayer 04 Leverkusen in die Bresche und übernahm den Mittelstrecken-Nachwuchs. Ein Jahr später stieß seine heutige Musterschülerin zur Gruppe: Konstanze Klosterhalfen. Sie und ihr Trainer haben sich seither rasant entwickelt.

„Er hat im Training und kurz vor dem Start bei Wettkämpfen immer den richtigen Tipp, ich kann mich voll auf ihn verlassen. Die Arbeit ist sehr vertrauensvoll“, kommentiert die 21-Jährige, die 2017 800 Meter unter zwei Minuten (1:59,65 min), 1.500 Meter unter vier Minuten (3:58,92 min) und 5.000 Meter unter 15 Minuten (14:51,38 min) rannte und Ende Februar über 3.000 Meter den deutschen Hallen-Rekord auf 8:36,01 Minuten verbesserte – alles Achtungszeichen, die weltweites Echo auslösten.

Cross-EM als Schlüsselerlebnis

„Wir verstehen uns blind“, bekräftigt ihr Heim- und Bundestrainer – und verrät, was neben besonderem Talent möglicherweise ausschlaggebend für die Leistungsentwicklung ist: „Wir trainieren relativ viel im Kraftbereich und bauen prophylaktische Übungen im Training ein, beispielsweise Fußkräftigung im Sand oder auch Yoga.“ Ein zentrales Schlüsselerlebnis sei im Dezember 2015 der U20-Titel bei den Cross-Europameisterschaften gewesen. Und 2016, als sie mit ihrem beeindruckenden 1.500-Meter-Sieg bei den Deutschen Meisterschaften als Jugendliche in der Frauenklasse dominiert habe. Da sei klar gewesen, da kommt etwas.

Allerdings weist Sebastian Weiß mit Vehemenz darauf hin, dass der DLV im Mittel- und Langstreckenbereich über weitere international konkurrenzfähige Athletinnen verfügt, so unter anderem Universiade-Siegerin und WM-Finalistin Hanna Klein (SG Schorndorf) sowie U23-Cross-Europameisterin Alina Reh (SSV Ulm 1846). Für die <link https: www.google.de>Heim-EM in Berlin (7. bis 12. August) strebe er an, auf allen Mittel- und Langstrecken einige Läuferinnen mit großem Potenzial ins Rennen zu schicken.

Heim-EM setzt Kräfte frei

„Wir spüren, dass diese Europameisterschaften für viele Athletinnen etwas Besonderes sind und sie dort auf jeden Fall dabei sein möchten. Das setzt zusätzliche Energien frei. Natürlich wollen wir diesen Schwung auch weiter transportieren Richtung Olympia 2020 und darüber hinaus“, sagt Sebastian Weiß. „Meine Ziele sind, meine Athletinnen und Athleten zu motivieren und zu unterstützen, ihre individuellen Ziele zu erreichen und ihre sportliche Leistung und Persönlichkeit zu entwickeln“, erklärt er – auch auf seine Schützlinge im Verein bezogen.

Im Herbst 2016 übernahm er beim TSV Bayer 04 Leverkusen als Nachfolger von Paul Heinz Wellmann die Gesamtverantwortung für den Laufbereich. Bei Henning von Papen, den er im Januar im Amt des Bundestrainers für den Mittel- und Langstreckenbereich der Frauen abgelöst hat, hat er einst beim ASV Köln selbst trainiert. „Seine Philosophie hat mich natürlich geprägt. Einige Tempolaufprogramme habe ich von ihm übernommen“, offenbart Sebastian Weiß.

Vielfältige Erfahrungen gesammelt

Als Athlet habe er aber in unterschiedlichen Vereinen mit unterschiedlichen Trainern vielfältige Erfahrungen sammeln können und unterschiedliche Trainingskonzepte kennengelernt. Ebenso in seinen Stationen als Trainer und während seines Studiums der Sportwissenschaften. „Ich habe aus diesen Erkenntnissen das für mich Leistungsentscheidende herausgezogen und setze dieses im Training um“, erläutert Sebastian Weiß.

Trainer sei sein Traumberuf, sagt der junge Erfolgscoach. Allerdings habe er auch mit dem Management geliebäugelt. „Während des Sportstudiums habe ich in der Kölner Agentur Rosenbaum & Nagy für das Diabetes-Programm Deutschland gearbeitet. Da habe ich gemerkt, dass es mir liegt, beides zu vereinen, die Organisation und das Auf-dem-Platz-stehen, also nicht nur vor dem Rechner zu sitzen“, veranschaulicht er. „Jetzt kann ich zudem meine Leidenschaft leben.“

In Birmingham allein am Ruder

Bei den Hallen-Weltmeisterschaften Anfang März in Birmingham (Großbritannien) trug er als Bundestrainer erstmals alleine die Verantwortung für die deutschen Mittelstrecklerinnen. Zwei Tage später flog er mit ihnen nach Flagstaff ins Höhentrainingslager. Noch bis Mitte nächster Woche wird im US-Bundesstaat Arizona an der Form für die EM-Saison gefeilt.

Der TSV Bayer 04 Leverkusen hat mit Moritz Elze im Herbst einen neuen Trainer für den Jugendbereich engagiert. Mit dem überraschenden dritten Platz von Alexandra Lang über 3.000 Meter bei den Deutschen U20-Hallenmeisterschaften in Halle/Saale konnte der 24-Jährige kürzlich auch bereits einen ersten Erfolg feiern. Wie es auf der Karriereleiter weitergehen kann – sein Ziehvater beweist es eindrucksvoll.

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