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LANGHÜRDEN FRAUEN | Deutsche Hürdenläuferinnen mit Quantensprung

Es war ein intensives Jahr für die Leichtathletik. Weltmeisterschaften in den USA. Europameisterschaften im eigenen Land. Und auch der Nachwuchs war international gefordert. Was bleibt in Erinnerung? Wir werfen einen Blick zurück auf dieses besondere Jahr 2022. Heute: Langhürden der Frauen.
Nicolas Walter

Das ist 2022 passiert

Auch in diesem Jahr führte an der deutschen Spitze kein Weg an Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen) vorbei. Zum vierten Mal hintereinander triumphierte die 27-Jährige bei den Deutschen Meisterschaften und wie bereits im vergangenen Jahr thront die Sindelfingerin auch in der deutschen Jahresbestenliste ganz oben. Bei der WM in Eugene (USA) konnte sie ihr Leistungspotential dagegen nicht abrufen und schied nach dem Vorlauf aus.

Doch dass Carolina Krafzik den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht, bewies sie trotz unglücklichen Ausgangs im Finale bei der Heim-EM in München. Beinahe hätte sie in der bayerischen Landeshauptstadt auf dem Podest gestanden. Nur knapp hinter der späteren Siegerin Femke Bol (Niederlande) bog die Deutsche auf die Zielgerade ein. Das Stadion tobte angesichts der Medaillenchance, doch plötzlich kam die Deutsche Meisterin aus dem Rhythmus und verlor an der letzten Hürde nicht nur Schwung, sondern auch die Chance auf Edelmetall. Am Ende blieb ihr Rang acht.

Während an der deutschen Spitze also alles beim Alten blieb, gab es in der Verfolgerposition ein neues Gesicht. Und doch ist Gisèle Wender (SV Preußen Berlin), die in Berlin überraschend zum Vize-Titel lief, keine Unbekannte. Vor vier Jahren galt die heute 21-Jährige als größtes deutsches Talent über 400 Meter Hürden. So konnte sie bei der U18-WM 2018 in Nairobi (Kenia) Bronze gewinnen, bei der U18-EM in Györ (Ungarn) kürte sie sich gar zur Europameisterin. Gleichzeitig musste Giséle Wender aber auch feststellen, dass der Erhalt dieses Leistungsniveaus viel Zeit einfordert. Daher trat sie nach ihren Erfolgen auf der internationalen Nachwuchs-Bühne kürzer und konzentrierte sich vor allem auf ihr Abitur.

Doch der Sport auf Leistungsniveau sollte ihr fehlen. Zunächst ausgebremst von einigen Verletzungen, steigerte sie allmählich die Intensität und kehrte in diesem Jahr auf die Wettkampf-Bühne zurück. In 55,84 Sekunden gelang ihr bei der DM schließlich ein wahrer Leistungssprung, um knapp drei Sekunden konnte sie sich im Vergleich zu 2018 steigern. Bei ihrem ersten internationalen Auftritt bei den Aktiven konnte sie zwar nicht an ihre Bestzeit heranlaufen, auf die Erfahrung der Heim-EM, bei der sie im Vorlauf ausschied, kann Giséle Wender aber auch in Zukunft aufbauen.

Auch Eileen Demes (TV 1861 Neu-Isenburg) durfte in München wichtige internationale Erfahrung sammeln. Doch auch für die Dritte der deutschen Jahresbestenliste, die ihre Bestzeit bei den Deutschen Meisterschaften auf 56,12 Sekunden schraubte, war nach dem Vorlauf Endstation.  

Im Nachwuchs-Bereich konnten sich die Deutsche U20-Meisterin Vivienne Morgenstern (Dresdner SC) sowie die Deutsche U20-Vize-Meisterin Lara-Noelle Steinbrecher (SC Magdeburg) bei den U20-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien) dagegen für das Halbfinale qualifizieren, wo sie schließlich ausschieden.

 

Internationale Erfolge

  Medaille Finalplatzierung
EYOF –  – 
U18-EM  – – 
U20-WM – 
EM –  8. Platz: Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)
WM –  – 

Unser "Ass des Jahres"

Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen)

Deutsche Meisterin
8. Platz EM
Platz eins deutsche Jahresbestenliste

Unser "Talent des Jahres"

Gisèle Wender (SV Preußen Berlin)

Deutsche Vizemeisterin
Platz zwei deutsche Jahresbestenliste
Platz eins deutsche U23-Jahresbestenliste
 

Die deutschen Top Ten 2022

400 Meter Hürden

Zeit Name Jahrgang Verein
54,32 Carolina Krafzik 1995 VfL Sindelfingen
55,84 Gisèle Wender 2001 SV Preußen Berlin
56,12 Eileen Demes 1997 TV 1861 Neu-Isenburg
56,16 Annina Fahr 1993 TUS Gottmadingen
57,18 Djamila Böhm 1994 LC Rehlingen
57,31 Elena Kelety 1999 LT DSHS Köln
57,51 Sylvia Schulz 1999 TSV Bayer 04 Leverkusen
57,83 Melanie Böhm 2000 VfL Sindelfingen
58,36 Vivienne Morgenstern 2003 Dresdner SC
58,40 Lara-Noelle Steinbrecher 2003 SC Magdeburg

Statistik –  Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: 400 Meter Hürden

Jahr =/< 56,00 sec* Schnitt Top 3 Schnitt Top 5 Schnitt Top 10
2005 2 55,88 56,25 57,71
2006 1 56,02 56,54 57,59
2007 3 55,58 56,29 57,51
2008 1 56,69 57,16 57,69
2009 2 56,17 56,47 57,15
2010 1 56,21 56,49 57,37
2011 57,14 57,34 57,37
2012 57,01 57,29 57,84
2013 57,52 57,86 58,33
2014 56,70 57,07 57,85
2015 56,89 57,43 58,01
2016 57,02 57,38 57,85
2017 1 56,54 57,24 58,13
2018 57,12 57,62 58,47
2019 1 56,16 56,43 57,50
2020 2 56,02 56,69 58,02
2021 1 56,39 57,01 57,72
2022 2 55,43 55,92 56,90

Jahresbestleistungen im internationalen Vergleich

Jahr Deutschland Europa Diff. Welt Diff.
2005 55,59 (C. Marx) 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69 52,90 (Pechonkina/RUS) 2,69
2006 54,80 (C. Marx) 53,14 (Nosova/RUS) 1,66 53,02 (Demes/USA) 1,78
2007 55,21 (U. Urbansky) 53,50 (Pechonkina/RUS) 1,71 53,28 (Williams/USA) 1,93
2008 55,73 (J. Tilgner) 53,84 (Danvers/GBR) 1,89 52,64 (Walker/JAM) 3,09
2009 55,71 (J. Tilgner) 53,95 (Morosanu/ROU) 1,76 52,42 (Walker/JAM) 3,29
2010 55,49 (F. Kohlmann) 52,92 (Antyukh/RUS) 2,57 52,82 (Demus/USA) 2,67
2011 56,97 (C. Klopsch) 53,29 (Hejnova/CZE) 3,68 52,47 (Demus/USA) 4,50
2012 56,27 (T. Kron) 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57 52,70 (Antyukh/RUS) 3,57
2013 56,83 (C. Klopsch) 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00 52,83 (Hejnova/CZE) 4,00
2014 56,02 (C. Klopsch) 54,39 (Child/GBR) 1,63 53,41 (Spencer/USA) 2,61
2015 56,55 (C. Klopsch) 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05 53,50 (Hejnova/CZE) 3,05
2016 56,19 (J. Baumann) 53,55 (Petersen/DEN) 2,64 52,88 (Muhammad/USA) 3,31
2017 55,72 (J. Baumann) 53,93 (Hejnova/CZE) 1,79 52,64 (Muhammad/USA) 3,08
2018 56,54 (D. Böhm) 54,33 (Sprunger/SUI) 2,21 52,75 (McLaughlin/USA) 3,79
2019 55,64 (C. Krafzik) 54,06 (Sprunger/SUI) 1,58 52,16 (Muhammad/USA) 3,48
2020 55,53 (J. Baumann) 53,79 (Bol/NED) 1,74 53,79 (Bol/NED) 1,74
2021 54,72 (C. Krafzik) 52,03 (Bol/NED) 2,69 51,46 (McLaughlin/USA) 3,26
2022 54,32 (C. Krafzik) 52,27 (Bol/NED) 2,05 50,68 (McLaughlin/USA) 3,64

Das fällt auf:

  • Als erste Frau blieb sie unter 51 Sekunden: Sydney McLaughlin (USA) holte sich bei der WM in Eugene (USA) in neuer Fabelzeit von 50,68 Sekunden den Titel.
  • Auf europäischer Bühne triumphierte Femke Bol. Die Niederländerin gewann bei der EM mit 52,67 Sekunden.
  • Die deutschen 400-Meter-Hürden-Läuferinnen haben in diesem Jahr den Sprung auf ein neues Level geschafft. Angeführt von Carolina Krafzik sind sowohl die Durchschnittswerte der deutschen Top3, der Top5 als auch der Top10 so stark wie nie zuvor seit Einführung der Disziplin-Checks auf leichtathletik.de. Die Werte haben sich derart verbessert, dass von einem Quantensprung gesprochen werden kann.
  • Während der Abstand der besten deutschen Läuferin Carolina Krafzik zur Weltspitze aufgrund des Weltrekordes von Sydney McLaughlin angewachsen ist (3,64 sec), ist der Rückstand auf die europäische Spitze im Vergleich zum Vorjahr geschmolzen (2,05 sec).
  • Zwischen 2011 und 2016 schaffte es keine deutsche Läuferin, das Jahr unter 56 Sekunden abzuschließen. Mit Carolina Krafzik und Gisèle Wender gab es 2022 gleich zwei Athletinnen, die unter dieser Marke blieben.
  • Mit Vivienne Morgenstern und Lara-Noelle Steinbrecher haben es bei der U20-WM zwei Deutsche ins Halbfinale geschafft. Bei der U18-EM in Jerusalem waren dagegen keine deutschen Teilnehmerinnen am Start.

leichtathletik.TV-Clips zum Langsprint

400 Meter Hürden

Zu den weiteren Disziplin-Checks:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer

* als Referenzwert dienen die WM-Normen des Jahres 2017

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