| Rückspiegel

Mein Moment 2018 – Christina Schwanitz und die Kraft der „Krümel“

Kaum zu fassen: Das EM-Jahr 2018 ist schon fast Geschichte! So vieles ist passiert in den vergangenen Monaten. Manches scheint schon so weit weg, anderes ist präsent, als wäre es gestern passiert. Wir wollen das Jahresende dazu nutzen, auf Highlights zurückzublicken. Aus einer ganz persönlichen Perspektive, für die in all unseren News und Geschichten bisher kein Platz war. Heute im Fokus: Christina Schwanitz und ihr bewundernswerter Weg zu EM-Silber.
Peter Schmitt

Ihr herzhaftes Lachen geht einem durch Mark und Bein und verwandelt Traurigkeit oft in Zuversicht. Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) ist eine sächsische Frohnatur und eigentlich immer gut drauf. Eigentlich. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg holte sie in diesem Jahr mit 20,06 Metern den Titel im Kugelstoßen, präsentierte sich als Europas Nummer eins in Topform. Und das ein Jahr nach der Geburt ihrer Zwillinge, die sie liebevoll ihre „Krümel“ nennt. Ein Kosename, der von ihrer Schwiegermutter in Nordrhein-Westfalen stammt.

Wie eng Freud und Leid im Spitzensport zusammenhängen, zeigten der 20. und 21. Juli in diesem Jahr. Auf dem Hauptmarkt in Nürnberg strahlte die 32-Jährige nach ihrem Titelgewinn mit der Sonne um die Wette. Einen Tag später wäre der Traum für Christina Schwanitz von den Europameisterschaften in Berlin beinahe geplatzt, denn auf dem Weg von Chemnitz zum Besuch ins Aktuelle Sportstudio in Mainz hatte sie auf der Autobahn einen Auffahrunfall. An ihrem Wagen entstand Totalschaden.

Fragen über Fragen, aber zunächst ohne Antworten

Ich habe davon am Ende des ersten DM-Wettkampftages im Nürnberger Max-Morlock-Stadion erfahren. ZDF-Regisseur Achim Hammer hatte es mir mitgeteilt und kurzfristig wurde Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz (TV Wattenscheid 01) neben Diskus-Olympiasieger Christoph Harting (SCC Berlin) nach Mainz zum Interview mit Kathrin Müller-Hohenstein eingeflogen.

Wie geht es Christina? Ist die EM in Gefahr? Warum ist sie selbst gefahren? Fragen über Fragen, aber zunächst keine Antworten. Die Medien wurden immer ungeduldiger, aber in all den Jahren habe ich gelernt: Informationen in der medialen Welt müssen immer transparent sein, aber vor allem richtig und gut recherchiert. Gerade in einer schnelllebigen Zeit, in der Social-Media-Kanäle oft den Takt vorgeben.

Entwarnung nach Verkehrsunfall auf der Autobahn

Teilweise Entwarnung brachte schließlich ein Anruf einen Tag nach dem Unfall bei Christinas Trainer Sven Lang. „Sie ist zur Untersuchung im Krankenhaus. Wir müssen abwarten, aber ich bin zuversichtlich“, lautete sein erster Kommentar. Die endgültige Diagnose: Schleudertrauma, Gleichgewichtsprobleme sowie ein Haarriss an der rechten Stoßhand. Die Hand wurde in Gips gelegt.

Noch blieben knapp zehn Tage Zeit und wer Christina Schwanitz kennt, weiß: Sie ist eine Kämpferin der Extraklasse. Geduldig, professionell und mit einer klaren Zielsetzung hatte sie sich im Trainingslager im Bundesleistungszentrum Kienbaum weiter vorbereitet. Absolvierte professionell die Medienanfragen, trainierte konzentriert und gab schließlich grünes Licht für ihren Start bei der EM. Aufatmen bei allen Beteiligten: den Fans, den Trainerm, den Athleten und den Medien.

Kein Hattrick, aber grandioses Comeback nach Babypause

Viele erwarteten von ihr im Berliner Olympiastadion den Hattrick als Europameisterin. Am Ende gab es nach einem souveränen Auftritt in der Qualifikation im Finale Silber mit 19,19 Metern. Die Polin Paulina Guba hatte sich den Titel mit 19,33 Metern geschnappt. Christina war enttäuscht. Sie hatte mehr drauf, konnte es aber an diesem Abend nicht abrufen.

Doch für mich war sie trotzdem eine der herausragenden Heldinnen der EM 2018, denn sie hat knapp ein Jahr nach der Geburt ihrer “Krümel“, die für Christina Schwanitz Gold wert sind, ein grandioses Comeback gegeben, was nur mit einem einzigartigen Willen und hartem Training möglich ist. Nach sechs Monaten Babypause schaffte sie 17 Meter im Training. Ein Jahr danach ist sie auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio (Japan) wieder in der Weltklasse angekommen. Christina und die Kraft der „Krümel“ machen es möglich.

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