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Annika Marie Fuchs – Mit dem Speer in neuen Sphären

Sie ist Deutschlands Shooting-Star im Speerwurf, hat sich kürzlich um sechs Meter verbessert und am Wochenende mit rekordverdächtigem Vorsprung den Titel bei der U23-DM in Wetzlar gewonnen: Annika Marie Fuchs. Die 22-jährige Athletin des SC Potsdam hat vor drei Jahren den Weg eingeschlagen, der ihr nun den Erfolg bringt.
Michael Wiener

Den 26. Mai 2019 wird Annika Marie Fuchs so schnell nicht vergessen. Offenburg, das Speerwurf-Meeting, fünfter Versuch. Bis dato hatte die 22-Jährige noch nicht richtig in den Wettkampf gefunden. Doch dann diese Rakete! Annika Marie Fuchs sieht, wie der Speer jenseits der 60-Meter-Marke landet, und schlägt die Hände vors Gesicht. Das Warten auf die offizielle Weite beginnt.

Sie schaut ungläubig in alle Richtungen, Trainer Burkhard Looks gestikuliert vor Freude einige Meter entfernt. Dann das Resultat: 62,36 Meter. U23-EM-Norm erfüllt, WM-Norm erfüllt, die Bestweite aus dem Vorjahr um sechs, den jüngsten Hausrekord zwei Tage zuvor in Schönebeck um fast drei Meter gesteigert. Annika Marie Fuchs vergräbt ihr Gesicht wieder in den Händen, sackt wie vom Blitz getroffen auf den Boden und bricht in Tränen aus. Freudentränen natürlich, denn diese Leistungsexplosion hatte sie so nicht auf dem Radar.

"Das ist eine neue Sphäre für mich"

Mittlerweile sind drei Wochen seit dem großen Tag vergangenen, und Annika Marie Fuchs kann mit ein wenig mehr Abstand zurückblicken. „Das ist eine neue Sphäre für mich, das ist sehr überwältigend. Ich muss erstmal damit umgehen. Das ist schon ein paar Wochen her, aber es ist noch nicht richtig bei mir angekommen“, erzählt die Psychologie-Studentin am Rande der Deutschen U23-Meisterschaften in Wetzlar.

In die vergangene Saison war sie mit einer Bestleistung von 51,32 Meter gegangen, hatte sich dann um etwas mehr als fünf Meter gesteigert. Nun folgten auf einen Schlag weitere knapp sechs Meter. Ein Paukenschlag, zweifelsohne. Die Weltmeisterschaften in Doha dürften nun in ihren Terminplan rutschen, die geforderten 61,50 Meter hat die Potsdamerin nachgewiesen. In Deutschland hat in diesem Jahr nur Europameisterin Christin Hussong vom LAZ Zweibrücken weiter geworfen.

In Wetzlar folgt das zweite 60-Meter-Ergebnis

In der U23 ist die 22-Jährige konkurrenzlos. Der deutsche Meistertitel in Wetzlar? Reine Formsache. Dennoch: Titel ist Titel, und die Bedeutung möchte sie trotz großer Überlegenheit nicht unter den Tisch kehren. „Eine Deutsche Meisterschaft ist immer etwas Besonderes. Ich war vor dem Wettkampf aufgeregt, wie immer. Es macht riesig Spaß, auch wenn ich früh weit geführt habe“, erzählt sie in der Mixed Zone des mittelhessischen Stadions.

Als Titelverteidigerin war sie angereist, letztlich hatte sie mehr als acht Meter zwischen sich und die Konkurrenz gelegt. Zum zweiten Mal in ihrem Leben knackte sie die 60-Meter-Marke ( ). „Jedes Mal dort drüber ist absolut top, von daher bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden“. Gestartet war sie trotz sommerlicher Temperaturen erneut in langer Hose – wie auch schon in Offenburg.

Von Cottbus nach Potsdam

Vater des Erfolges scheint zweifelsohne Burkhard Looks zu sein. Der frühere 85-Meter-Werfer im Trikot des SC Turbine Erfurt hinterließ bis vor wenigen Jahren große Spuren in Thüringen und formte unter anderem Olympiasieger Thomas Röhler. Seit Ende des Jahres 2013 wirkt er in Potsdam, hat dort mit dem Wurfhaus perfekte Trainingsbedingungen und kümmert sich am Bundesleistungszentrum um die Speerwerfer. Sein erfolgreichster Schützling aktuell ist Bernhard Seifert, der frühere U23-EM-Dritte, der das Wurfgerät in Offenburg kürzlich auf über 89 Meter jagte und damit einen ähnlichen Leistungssprung machte wie Annika Marie Fuchs.

Vor drei Jahren zog es die passionierte Künstlerin („dazu bleibt leider nur wenig Zeit“) aus ihrer Heimat Cottbus nach Potsdam. In der Lausitz hatte sie die Sportschule besucht, dort zu einer Hürden- und Weitsprung-Trainingsgruppe gehört und sich dort nach einigen Jahren mit Schwerpunkt Block-Mehrkampf auf den Speer spezialisiert. Nun war es Zeit für den nächsten Entwicklungsschritt.

„Meine athletischen Fähigkeiten waren immer gut. Ich hatte nur große Technikprobleme. Die ersten zwei Jahre haben wir zum Einspielen gebraucht. So langsam funktioniert das, was mein Trainer von mir will, und ich kann das auch umsetzen“, erklärt die U20-WM-Teilnehmerin von 2016. „Es funktioniert immer ganz gut, wenn er mich ein bisschen reizt. Wenn er sagt: ‚das ist schlecht, was du machst‘. Oder ‚ich gucke mir das jetzt nicht mehr an und gehe‘. Dann sage ich mir: ‚jetzt erst recht‘.“

Leistungssport, Studium, Nebenjob

Nach der etwas längeren Anlaufzeit haben Burkhard Looks und sein Schützling also ihre gemeinsame Wellenlänge gefunden. Die Rahmenbedingungen passen für die 22-Jährige in Potsdam. In der Trainingsgruppe mit Bernhard Seifert, den zwei Jahre jüngeren Elisabeth Postier und Isabell Heisig (in Wetzlar 12. bzw. 19.), Kaderathlet Finn-Ole Helbig sowie einigen Nachwuchsathleten fühlt sich Annika Marie Fuchs ebenso wohl wie in der Landeshauptstadt Brandenburgs.

„Als meine Heimat bezeichne ich immer noch Cottbus, wo meine Familie lebt. Aber ich habe mich in Potsdam gut eingelebt, es ist eine wunderschöne Stadt. Ich arbeite gelegentlich noch in einem Café, beim Studium kommt mir die Universität sehr entgegen. Es passt alles sehr gut im Moment“, erzählt sie.

Nun beginnt für Annika Marie Fuchs die Vorbereitung auf die U23-EM in Gävle (Schweden; 11. bis 14. Juli). Die Saison sei bislang noch nicht optimal verlaufen, im Kraftbereich habe sie noch keine Trainingsphase eingelegt. Das gelte es jetzt nachzuholen, „aber natürlich nicht zu dolle“. Dann möchte sie auf ein gutes Niveau kommen und in Schweden nach einer Medaille greifen. Es wäre ihr erstes internationales Edelmetall. Und eine vorläufige Krönung ihres Weges, den sie vor drei Jahren mit dem Wechsel aus der Heimat Cottbus nach Potsdam eingeschlagen hat.

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