| Interview der Woche

Leni Freyja Wildgrube: "Olympische Medaille am wertvollsten für mich"

Ob bei Regen oder Sonnenschein: Leni Freyja Wildgrube war bei den Olympischen Jugendspielen in Buenos Aires die überragende Stabhochspringerin. Die 17-Jährige hatte deshalb die Ehre, bei der Abschlussfeier vergangenen Donnerstag die deutsche Fahne zu tragen. Was die Sportschülerin aus Potsdam in Zukunft vor hat, auf welche neuen Stäbe sie umsteigt und wie es mit ihrer Zweitdisziplin – dem Hürdensprint – weitergeht, berichtet sie im Interview.
Pamela Lechner

Leni, du hast nun schon drei internationale Medaillen gewonnen, Silber bei der U18-WM 2017 in Nairobi sowie 2018 jeweils Gold bei der U18-EM in Györ und den Olympischen Jugendspielen in Argentinien. Welche Medaille bedeutet dir am meisten und warum?

Leni Freyja Wildgrube:

Die Goldmedaille von Buenos Aires bedeutet mir am meisten. Olympische Jugendspiele sind nochmal etwas anderes als ein reiner Leichtathletik-Wettkampf wie Europa- oder Weltmeisterschaften. Es waren hier viel schwierigere Bedingungen. Wir waren nicht nur eine Woche hier und haben uns auf den Wettkampf vorbereitet, sondern waren drei Wochen dort und hatten drumherum noch das "Learn & Share-Programm". Dazu kam ein anderes Wettkampfsystem, nicht das gewohnte Quali- und Finalspringen. Es war einfach ein riesiger Wettkampf und daher ist diese Medaille bis jetzt am wertvollsten für mich.

Es gab zwei gleichwertige Wettbewerbe, deren Ergebnisse für das Endresultat addiert wurden. Beim ersten Wettkampf hat es geregnet. Es war für dich das erste Mal überhaupt, dass du bei Regen Stabhochsprung gemacht hast. Wie bist du mit der Situation umgegangen?

Leni Freyja Wildgrube:

Das ging eigentlich relativ gut. Ich wusste schon vorher, dass es recht kalt werden würde und regnen soll, weil ich auf den Wetterbericht geschaut habe. Ich habe mich aber nicht verunsichern lassen. Ich hatte ein megagutes Gefühl beim Einspringen, als es noch nicht geregnet hat. Ich war mir sehr sicher, dass der Wettkampf gut werden würde und habe mir daher nicht so viele Gedanken gemacht. Als ich eingestiegen bin und es noch kühler und verregneter wurde, war es schon schwieriger, aber ich bin damit ziemlich gut klargekommen.

Die Höhe im ersten Wettkampf (3,95 m) war wegen der Bedingungen natürlich nicht so hoch. Dafür konntest du bei Sonnenschein im zweiten Event als einzige Athletin bis über 4,17 Meter fliegen. Es hat dich Stabhochsprung-Teamleiterin Christine Adams betreut. Was hat sie vor dem Wettkampf und währenddessen zu dir gesagt?

Leni Freyja Wildgrube:

Vor dem Wettkampf hat sie gar nicht so viel gesagt. Da gibt es ja Trainer, die zu dir sagen: "Du kannst das gewinnen!" und dir so Druck machen. Aber Christine war relativ entspannt, sie hat mich nicht unter Druck gesetzt, das fand ich ganz gut. Ich denke, sie wusste, dass ich etwas reißen kann. Sie hat mich wie vor dem entscheidenden Wettkampf und wie im Training gecoacht und war ganz ruhig und gelassen.

Als du als Jugend-Olympiasiegerin feststandest, hast du 4,27 Meter – einen Zentimeter mehr als deine Besthöhe auflegen lassen und dreimal gerissen. In einigen Wettkämpfen hattest du auch versucht, die deutsche U18-Bestleistung (4,32 m) zu verbessern. Was glaubst du, warum es mit dem Rekord trotz deiner guten Form in dieser Saison nicht ganz geklappt hat?

Leni Freyja Wildgrube:

Bei vielen Wettkämpfen war es so, dass ich vor dem Angriff auf den Rekord schon sehr viele Sprünge gemacht habe und schon relativ platt war. Eigentlich hätte ich locker die Energie und das Zeug dafür, die Höhe zu springen, aber es hat jedes Mal irgendetwas nicht gepasst. Das war schon ärgerlich und schade. Aber es ist auch nicht schlimm, ich bin jetzt nicht traurig darüber, dass es nicht geklappt hat.

Nun steht der Wechsel in die nächsthöhere Altersklasse bevor. Was möchtest du in den kommenden beiden U20-Jahren erreichen?

Leni Freyja Wildgrube:

Ich möchte auf jeden Fall nächstes Jahr an den U20-Europameisterschaften in Schweden teilnehmen. Und ich möchte natürlich Bestleistungen springen. Dafür will ich mein Niveau und meine Technik verbessern. Ich steige wahrscheinlich auch auf andere Stäbe um. Und 2019 möchte ich zur U20-WM. Mal schauen, was so geht und wie ich mich so entwickle.

Was sind das für neue Stäbe und was ist der Unterschied zu deinen jetzigen Stäben?

Leni Freyja Wildgrube:

Es ist eine andere Marke. Jetzt springe ich gerade Carbon-Stäbe, die in Deutschland hergestellt werden. Wir haben geplant, dass ich diesen Sommer auf Stäbe der Marke Spirit umsteige. Die Stäbe sind aus Glasfaser und springen sich anders. Meine jetzigen Stäbe biegen sich nicht so stark, dadurch ist der Sprung ziemlich schnell vorbei. Die neuen Stäbe biegen sich mehr und sind etwas langsamer, so dass ich länger Zeit habe, am Stab zu turnen und mehr auf Technik zu springen.

Ist deine Motivation, an den richtigen Olympischen Spielen teilzunehmen, nach dem Erlebnis in Buenos Aires nochmal gestiegen? Tokio 2020 kommt vermutlich noch zu früh für dich...

Leni Freyja Wildgrube:

Es hat bei mir auf jeden Fall die Neugier geweckt, zu sehen, wie es bei den richtigen Olympischen Spielen ist. Es kommt darauf an, wie ich mich entwickle. Wenn es so weitergeht wie bisher, ist Tokio ganz vielleicht möglich. Es kommt auch darauf an, wie die deutsche Konkurrenz springt. Aber ich denke eher, es wird 2024 werden.

So weit bist du von einer Olympianorm auch nicht mehr entfernt. Welche Höhen traust du dir noch zu und woran wirst du mit deinem Trainer Toralf Neumann arbeiten?

Leni Freyja Wildgrube:

Ziel für die nächste Saison ist eine Höhe von 4,35 Meter. Wenn es gut läuft, traue ich mir auch eine 4,40 Meter zu. In diese Richtung wird es gehen. Wir werden viel an der Technik arbeiten. Bisher haben wir auch viel allgemeines Training gemacht, Sprint- und Kraftfähigkeiten trainiert. Jetzt geht es mehr darum, einen schönen Technik-Sprung aufzubauen.

Wie sieht es denn mit deiner Zweit-Disziplin, dem Hürdensprint, aus? Werden wir dich bei der Jugend-Hallen-DM wieder Hürden laufen sehen? In diesem Jahr bist du ja immerhin Deutsche U20-Vizemeisterin in der Halle und unter freiem Himmel geworden...

Leni Freyja Wildgrube:

Ja, das habe ich wieder vor. Ich werde eine lockere Wintersaison machen und im Stabhochsprung nur aus kurzem Anlauf springen. Nach der langen Saison mache ich jetzt erstmal zwei bis drei Wochen Pause und steige dann mit allgemeinem Training ein. Dann schauen wir, was möglich ist. Ich möchte in der Halle den Fokus sehr gerne auf die Hürden legen und auch im Sommer wieder über die Hürden starten. Das möchte ich so lange wie möglich beibehalten, wenn es mit der Gesundheit und dem Training klappt.

Nochmal zurück zu Buenos Aires: Wie hast du bei den Olympischen Jugendspielen die Stimmung im deutschen Team erlebt und welche Wettkämpfe anderer Sportarten hast du gesehen?

Leni Freyja Wildgrube:

Die Stimmung war richtig gut. Natürlich kann man nicht mit allen Kontakt haben, weil wir so viele waren. Wir Leichtathleten waren viel zusammen und haben unsere Sportler aus anderen Sportarten gefunden. Es versteht sich jeder mit jedem gut. Vor meinem eigenen Wettkampf war ich oft beim Turnen. Auch Fechten, Teakwondo, Judo und Moderner Fünfkampf habe ich angeschaut – Sportarten, die im Olympischen Park in der Nähe waren.

Das Stabhochsprung-Training enthält auch turnerische Elemente. In der fünften und sechsten Klasse warst du selbst zwei Jahre im Leistungsturnen, hast dich dann aber für die Leichtathletik entschieden. Eines deiner sechs jüngeren Geschwister eifert dir mittlerweile nach...

Leni Freyja Wildgrube:

Mein jüngerer Bruder Wigurd ist jetzt in der siebten Klasse und besucht nun wie ich die Sportschule in Potsdam. Er will auch Stabhochsprung machen. Bei ihm steht die nächsten beiden Jahre wie bei allen noch allgemeines Sprint- und Sprungtraining im Mittelpunk. Dazu kommt ein bis zweimal die Woche Stabhochsprung-Training, das dann immer mehr werden soll. Ich bin wohl so eine Art Vorbild für ihn.

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