| Interview der Woche

Lisa Mayer: „Ich will endlich wieder rennen!“

Mit 20 Jahren war Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar) schon Olympia-Vierte mit der Staffel und 200-Meter-Halbfinalistin in Rio. Doch vor der Heim-EM 2018 in Berlin musste die Studentin einen verletzungsbedingten Rückschlag hinnehmen. Im Interview spricht Lisa Mayer über ihren langen Weg zurück, Veränderungen im Training und ihre Ziele für die kommenden Jahre.
Martin Neumann

Lisa Mayer, wo erreichen wir Sie gerade?

Lisa Mayer:
Ich bin aktuell im Trainingslager auf Teneriffa, komme gerade vom Mittagessen und genieße die Sonne auf dem Balkon.

Teneriffa im März: Das hört sich gut an! Aber natürlich auch recht schweißtreibend. Wie läuft das Trainingslager?

Lisa Mayer:
Sehr gut. Wir legen hier die Grundlagen für die WM-Saison. Wobei ein Trainingslager im März für uns eher untypisch ist. Normalerweise fahren wir erst im April. Aber durch den besonderen Saisonverlauf mit den World Relays im Mai in Japan und der späten WM Ende September in Doha hat es sich so ergeben.

Trainingslager sind die eine Seite, Wettkämpfe die andere: Sie sind seit 415 Tagen nicht mehr mit einer Startnummer auf der Brust gestartet. Vermissen Sie dieses Ringen um den Sieg, das Kribbeln vor dem Startschuss?

Lisa Mayer:
Auf jeden Fall! Wenn ich den langen Zeitraum ohne Wettkampf betrachte, macht mich das schon wehmütig. Mir fehlt die Wettkampfsituation, schließlich trainiere ich dafür jeden Tag. Nicht zu vergessen das Zusammensein mit den Staffel-Mädels. Ich freue mich, dass diese Zeit bald vorbei ist und ich in einigen Wochen wieder auf der Bahn stehe.

Sie wurden ausgerechnet 2018 vor der Heim-EM in Berlin von Ihrem Körper ausgebremst. Können Sie die Probleme kurz beschreiben?

Lisa Mayer:
Dazu habe ich damals nicht viel gesagt und möchte es heute immer noch nicht. Nur so viel: Es waren akute Probleme im Oberschenkelbeuger. Die finale Entscheidung auf die Saison zu verzichten, war unumgänglich und natürlich sehr enttäuschend. Auf der anderen Seite habe ich so die Chance bekommen, meinem Körper die nötige Ruhe zu gönnen und einen konsequenten Aufbau zu vollziehen. Darum glaube ich, dass diese lange Pause mir im Hinblick auf die kommenden Jahre guttun wird.

Die EM in Berlin wurde im August 2018 zu einer riesigen Leichtathletik-Party. Haben Sie die Wettkämpfe verfolgt oder konnten Sie sich die Rennen nicht anschauen, weil Sie halt nicht dabei sein konnten?

Lisa Mayer:
Ich habe probiert, die Situation nicht an mich rankommen zu lassen. Ich trainiere dafür, bei EM, WM oder Olympischen Spielen auf der Bahn zu stehen. Nicht dafür, in Berlin auf der Bahn zu stehen. Schade ist es natürlich trotzdem. Ein Heimpublikum kann mächtig Rückenwind verleihen und außerdem ist es schön, den Fans durch gute Leistungen etwas zurückgeben zu können. Ich habe die Wettkämpfe im Stadion verfolgt. Es war eine ganz neue, spannende Erfahrung. Denn man bekommt viel mehr mit als ein Athlet im Wettkampfstress. Außerdem hat mich die tolle Atmosphäre unheimlich motiviert.

Obwohl Sie selbst nicht auf der Laufbahn standen, waren Sie 2018 durch die „#TrueAthletes“-Initiative des DLV ein Gesicht der deutschen Leichtathletik. Wie haben Sie das ganze Drumherum mit Foto-Shootings und Videoaufnahmen erlebt?

Lisa Mayer:
Zunächst möchte ich sagen, dass es eine ganz tolle Kampagne ist. Bei „#TrueAthletes“ werden schöne, coole Geschichten erzählt. Und ich bin stolz darauf, beim Startschuss dabei gewesen zu sein, zumal ich zu dieser Zeit ja nicht auf der Bahn stand. Bei den Aufnahmen habe ich ganz unterschiedliche, aber allesamt tolle Leute kennengelernt, es waren spannende Erfahrungen.

Kommen wir von 2018 in die Gegenwart: Mittlerweile sind Sie wieder voll belastbar. Wie würden Sie Ihren aktuellen Leistungsstand beschreiben?

Lisa Mayer:
Ich habe im Juli mit dem Reha-Training begonnen. Schon früh haben wir dann entschieden, dass ich nicht in der Halle starte. Denn unser Ziel war es, mich stabil zu machen und eine solide Basis aufzubauen. Ich bin mit dem Prozess sehr zufrieden, auch wenn es Tage gibt, an denen es manchmal nicht so läuft wie gewünscht. Aber dann reagieren wir und passen den Trainingsplan an. Und noch einmal: Ich glaube, dass ich am Ende des Prozesses eine bessere Athletin bin, ganz nach dem Motto #comebackstronger. Denn so hatten wir die Chance, auch größere Veränderungen, beispielsweise in meiner Lauftechnik, anzupacken und umzusetzen. Das wird mir spätestens in den kommenden Jahren bei meiner Entwicklung helfen.

In welchen Bereichen legt Ihr Coach Rüdiger Harksen momentan die Trainingsschwerpunkte?

Lisa Mayer:
Wir decken die ganze Breite ab. Angefangen von Stabilisationsübungen über die Lauftechnik bis hin zum Krafttraining. Auch längere Tempoläufe stehen wieder auf dem Trainingsplan. Schließlich will ich ja auch wieder die 200 Meter laufen. Mein letztes Rennen über diese Strecke war im Mai 2017.

Erster Saisonhöhepunkt für die Sprinter sind die World Relays am 11./12. Mai in Yokohama (Japan). Dort sind Sie mit der DLV-Staffel „Titelverteidiger“ über 4x100 Meter. Liebäugeln Sie dort schon wieder mit einem Start in Yokohama?

Lisa Mayer:
Ja, ich möchte mich für die „World Relays“ empfehlen und in Yokohama auf der Bahn stehen. Nimmt man meinen jetzigen Leistungsstand, sollte das möglich sein. Welche vier Läuferinnen am Ende in der Staffel sind, entscheidet natürlich der Bundestrainer. Aber ich möchte mich in jedem Fall mit entsprechenden Leistungen anbieten.

Zwischen den World Relays und der WM in Doha liegen fast fünf Monate. Wie sieht ihr Saisonfahrplan bis Anfang Oktober aus?

Lisa Mayer:
Dazu kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht viel sagen. Wichtig ist für mich, Wettkämpfe zu bestreiten. Ich möchte wieder rennen! Nach den ersten Starts wird sich alles weitere ergeben.

Welche Strecke wird für Sie im Fokus stehen: die 100 oder die 200 Meter?

Lisa Mayer:
Beide parallel. Obwohl ich natürlich weiß, dass für die 200 Meter noch eine Menge Arbeit auf mich wartet. Aber ich liebe diese Strecke einfach und möchte sie wieder laufen.

Neben den Einzeldistanzen ist für die deutschen Sprinterinnen natürlich auch die Staffel von besonderer Bedeutung. Ist nach zwei vierten Plätzen bei den Olympischen Spielen 2016 und der WM 2017 für die DLV-Staffel in Doha eine Medaille möglich?

Lisa Mayer:
Wir sind momentan unheimlich gut aufgestellt: Die Spitze ist stark und viele junge, schnelle Athletinnen kommen nach. Das Potenzial für eine Medaille ist da. Nur müssen wir bei der starken Konkurrenz mit den USA, Jamaika und Großbritannien am Tag X das Optimum bringen. Das haben wir 2017 in London nicht geschafft. Da haben wir eine Medaille verloren. Ein Jahr zuvor in Rio haben wir hingegen Platz vier gewonnen.

Abschließende Frage: Welche Zeiten möchten Sie 2019 gelaufen sein, um am Ende des Jahres sagen zu können: „Ja, das war eine gute Saison!“

Lisa Mayer:
Das ist eine schwierige Frage. Aber ich bin ein selbstbewusster Mensch, der sich immer verbessern will. Darum möchte ich schon meine Bestzeiten von 11,14 und 22,64 Sekunden unterbieten. Sollten am Ende des Jahres ein paar Hundertstel dazu fehlen, ich aber gute Rennen gelaufen sein, kann ich auch damit gut leben.

Mehr:

<link>Lisa Mayer und die #TrueAthletes Kampagne

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