| Reportage

Zwei Tage mit ... den Plan-Paten in Brasilien (II)

In unserer Reihe „Ein Tag mit…“ begleiten wir Topathleten in ihrem Alltag. Heute gibt’s ein Special fernab des Sportplatzes: Wir haben Björn Otto und Tatjana Pinto Anfang Oktober bei einer Reise nach Brasilien begleitet. Dort besuchten der Stabhochspringer und die Sprinterin Projekte des DLV-Charity-Partners Plan International Deutschland – und konnten sich selbst davon überzeugen, wie kleine Gesten, gezielte Hilfe und großes Engagement bleibende Veränderungen schaffen.
Silke Morrissey

<link news:44289>Zwei Tage mit ... den Plan-Paten in Brasilien (I)

Mit den Eindrücken vom Besuch der beiden Projekte im Südwesten von São Luís endete der erste Tag der Projektreise für Tatjana Pinto und Björn Otto. Erschöpft, verschwitzt aber vor allem nachhaltig beeindruckt sanken sie in die Sitze des Kleinbusses, der sie zurück ins Hotel fuhr. Früh am nächsten Morgen holt er sie eben dort wieder ab. Am zweiten Reisetag stehen zwei weitere Projektbesuche auf dem Programm. Diesmal sind die Athleten an Schulen zu Gast.

In Pedrinhas besuchen sie eines der Lieblingsprojekte von Program Director Luca Sinesi. Schnell wird deutlich, warum es ihm besonders gut gefällt. An der dortigen weiterführenden Schule leisten Jugendliche an diesem Vormittag Aufklärungsarbeit für andere Jugendliche. Mit viel Witz, mit viel Charme und äußerst kompetent. In einer kleinen Theateraufführung mit Handpuppen und Verkleidung nehmen sie Themen wie sexuelle Gesundheit und Verhütung unter die Lupe.

Beachtlicher Projekt-Erfolg

Ebenso interessiert wie die Aufführung beobachten die Schüler die Gäste aus Deutschland, die in dem gekachelten Schulzimmer mit überforderten Ventilatoren an den Decken mit viel Applaus empfangen werden. Tatjana Pinto muss schmunzeln, sie braucht keinen Dolmetscher, um die Darbietung zu verstehen. So wird sie gleich selbst Teil der Show, als eine junge Dame mit Mikrofon und Papp-Kamera auf sie zustürmt. „Sollte man sich beim Geschlechtsverkehr mit einem Kondom schützen?“ „Ja.“ – „Warum?“ Die Antwort wartet die schwungvolle Dame nicht ab. Sie reißt das Mikro wieder an sich, ruft „Danke!“ und heimst dafür das Gelächter des Publikums ein.

Im Anschluss an die Präsentation berichten die von Plan zu sogenannten „Young Health Coordinators“ ausgebildeten Jugendlichen Tatjana Pinto und Björn Otto mehr über das Projekt, zu dem auch Workshops und Fortbildungen zählen. Eine 19-jährige Darstellerin sagt, dass sie sich bereits seit mehreren Jahren in ihrer Gemeinde engagiert. Vor Beginn des Projekts gab es dort jährlich rund 20 Teenager-Schwangerschaften. Mittlerweile seien es nur noch eine oder zwei.

Den Jugendlichen liegt ihre Arbeit am Herzen, das wird nicht nur deutlich, als die junge Frau, die zuvor als schwungvolle Reporterin aufgetreten ist, ihre Motivation zur Mitarbeit erläutert. Das Engagement habe sie selbst so geprägt, dass sie ihre Erfahrungen unbedingt weiter- und anderen Jugendlichen etwas zurückgeben will.

Stärkung von Selbstbewusstsein

Der letzte Programmpunkt am Ende von zwei langen Tagen: Ein Abstecher zur Schule der Gemeinde Paço do Lumiar. Plan setzt sich hier besonders dafür ein, dass  Schüler den Wechsel an weiterführende Schulen schaffen – eine Herausforderung in einer konfliktreichen und gewaltbereiten Umgebung, wo die kurzfristige Befriedigung eines Konsumwunsches oft größer ist als die Bereitschaft, für das Erreichen eines langfristigen Ziels auch mal zu verzichten. Nicht selten brechen Jugendliche die Schule ab, um schnell Geld zu verdienen.

Soziale Aktivitäten in Clubs, die überwiegend für Mädchen angeboten werden, sollen unter anderem dazu beitragen, auf die Bedeutung des Schulbesuchs aufmerksam zu machen. In kleinen Spargruppen lernen die Jugendlichen außerdem, dass es sich lohnt, für eine größere Anschaffung zu sparen. Heute beschäftigen sich die Mädchen mit der Frage nach der eigenen Identität: Wer bin ich? Eifrig schreiben und malen sie in kleine Faltblätter das, was sie auszeichnet, was ihnen wichtig ist und was sie im Leben erreichen möchten.

„Declaration of the Girls of Brazil“

Ein Mädchen, das sich darüber schon ein klares Bild gemacht hat, ist die 17 Jahre alte Laenny Cristina, die an diesem Tag ebenfalls an der Schule zu Gast ist. Sie zählt zu den fünf Mädchen, die der brasilianischen Präsidentin Dilma Roussef Anfang August die „Declaration of the Girls of Brazil“ überreicht haben. Die Erklärung, die auf Gleichberechtigung und Chancengleichheit der Geschlechter pocht, entstand auf Initiative von Plan und wurde von brasilianischen Mädchen selbst verfasst.

„In Brasilien herrscht keine Gleichberechtigung“, sagt Laenny Cristina, die bei ihrer Ur-Großmutter aufgewachsen ist. „Mädchen werden geboren, um Mütter zu sein.“ Erst durch das Engagement von Plan habe sie gelernt, selbstbewusster zu sein, sich mehr zuzutrauen. Jetzt will sie studieren, Literatur, Portugiesisch und Spanisch. Und vielleicht eines Tages Politikerin werden und sich in ihrem Land für Frauenrechte einsetzen.

Die Gäste werden mit einer musikalischen Aufführung der Schulkinder verabschiedet. Vor dem Schulgebäude haben sie sich unter einem Baum in einem Halbkreis versammelt, mit Gitarren und Flöten in der Hand. Tatjana Pinto und Björn Otto lassen sich bei der Aufforderung zum Mitklatschen nicht lange bitten – es ist ein stimmungsvoller Ausklang des Tages, bevor der Minibus die Gäste wieder ins Hotel und von dort wenig später für die Heimreise zum Flughafen bringt.

„Beeindruckend, wie Projekte ineinander greifen“

„Für mich ist beeindruckend, dass so viele verschiedene Projekte ineinander greifen, um eine ganzheitliche Lösung für unterschiedliche Herausforderungen zu liefern“, zieht Björn Otto ein erstes Fazit der Reise. „Es war abenteuerlich“, sagt er. Etwas, das er so noch nie gemacht hat, das ihm aber am Herzen liegt: „Mir ist es wichtig, das Botschafter-Sein mit Leben zu füllen. Ich will nicht nur ein Gesicht sein, sondern mein persönliches Engagement mit Leben füllen.“

„Es ist schön, dass wir von den Kindern und Jugendlichen selbst hören konnten, wie die Maßnahmen und Projekte ihr Leben verändert haben“, sagt Tatjana Pinto. Dass sich Einstellungen, Meinungen und Stereotype durch die Projektarbeit so schnell ändern können, habe sie positiv überrascht. Und die Sprinterin denkt schon voraus: Ein Praktikum bei Plan oder ein Besuch bei ihrem Patenkind in Benin – ja, das könne sie sich durchaus vorstellen.

Zunächst aber wird der Sport wieder eine ganze Weile im Mittelpunkt der beiden Leichtathleten stehen. Die Olympischen Spiele in Rio sind ein Traum von Björn Otto und Tatjana Pinto. Einer, der sie im kommenden Jahr wieder nach Brasilien führen soll. Wenn sie zurückkehren, werden sie anders als die meisten Sportler auch das Land abseits des Olympia-Spektakels kennen – mit sozialer Ungleichheit, Kriminalität, Bildungsmangel und schlechter Gesundheitsversorgung. Und sie werden wissen, dass es engagierte Menschen gibt, die jeden Tag dafür kämpfen, dass sich dieses Bild wandelt. Besonders an Orten, von denen die Kameras keine Bilder in die Welt senden.

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