| München 2022

Die große EM-Vorschau II | Männer: Bahn & Straße

1.540 Athletinnen und Athleten. 48 Nationen. Und eingebettet in die European Championships mit insgesamt neun kontinentalen Titelkämpfen. 50 Jahre nach den Olympischen Spielen empfängt München die besten Leichtathletinnen und Leichtathleten Europas. Wer sind die Favoriten? Die Hoffnungsträger? Und mit welchen Erwartungen gehen die DLV-Athleten in diese Titelkämpfe? Wir werfen eine Blick voraus. Heute: Die Entscheidungen auf der Bahn & der Straße bei den Männern.
Martin Neumann, Jan-Henner Reitze, Nicolas Walter

EM 2022 München


100 METER


Deutsche Starter mit Finalchancen

Seit fast drei Jahrzehnten ist kein 100-Meter-Olympiasieger mehr bei einer EM gestartet. Letzter „Sprint-König“, der sich nach seinem olympischen Triumph mit der kontinentalen Konkurrenz maß, war Linford Christie. Der Brite wurde zwei Jahre nach seinem Olympiasieg in 1992 Barcelona in Helsinki auch Europameister.

In München könnte Marcell Jacobs dieses Doppel-Gold wiederholen. Allerdings steht hinter dem Start des Italieners ein Fragezeichen. Der Doppel-Olympiasieger von Tokio musste aufgrund von Oberschenkelproblemen auf den Start im WM-Halbfinale in Eugene verzichten. So rangiert der Hallen-Weltmeister mit 10,04 Sekunden „nur“ auf Rang vier der Meldeliste. Hat Marcell Jacobs seine Verletzungsprobleme überwunden, ist er in München Titel-Kandidat Nummer eins.

Die Nummer eins der europäischen Bestenliste ist Reece Prescod. Der Brite lief bei Gegenwind in Ostrava 9,93 Sekunden. Auch sein Landsmann und Titelverteidiger Zharnel Hughes (9,97 sec) und der Franzose Meba Zeze (9,99 sec) blieben in dieser Saison schon unter der Zehn-Sekunden-Marke. Zeitgleich mit Marcell Jacobs rangiert Lucas Ansah-Peprah auf Rang vier der Bestenliste. Kann der 22 Jahre alte HSV-Sprinter diese Leistung in München bestätigen, ist das Finale in Reichweite.

Gleiches gilt für Owen Ansah. Der Vereins- und Trainingspartner von Lucas Ansah-Peprah lieferte mit 10,08 und 10,09 Sekunden – jeweils bei nahezu Windstille – in diesem Jahr zwei starke Zeiten ab und hat sich auf hohem Niveau stabilisiert. Gleich dreimal lief Julian Wagner (LAC Top-Team Thüringen) 2022 schon 10,12 Sekunden. Der Erfurter ist bereit für seine erste Zeit unter 10,10 Sekunden. Damit schickt der DLV ein schnelles Sprint-Trio ins Rennen. Die Chancen für das erste EM-Finale mit einem deutschen 100-Meter-Sprinter seit Rang fünf von Lucas Jakubczyk (SCC Berlin) 2014 in Zürich sind in jedem Fall gegeben.

Titelverteidiger: Zharnel Hughes (Großbritannien; 9,95 sec)
Jahresbester: Reece Precod (Großbritannien; 9,93 sec)
DLV-Starter: Owen Ansah (Hamburger SV; 10,08 sec), Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV; 10,04 sec), Julian Wagner (LC TopTeam Thüringen; 10,12 sec)


200 METER


Ein 18-Jähriger überrascht mit enormer Steigerung

Vor der U20-WM in Cali stand die 200-Meter-Bestzeit von Blessing Afrifa (Israel) bei 20,55 Sekunden, aufgestellt bei der Juniorengala Anfang Juli in Mannheim. In Cali steigerte der 18-Jährige seinen Hausrekord dreimal und blieb im Finale mit 19,96 Sekunden sensationell unter der 20-Sekunden-Marke. Damit ist der in Tel Aviv geborene Teenager die Nummer eins der EM-Meldeliste.

Nur eine Hundertstel hinter dem Youngster rangiert Meba Zeze (Frankreich) auf Rang zwei der europäischen Bestenliste und ist wie über 100 Meter auch auf der halben Stadionrunde Medaillenkandidat. Hinter dem schnellen Duo wittern neun Sprinter mit Saisonbestzeiten unter 20,30 Sekunden ihre Medaillenchance, darunter Titelverteidiger und Ex-Weltmeister Ramil Guliyev (Türkei; 20,21 sec).

Eine Zeit unter 20,30 Sekunden ist den drei deutschen Startern noch nicht gelungen. Allerdings zeigten speziell der Deutsche Meister Owen Ansah (Hamburger SV) und Joshua Hartmann (ASV Köln) bei der DM in Berlin mit jeweils 20,41 Sekunden gute Leistungen. Während der Hamburger die Zeit im Finale lief, sprintete Joshua Hartmann bereits im Vorlauf 20,41 Sekunden, um im Finale mit 20,32 Sekunden dank starker letzter 50 Meter noch ein bisschen schneller zu sein. Doch nur wenige Minuten nach dem vermeintlichen Triumph wurde der Kölner wegen Bahn-Verlassens disqualifiziert.

In einem schnellen Rennen und bei guten Bedingungen könnte für die beiden sogar der deutsche Rekord in Reichweite kommen. Den hält seit 18 Jahren Tobias Unger mit 20,20 Sekunden. Bis auf 20 Hundertstel hat sich in seiner Karriere schon Robin Erewa dieser Zeit genähert. In dieser Saison steht die Bestmarke des 31 Jahre alten Wattenscheiders, der erst spät in die Saison eingestiegen ist, bei 20,58 Sekunden. Erreicht ein deutscher 200-Meter-Läufer das EM-Finale, wäre das übrigens das erste Mal seit der „Heim-EM“ 1986 in Stuttgart. Damals gewann Jürgen Evers mit 20,75 Sekunden Silber, dazu standen mit Thomas Schröder (Vierter), Olaf Prenzler (Siebter) und Frank Emmelmann (Achter) drei deutsche Sprinter im Finale.

Titelverteidiger: Ramil Guliyev (Türkei; 19,76 sec)
Jahresbester: Blessing Akwasi Afrifah (Israel; 19,96 sec)
DLV-Starter: Owen Ansah (Hamburger SV; 20,41 sec), Robin Erewa (TV Wattenscheid 01; 20,58 sec), Joshua Hartmann (ASV Köln; 20,41 sec)


400 METER


Matthew Hudson-Smith: Folgt nach Bronze und Silber nun Gold?

Für viel britische Leichtathleten ist die EM in München die dritte internationale Meisterschaft binnen eines Monats. Denn nach der WM in Eugene standen für sie noch die Commonwealth Games vergangene Woche in Birmingham an. Für Matthew Hudson-Smith war die Dauerbelastung bisher kein Problem. Nach Überraschungs-Bronze bei der der WM (44,66 sec) gewann der Brite in Birmingham mit 44,81 Sekunden Silber. Im Laufe der Saison war der 27-Jährige mit 44,35 und 44,38 Sekunden sogar deutlich schneller und näherte sich mit britischem Rekord dem 35 Jahre alten Europarekord von Rom-Weltmeister Thomas Schönlebe bis auf zwei Hundertstelsekunden.

Mit diesen starken Vorleistungen ist der WM-Dritte im Olympiastadion klarer Titelkandidat. Denn kein anderen 400-Meter-Läufer aus Europa ist in dieser Saison bisher unter der prestigeträchtigen 45-Sekunden-Marke geblieben. Dem Titelverteidiger gelang das dagegen gleich siebenmal. Hinter dem Gold-Favoriten folgt gleich ein gutes Dutzend Läufer mit Saisonbestzeiten unter 45,50 Sekunden. Mit dabei sind (natürlich) die nimmermüden belgischen Brüder Kevin (45,12 sec) und Dylan Borlée (45,18 sec).

Erfreulicherweise zählt mit Patrick Schneider auch ein deutscher Läufer zu dieser „Verfolgergruppe“. Der Wattenscheider steigerte Anfang Juli seine Bestzeit deutlich auf 45,44 Sekunden. Kann der 29-Jährige diese Leistung in Berlin bestätigen, ist sogar das Finale in Reichweite. Bei der „Heim-EM“ möchten natürlich auch Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz; 45,76 sec) und Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund; 45,74 sec) in den Bereich ihrer Bestzeiten kommen. Gelingt das Matthew Hudson-Smith könnte ein Uralt-Europarekord nach der EM Geschichte sein.

Titelverteidiger: Matthew Hudson-Smith (Großbritannien; 44,78 sec)
Jahresbester: Matthew Hudson-Smith (Großbritannien; 44,35 sec)
DLV-Starter: Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund; 45,99 sec), Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz; 45,76 sec), Patrick Schneider (TV Wattenscheid 01; 45,44 sec)


800 METER


Offenes Rennen ohne die Nummer eins

Max Burgin ist vor wenigen Wochen 20 Jahre jung geworden. Trotzdem musste der britische Mittelstreckler in seiner Karriere schon viel durchmachen und verpasste wichtige Rennen aufgrund von Verletzungen. So konnte er aufgrund einer Wadenverletzung nicht bei der WM in Eugene starten – und das mit einer Saisonbestzeit von 1:43,52 Minuten als Nummer eins der Welt. Die Zeit bis zur EM war für Max Burgin zu kurz, so wird der Brite in München ebenfalls fehlen.

Damit gehört die Favoritenrolle Benjamin Robert. Der Franzose steigerte sich in diesem Jahr deutlich auf 1:43,75 Minuten, trotzdem war für den 24-Jährigen im WM-Halbfinale von Eugene Endstation. Besser lief es für seinen Landsmann Gabriel Tual, der in Eugene als bester Europäer Sechster wurde und mit Medaillen-Ambitionen nach München reist. Gleiches gilt für Tony van Diepen. Der endschnelle Niederländer steigerte sich in diesem Jahr auf 1:44,14 Minuten und ist nach WM-Silber mit der Mixed-Staffel bereits auf den „Medaillen-Geschmack“ gekommen. Das gilt ebenfalls für Jake Wightman. Der Sensations-Weltmeister und Dritter der Commonwealth Games über 1.500 Meter ist in München für die 800 Meter gemeldet. Dass er in Top-Form ist, bewies der Brite mit dem 1.000-Meter-Sieg am Mittwoch in Monaco mit 2:13,88 Minuten.

Eine deutliche Steigerung hat auch Christoph Kessler in den vergangenen Monaten hingelegt. Mit 1:45,27 Minuten hat der Karlsruher den Anschluss an die europäische Spitze geschafft und rangiert in der Meldeliste auf Rang 15. Damit ist er kein klarer Final-Kandidat, doch könnte er bei einem guten Rennverlauf durchaus seine Chance nutzen. Bei der WM war für den Deutschen 1.500-Meterr-Meister im Vorlauf noch Endstation, doch zeigte er mit 3:37,57 Minuten ein gutes Rennen. Etwas kraftlos wirkte hingegen Marc Reuther (Eintracht Frankfurt) im WM-Vorlauf über 800 Meter. In München soll es für den 26-Jährigen besser laufen. Titelverteidiger Adam Kszczot hat mittlerweile seine Karriere beendet.

Titelverteidiger: Adam Kszczot (Polen; 1:44,59 min)
Jahresbester: Max Burgin (Großbritannien; 1:43,52 min)
DLV-Starter: Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 1:45,27 min), Marc Reuther (Eintracht Frankfurt; 1:45,94 min)


1.500 METER


Keine Revanche für Jakob Ingebrigtsen

Jakob Ingebrigtsen kämpfte auf der Zielgeraden des WM-Finals verbissen. Doch an Jake Wightman war in Eugene auf den letzten Metern kein Vorbeikommen. So musste sich der Olympiasieger mit WM-Silber begnügen. Zur Revanche kommt es in München nicht. Denn der Brite ist über 800 Meter gemeldet. So ist der Titelverteidiger mit einer Saisonbestzeit von 3:29,47 Minuten klarer Gold-Kandidat. Großer Vorteil des 5.000-Meter-Weltmeisters: Er kann mit einem langen Spurt die Konkurrenz förmlich zermürben und abhängen.

Ebenfalls im WM-Finale zeigte Mario Garcia eine Top-Leistung. Der Spanier lief in Eugene mit 3:30,20 Minuten sensationell auf Rang vier und steigerte dabei seine Bestzeit gleich um mehr als fünf (!) Sekunden. Eine außergewöhnliche Leistung. Kann der 23-Jährige, der mit einer Bestzeit von 3:35,52 Minuten zur WM gereist war, diese Form bestätigen, ist er eindeutiger Medaillenkandidat. Selbiges gilt für Jake Heyward. Der Brite ist mit 3:31,08 Minuten Nummer drei der Meldeliste, während sich der Spanier Mohamed Katir, mit 3:29,90 Minuten WM-Dritter, in München der 5.000-Meter-Konkurrenz stellt.

Mit Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund; 3:35,69 min) und Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 3:36,63 min) schickt der DLV ein flottes Duo ins Rennen, allerdings gegen sehr starke Konkurrenz. Da der Dortmunder zusätzlich über 5.000 und der Karlsruher über 800 Meter gemeldet sind, darf man gespannt sein, welche Distanz sie im Olympiastadion in Angriff nehmen. Oder ob sie tatsächlich den EM-Doppelstart wagen.

Titelverteidiger: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen; 3:38,10 min)
Jahresbester: Jake Wightman (3:29,23 min)
DLV-Starter: Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 3:36,63 min), Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund; 3:35,69 min)


5.000 METER


Der Weltmeister will seinen Titel verteidigen

Zwei für die EM gemeldete Läufer haben in ihrer Karriere die 13-Minuten-Marke bereits unterboten. Ganz oben in der Meldeliste rangiert Welt- und Europameister Jakob Ingebrigtsen mit einer Bestzeit von 12:48,45 Minuten. Fast ganz unten ist 12:50,79 Minuten Mohamed Katir zu finden. Denn der Spanier kam in dieser Saison – bei nur einem Start in einem taktischen Rennen – nicht über 13:43,61 Minuten hinaus. Dass die Form stimmt, bewies er allerdings unlängst als WM-Dritter über 1.500 Meter.

Auf Rang zwei der europäischen Bestenliste rangiert etwas überraschend Mohamed Mohumed. Der Deutsche Meister steigerte sich Anfang Mai in den USA auf 13:03,18 Minuten, konnte seine Form aber nicht bei der WM in Eugene bestätigen, als im Vorlauf Endstation war. Das wird dem Dortmunder in München nicht passieren. Denn in München geht’s gleich im Finale zur Sache.

Besser lief es in Eugene hingegen für Sam Parsons (Eintracht Frankfurt). Der Deutsch-Amerikaner erfüllte sich im Hayward Field mit dem Einzug ins WM-Finale einen Kindheitstraum. Nun will er sich gegen die kontinentale Konkurrenz behaupten. Das ist auch das Ziel von Davor Aaron Bienenfeld. Der Hanauer verbesserte sich dieses Jahr auf 13:28,13 Minuten im Freien und lief in der Halle mit 13:21,99 Minuten sogar einen deutschen Rekord. Damit rangiert er in der zweiten Hälfte der Meldeliste. Allerdings liegt ein Großteil der Läufer mit Saisonbestzeiten zwischen 13:12 und 13:22 Minuten eng beieinander, sodass eine schnelle letzte Runde über viele Plätze entscheiden könnte.

Titelverteidiger: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen; 13:17,06 min)
Jahresbester: Jakob Ingebrigtsen (Norwegen; 13:02,03 min)
DLV-Starter: Davor Aaron Bienenfeld (SSC Hanau-Rodenbach; 13:28,13 min), Mohamed Mohumed (LG Olympia Dortmund; 13:03,18 min), Sam Parsons (Eintracht Frankfurt; 13,21,17 min)


10.000 METER


Viele Medaillenkandidaten und ein deutsches Trio

Yemaneberhan Crippa (Italien) und Jimmy Gressier (Frankreich) räumten in den Jugend- und Juniorenklassen so manchen kontinentalen Titel ab. Mittlerweile haben beide den Anschluss an die Weltspitze geschafft und könnten in München ihren ersten EM-Titel in der Männerklasse gewinnen. Mit Saisonbestzeiten von 27:16,18 bzw. 27:24,51 Minuten führen der Italiener und der Franzose die EM-Meldeliste an. Dahinter folgt ein schnelles britisches Trio mit Saisonbestzeiten zwischen 27:31,98 und 27:36,77 Minuten. Eine Team-Taktik könnte ihnen am Schlusstag der EM den entscheidenden Vorteil bringen.

Auch der DLV schickt ein schnelles Trio auf die längste Bahn-Langstrecke. Aussichtsreicher Läufer ist dabei Nils Voigt. Zwar hat der Wattenscheider in seiner Karriere noch keine zehn Rennen über die 25-Runden-Distanz bestritten, doch agierte er dabei taktisch klug und arbeitete sich zum Ende des Rennens oft um einige Plätze nach vorn. Mit einer Saisonbestzeit von 27:52,57 Minuten ist der 25-Jährige die Nummer sieben der Meldeliste. Dass die Form nach überstandenen Verletzungs- und Krankheitsproblemen im Frühjahr passt, zeigte Nils Voigt Anfang Juli mit einer neuen 5.000-Meter-Bestzeit (13:31,20 min).

Mit Filmon Abraham (LG Telis Finanz Regensburg; 28:03,29 min) und Samuel Fitwi Sibhatu (LG Vulkaneifel; 28;08,83 min) rangieren die weiteren DLV-Starter im Mittelfeld der Meldeliste. Das hat allerdings nicht viel zu bedeuten. Schließlich geht die Hälfte der Starter mit Saisonbestzeiten zwischen 28;00 und 28:10 Minuten ins Rennen. Da die 10.000 Meter bei Meisterschaften oft taktisch geprägt sind und die Vorleistungen weniger aussagekräftig sind als auf anderen Strecken, wird es auf jeden Fall Überraschungen geben.

Titelverteidiger: Morhad Amdouni (Frankreich; 28:11,22 min)
Jahresbester: Yemaneberhan Crippa (Italien; 27:16,18 min)
DLV-Starter: Filmon Abraham (LG Telis Finanz Regensburg; 28:03,39 min), Samuel Fitwi Sibhatu (LG Vulkaneifel; 28:08,83 min), Nils Voigt (TV Wattenscheid 01; 27:52,57 min)


MARATHON


42,195 Kilometer zur Mittagszeit

Ein Meisterschafts-Marathon gleicht immer einer Wundertüte. Schließlich ist das Rennen nicht mit Tempomachern „durchgestylt“ wie bei großen City-Läufen. Außerdem dürfte die späte Startzeit von 11:30 Uhr am Montag eine Rolle spielen. Bei erwarteten Temperaturen von bis zu 26 Grad zur Mittagszeit ist Hitzeresistenz gefragt. Aufgrund der Team-EM-Wertung dürfen bis zu sechs Starter pro Nation ins Rennen gehen. Auch das sorgt für Spannung, schließlich kann man eine Mannschafts-Taktik ausarbeiten.

Für die 42,195 Kilometer durch München sind 81 Läufer gemeldet, darunter fünf Läufer mit Bestzeiten von 2:06 Stunden. Dazu zählt auch Amanal Petros (TV Wattenscheid 01). Der deutsche Rekordler mit einem Hausrekord von 2:06:27 Stunden ist zweitschnellster Langstreckler im Feld knapp hinter dem Spanier Ayad Lamdassem (2:06:25 h). Allerdings steht hinter der Form von Amanal Petros ein kleines Fragezeichen. Denn aufgrund gesundheitlicher Probleme hat der 27-Jährige seit Anfang April kein Rennen mehr bestritten.

Die zwei weiteren deutschen Einzelstarter in München sind Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) und Richard Ringer (LC Rehlingen). Beide haben in diesem Jahr wie Amanal Petros keinen ernsthaften Marathon absolviert. Die meisten Wettkämpfe zwischen 3.000 Meter und einem Marathon als Tempomacher (2:27:02 h) hat Simon Boch bestritten. Sein stärkstes Rennen war die 10.000-Meter-DM, die er mit 28:11,69 Minuten Anfang Mai für sich entschied.

Das deutsche Marathon-Team in München komplettieren Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01), Johannes Motschmann (SCC Berlin) und Konstantin Wedel (LG Telis Finanz Regensburg). Speziell Hendrik Pfeiffer bewies Anfang April in Hannover mit seinem Sieg in 2:10:59 Stunden gute Marathon-Form.

Titelverteidiger: Koen Naert (Belgien; 2:09:51 h)
Jahresbester: Abdi Nageeye (Niederlande; 2:04:56 h)
DLV-Starter: Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg; 2:27:02 h), Amanal Petros (TV Wattenscheid 01; ohne Start in 2022), Richard Ringer (LC Rehlingen; ohne Start in 2022)


110 METER HÜRDEN


Asier Martinez reif für seinen ersten Titel

Elf internationale Medaillen hat Titelverteidiger Pascal Martinot-Lagarde in seiner Karriere schon gesammelt. Ist der Franzose rechtzeitig in Form, um die nächste zu holen? Gerade hat er sich in Monaco (Monte Carlo) noch auf 13,27 Sekunden in diesem Sommer gesteigert. Schon schneller war unter anderem einer seiner Landsleute. Youngster Sasha Zhoya ist mit seinen 13,17 Sekunden einer der beiden Jahresschnellsten.

Der Top-Favorit auf Gold kommt aus Spanien. Asier Martínez hat sich in den vergangenen beiden Jahren auf internationaler Bühne kontinuierlich gesteigert und ist reif für seinen ersten Titel. Der 22-Jährige belegte im Olympia-Finale im vergangenen Jahr Rang sechs, in der Halle bei den vergangenen Welt- und Europameisterschaften jeweils Platz vier. Bei der WM in Eugene gelang mit Bronze der erste Medaillen-Erfolg der Karriere. Zu beachten sind unter anderem auch die beiden weiteren europäischen WM-Finalisten Damian Czykier (Polen) und Joshua Zeller (Großbritannien).

Von seiner Form von 2018, als er EM-Fünfter wurde, ist DLV-Starter Gregor Traber in diesem Sommer noch entfernt gewesen. München soll einen Befreiungsschlag bringen.

Titelverteidiger: Pascal Martinot-Lagarde (Frankreich; 13,17 sec)
Jahresbester: Sasha Zhoya (Frankreich), Asier Martínez (Spanien; beide 13,17 sec)
DLV-Starter: Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen; 13,66 sec)


400 METER HÜRDEN


Weltrekordler stellt sich trotz schwieriger Saison

Karsten Warholm hat mit seinem Weltrekord bei den Olympischen Spielen neue Maßstäbe gesetzt und in den vergangenen fünf Jahren alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. In diesem Sommer wurde der Norweger zum Saisonstart von einer Verletzung ausgebremst. Dennoch stellte er sich sechs Wochen später bei der WM, musste sich dort aber als Siebter geschlagen geben. Seitdem blieb noch einmal ein Monat, um in EM-Form zu kommen.

Der Jahresschnellste Wilfried Happio ist der auf dem Papier stärkste Herausforderer des Titelverteidigers. Der Franzose hat sich als WM-Vierter auf 47,41 Sekunden gesteigert und in diesem Sommer schon deutlich mehr Rennen absolvieren können. Seine Erfahrung könnte dem für die Türkei startenden Yasmani Copello zu einer weiteren internationalen Medaille verhelfen.

Joshua Abuaku kann das Finale erreichen. Im Endlauf möchte auch Constantin Preis dabei sein. In einem verletzungsbedingt schwierigen Jahr wäre das für ihn ein großer Erfolg.

Titelverteidiger: Karsten Warholm (Norwegen; 47,64 sec)
Jahresbester: Wilfried Happio (Frankreich; 47,41 sec)
DLV-Starter: Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt; 48,80 sec), Constantin Preis (VfL Sindelfingen; 50,21 sec)


3.000 METER HINDERNIS


Nachfolger von Seriensieger gesucht

Kein Sympathieträger, aber außerordentlich erfolgreich: Der Franzose Mahiedine Mekhissi-Benabbad hat seit 2010 vier EM-Titel abgeräumt. Unterbrochen wurde seine Siegesserie 2014, als er zwar in Zürich (Schweiz) als Erster durchs Ziel lief, sich aber vorher das Trikot vom Leib riss und disqualifiziert wurde. Diesmal ist der mittlerweile 37-Jährige Titelverteidiger nicht mehr in Form gekommen. Sein zehn Jahre jüngerer Landsmann Mehdi Belhadj könnte die französische Dominanz fortsetzen, er stand im WM-Finale und reist mit der fünftschnellsten Saisonbestzeit (8:16,35 min) an.

Als Neunter der beste Europäer im WM-Finale war der Spanier Daniel Arce, für den das EM-Finale gemeinsam mit Sebastián Martos und Victor Ruiz auch eine Teamangelegenheit werden könnte. Auch der Jahresschnellste Ahmed Abdelwahed hat Medaillenchancen und wird wohl nicht der einzige Italiener im Finale sein.

Für die DLV-Athleten Karl Bebendorf und Frederik Ruppert geht es darum, mit dem Finaleinzug den nächsten Schritt in ihrer Karriere zu schaffen und dann im Endlauf eine möglichst gute Rolle zu spielen. Niklas Buchholz steht vor seiner Premiere bei einer internationalen Meisterschaft.

Titelverteidiger: Mahiedine Mekhissi-Benabbad (Frankreich; 8:31,66 min)
Jahresbester: Ahmed Abdelwahed (Italien; 8:10,29 min)
DLV-Starter: Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898; 8:25,73 min), Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch; 8:31,93 min), Frederik Ruppert (SC Myhl LA; 8:15,58 min)


20 KILOMETER GEHEN


Olympiasieger will auch auf europäischen Thron

Mit seinem WM-Gold hat Olympiasieger Massimo Stano gezeigt, dass er auch die neue 35-Kilometer-Strecke beherrscht. In München konzentriert sich der Italiener wieder auf die 20 Kilometer und will seine Titelsammlung erweitern.

Als WM-Dritter ist der Schwede Perseus Karlström in 1:19:18 Stunden die bisher beste Zeit eines Europäers in diesem Jahr gegangen, nimmt man die nicht startberechtigen russischen Athleten aus. Schon bei der WM 2019 hatte der 32-Jährige Bronze geholt. Bei Europameisterschaften fehlt ihm noch Edelmetall. In Eugene war Titelverteidiger Álvaro Martín als Siebter rund eine Minute langsamer als der Schwede. Die Spanier schicken mit Alberto Amezcua, Diego García und Iván López ein starkes Team ins Rennen.

Das gilt auch für den DLV. Nils Brembach und Karl Junghannß gehören was die Saisonbestzeit angeht zu den Top Ten der Starterliste. Leo Köpp hat mit Olympia-Platz 22 im vergangenen Jahr ein erfolgreiches Debüt auf der ganz großen Bühne gegeben. Auf europäischer Ebene soll es noch ein Stück weiter nach vorne gehen.

Titelverteidiger: Álvaro Martin (Spanien; 1:20:42 h)
Jahresbester: Perseus Karlström (Schweden; 1:19:18 h)
DLV-Starter: Nils Brembach (SC Potsdam; 1:20:32 h), Karl Junghannß (LC TopTeam Thüringen; 1:20:53 h), Leo Köpp (LG Nord Berlin; 1:25:04 h)


35 KILOMETER GEHEN


Neue Strecke bietet neue Chancen

Neue Strecke bietet neue Chancen. Mit seinem Olympia-Silber über 50 Kilometer hat Jonathan Hilbert im vergangenen Sommer überrascht und bewiesen: Es ist etwas möglich für die DLV-Geher. Dicht an einer internationalen Medaille dran war Christopher Linke schon mehrfach. Durch die coronabedingte Absage seines WM-Starts über die neue Distanz von 35 Kilometern ist die Vorbereitung allerdings nicht optimal verlaufen. Als EM-Fünfter von Berlin hat Carl Dohmann schon bewiesen, dass er ganz weit vorne dabei sein kann.

Zu den Topfavoriten gehört auch über diese Distanz Perseus Karlström. Mit zweimal Bronze hat der Schwede schon bei der WM einen erfolgreichen Doppelstart hingelegt. Die Medaillen-Hoffnungen Spaniens ruhen vor allem auf Miguel Ángel López. Die 50 Kilometer bei der EM in Berlin hatte Maryan Zakalnytskyy aus der Ukraine gewonnen. Von der Verkürzung der Strecke ist er nicht begeistert, möchte aber wieder um Gold mitgehen.

Titelverteidiger: EM-Premiere
Jahresbester: Massimo Stano (Italien; 2:23:14 h)
DLV-Starter: Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden; 2:30:58 h), Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie; 2:34:35 h), Christopher Linke (SC Potsdam; 2:29:56 h)


4x100 METER


Was ist drin für die deutsche Staffel?

Das Potential für schnelle Zeiten ist da. Das bewies die deutsche 4x100-Meter-Staffel Anfang Juni in Regensburg, als das DLV-Quartett um Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar), Joshua Hartmann (ASV Köln), Owen Ansah und Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV) den deutschen Rekord auf 37,99 Sekunden schraubte. Nummer vier in diesem Jahr in der Welt, in Europa ist 2022 nur Großbritannien in 37,83 Sekunden schneller unterwegs gewesen.

Bei der WM in Eugene konnte dieses Potential noch nicht auf die Bahn gezaubert werden. Nach einem fehlerhaften Wechsel zwischen Kevin Kranz und Joshua Hartmann stand am Ende in 38,83 Sekunden das Aus nach dem Vorlauf. Doch abgesehen von der britischen und der französischen Staffel verpassten auch alle anderen europäischen Teams das Finale.

In München kann sich neben den beiden Mannschaften des WM-Finals und des DLV-Quartetts auch die italienische Staffel, die in Tokio (Japan) Olympiasieger wurde, berechtigte Chancen auf Medaillen machen. So wird Einzel-Olympiasieger Marcel Jacobs nach dem verletzungsbedingten Verpassen der WM wieder ins Team zurückkehren.

Titelverteidiger: Großbritannien (37,80 sec)
Jahresbeste: Großbritannien (37,83 sec)
DLV-Starter: Deniz Almas (VfL Wolfsburg), Owen Ansah (Hamburger SV), Lucas Ansah-Peprah (Hamburger SV), Joshua Hartmann (ASV Köln), Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar), Milo Skupin-Alfa (LG Offenburg)


4x400 METER


Belgien Favorit auf Gold

Heißer Goldfavorit über 4x400 Meter ist Belgien. Das Quartett um Dylan Borlée, Julien Watrin, Alexander Doom und Kevin Borlée gewann in Eugene hinter den USA und Jamaika Bronze und blieb dabei in 2:58,72 Minuten als bisher einziges europäisches Team in diesem Jahr unter drei Minuten.

Dahinter gelten die Mannschaften aus Frankreich, Tschechien oder auch Polen als Anwärter auf die Podestplätze – alle drei Staffeln schafften es bei den Weltmeisterschaften ins Finale. Deutschland gilt dagegen eher als Underdog: In der Besetzung Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), Marc Koch (LG Nord Berlin) und Patrick Schneider (TV Wattenscheid 01) schied das Quartett im Hayward Field in 3:04,21 Minuten vorzeitig aus.

Titelverteidiger: Belgien (2:59,47 min)
Jahresbeste: Belgien (2:58,72 min)
DLV-Starter: Fabian Dammermann (LG Osnabrück), Torben Junker (TV Wattenscheid 01), Marc Koch (LG Nord Berlin), Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund), Marvin Schlegel (LAC Erdgas Chemnitz), Patrick Schneider (TV Wattenscheid 01)

EM 2022 München

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