Klemens Wittig ist „Back on Track“. Wer geglaubt hat, dass der 85-jährige vielfache internationale und nationale Meister und Rekordhalter auf diversen Mittel- und Langstrecken die Laufschuhe demnächst an den Nagel hängen wird, sieht sich eines Besseren belehrt. Der Dortmunder im Trikot des LC Rapid hat nichts von seinem Feuer am Ausdauersport verloren. Im Gegenteil: Klemens Wittig fühlt sich geistig und körperlich fit, motiviert und voller Lebensfreunde. Lebensbejahung, die ansteckend wirkt. Neue Deutsche Rekorde in der Altersklasse auf der Halbmarathondistanz und über 1.500 Meter sind mehr als nur deutliches Zeichen an die Konkurrenz. Wir haben mit ihm gesprochen.
Klemens Wittig, wir erreichen Sie auf der griechischen Mittelmeerinsel Kreta im Familienurlaub. Urlaub, was bedeutet das für Sie?
Klemens Wittig:
Zuerst einmal viel Bewegung kreuz und quer auf der Insel und dazu noch großes Interesse an Land und Kultur. Ich fotografiere viel und drehe auch Videos, die ich dann in unserer St. Antonius-Gemeinde in Dortmund-Brechten vorführe. Das Laufen kommt natürlich auch nicht zu kurz. Training muss schließlich sein.
Wenn Sie wieder zurück in Dortmund sind, was sind Ihre kommenden sportlichen Ziele?
Klemens Wittig:
Davon habe ich noch einige, wenn alles so verläuft wie ich es mir vorstelle. Als Nächstes sind meine Ziele der Deutsche und vielleicht auch der Europarekord über 5.000 Meter auf der Bahn und natürlich der Europarekord im Halbmarathon. Beide Ziele traue ich mir zu. Darauf bereite ich mich speziell auch mit Tempotraining vor.
Tempotraining? Sie machen auch mit 85 Jahren noch Tempoeinheiten auf der Bahn?
Klemens Wittig:
Aber, selbstverständlich. Von nichts kommt eben nichts. Ich laufe immer verschiedene Programme, das ist nicht eintönig und erhält einem ein gewisses Tempogefühl, das man für schnelle Zeiten einfach braucht. Zuletzt habe ich versucht, die 400 Meter auf der Bahn immer im 4er-Schnitt zu laufen. Das ist zwar schneller als mein angestrebtes Renntempo, aber zeigt mir, dass die Form stimmt.
Ich staune und ziehe vor Ihnen den Hut. Was macht Sie eigentlich so willensstark? Und woraus ziehen Sie Ihre Motivation, sich immer weiter für Rekorde und Medaillen zu „quälen“?
Klemens Wittig:
Schauen Sie, wenn ich zum Training in den Wald gehe, habe ich auch oft Sorgen mit im Gepäck. Diese packe ich dann gedanklich in kleine Schächtelchen und deponiere sie im Wald an der Laufstrecke und da verbleiben sie und können vermodern. Wenn ich dann aus dem Wald komme, fühle ich mich stark und aller Sorgen ledig. Das hilft und ich kann das Prinzip nur jedem zur Nachahmung empfehlen.
Und Sie sind wirklich nicht als Kind in einen Jungbrunnen gefallen wie einst Obelix in einen Trank, der Superkräfte verleiht?
Klemens Wittig:
Nein (lacht). Mir ist nichts zugeflogen. Für alle Bestleistungen und Rekorde muss ich genauso hart trainieren wie jeder andere auch.
Im kommenden Jahr wollen Sie es noch einmal richtig krachen lassen. Rekorde in der Halle, dazu die Teilnahme an der Hallen-WM im März in Torun, wo sie über alle Strecken melden wollen, dazu eventuell noch die Masters-EM in Italien im September – ein Mammutprogramm, das weit jüngere Leichtathleten kaum schultern können. Wie schaffen Sie das?
Klemens Wittig:
Das Programm scheint auf den ersten Blick etwas üppig. Vor Ort entscheide ich mich dann aus dem Gefühl heraus, was ich laufe und was ich lieber weg lasse. Dazu versuche ich auch immer wieder Regenerationsphasen einzustreuen. Meine Familie stärkt mir dabei immer den Rücken, sonst würde das alles nicht funktionieren.
In diesem Jahr finden Ende November noch die Deutschen Crosslaufmeisterschaften in Löningen statt. Steht der Wettkampf auch auf Ihrer Agenda?
Klemens Wittig:
Aber natürlich. Ich liebe das Laufen im Gelände. Es ist mir eine Freude, mich im Cross mit der Konkurrenz messen zu können. Crossläufe im Herbst und Winter sind für mich wichtige Faktoren für eine gute Sommersaison. Im Winter werden schließlich die Meister des dann folgenden Jahres geformt. Deshalb steht Löningen für mich ganz oben auf der Terminagenda.