Zehn Athletinnen und Athleten, die noch nie einen Titel bei Deutschen Hallenmeisterschaften gewonnen haben, standen Ende Februar in Dortmund ganz oben auf dem nationalen Podium. Einige von ihnen sind schon länger Teil der DLV-Spitze, die meisten dagegen neue Gesichter. Wir stellen sie vor. Heute: Hürdensprinter Tim Eikermann (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Tim Eikermann
TSV Bayer 04 Leverkusen
Bestleistungen:
110 Meter Hürden: 13,66 sec (2022)
60 Meter Hürden: 7,63 sec (2023; Halle)
Erfolge:
Deutscher Hallen-Meister 2023
Gregor Traber (LAV Stadtwerke Tübingen), Matthias Bühler (TV Haslach), Erik Balnuweit (TV Wattenscheid 01): Diese Athleten machten über Jahren die DM-Titel im Hürdensprint unter sich aus. Lange ist es keinen jungen Athleten gelungen, den Durchbruch in die nationale Spitze und den Anschluss an die internationale Klasse zu schaffen. Aktuell gibt es wieder einige Hoffnungsträger, die im Moment von Tim Eikermann angeführt werden. Der Leverkusener stürmte bei der Hallen-DM zu seinem ersten nationalen Titel und zur Norm für die Hallen-EM.
Seine sportlichen Ziele hat der 23-Jährige schon seit seiner frühen Jugend akribisch verfolgt. Daran, dass er einmal zur A-Nationalmannschaft gehören könnte, hatte er aber damals noch nicht gedacht. Stück für Stück ist der Student in den Spitzensport hineingewachsen. Dieser Prozess geht noch immer weiter.
Erstmals bereitete sich der Deutsche Hallenmeister gerade in einem fünfwöchigen Trainingslager in den USA auf die Sommersaison vor. Dort möchte er mit Zeiten um 13,50 Sekunden seinen nächsten Karriere-Schritt schaffen und möglichst schon die Qualifikation für die EM im kommenden Jahr klar machen.
Leistungsgedanke führt auf immer neue Ebenen
Mit dem regelmäßigen Training begonnen hat Tim Eikermann in seiner Heimat Duisburg im Alter von sechs Jahren über seine Eltern, die beide Leichtathletik als Hobby betrieben. „Sie wollten einfach, dass ich mich vielseitig bewege, und haben mich in der Kindergruppe bei Eintracht Duisburg angemeldet“, erzählt der heutige Leistungssportler. „Mir hat es Spaß gemacht und die Gruppe ist auch zu meinem Freundeskreis geworden.“ Der damalige Schüler probierte aber auch andere Sportarten aus wie Volleyball oder Handball.
Unter der Anleitung von Trainerin Frederike Koleisk gehörten alle Disziplinen dazu. Seine Talente führten den Nachwuchsathleten zum Blockmehrkampf Wurf und in der Altersklasse M15 erstmals zu Deutschen U16-Meisterschaften. In Lübeck belegte er 2014 im Block Wurf mit 2.768 Punkten den 18. Platz. Stärkste Disziplinen waren schon damals die Hürden, aber auch das Kugelstoßen. Mit seinen Bestleistungen (80 Meter Hürden: 11,10 sec; Kugelstoßen: 15,03 m) stand der 15-Jährige unter den Top 30 seines Jahrgangs in der DLV-Bestenliste. „Schon damals habe ich den Sport ernst genommen und wollte gern Leistungssportler werden. Die Gedanken gingen aber eher in Richtung Teilnahme an Deutschen Meisterschaften.“
Mit der ersten Jugend-DM klappte es 2016 im zweiten U18-Jahr, bei der es über 110 Meter Hürden (91,4 cm) in Ulm gleich bis ins Finale und auf Platz vier (14,23 sec) ging. Im ersten U20-Jahr (99,1 cm) wiederholte der Abiturient diese Platzierung im Freien in Rostock (14,31 sec), vorher in der Halle zog er auch schon ins Finale über 60 Meter Hürden ein und wurde Sechster (8,17 sec). Vor allem Kugelstoßen gehörte als zweite Disziplin zu diesem Zeitpunkt aber immer noch zum Wettkampfprogramm.
Wechsel nach Leverkusen
Nach seinem Abitur nahm der damals 18-Jährige ein Studium in Sportwissenschaften an der Deutschen Sporthochschule Köln auf. Deshalb suchte er sich einen neuen Verein und entschied sich wegen der guten Trainingsbedingungen für den TSV Bayer 04 Leverkusen sowie die Trainingsgruppe von Markus Irrgang. Seitdem wohnt er auch in Leverkusen.
Mit dem Wechsel erfolgte auch endgültig die Fokussierung auf den Hürdensprint, die sich schnell auszahlte. Über die U20-Hürde gelangen die ersten Zeiten unter 14 Sekunden (PB: 13,77 sec), die Qualifikation sowie der Halbfinaleinzug bei der U20-EM in Boras (Schweden) und mit Bronze in der Halle in Sindelfingen (7,86 sec) sowie Silber im Freien in Ulm (13,96 sec) die ersten Medaillen bei Deutschen Jugend-Meisterschaften. Obendrauf schaffte er mit Rang sieben (14,22 sec) gleich bei der ersten DM-Teilnahme in der Männerklasse die Qualifikation fürs Finale.
„2019 war mein erstes Breakout-Jahr“, erinnert sich Tim Eikermann. Und mit der Vorlaufzeit von 7,90 Sekunden bei der Hallen-DM in Leipzig sowie Bronze im Finale (7,96 sec) ging der Aufstieg zum offiziellen Start in die Männerklasse 2020 nahtlos weiter. Doch dann bremste die Corona-Pandemie die Entwicklung.
Technik leidet in der Zeit der Pandemie
Lockdown und Corona-Regeln brachten den Trainingsprozess durcheinander. „Beim Alternativ-Training habe ich mir auch noch eine Verletzung zugezogen“, erzählt der Hürdensprinter. Im später erlaubten Eins-zu-Eins-Training fehlte die zusätzliche Motivation durch die Gruppe, unterm Strich litt vor allem die Technik, so dass es in der „Late Season“ 2020 nicht wirklich voran ging.
Gerade seine Trainingsgruppe, zu der unter anderem auch die Deutsche Meisterin bei den Frauen des vergangenen Jahres Marlene Meier (TSV Bayer 04 Leverkusen) gehört, ist bis heute ein Baustein des Erfolgs. „Wir sind mehr als eine Trainingsgemeinschaft, sondern zu einer Familie geworden. Auch in unserer Freizeit verbringen wir gern Zeit zusammen. Das ist etwas Besonderes.“ Seit dem vergangenen Herbst hat Frank Bartschat die Betreuung übernommen.
Mit zweimal Silber bei der U23-DM in Koblenz (14,02 sec) und Wattenscheid (13,88 sec) sowie Silber bei der DM in der Männerklasse in Berlin (13,78 sec) im vergangenen Jahr setzte sich die kontinuierliche Entwicklung 2021 und 2022 wieder fort. Mit der Bestzeit von 13,66 Sekunden ist der Durchbruch in Richtung der erweiterten internationalen Spitze nicht mehr fern.
Aggressive Körperposition im Finale von Dortmund
Das Rennen auf internationalem Niveau in ihm stecken, zeigte Tim Eikermann erstmals im Finale der Hallen-DM in Dortmund im zurückliegenden Winter. In 7,63 Sekunden holte der 23-Jährige nicht nur den Titel, sondern erfüllte auch die Norm für die Hallen-EM in Istanbul (Türkei). „Das Rennen schaue ich mir immer noch gerne an und bekomme dabei Gänsehaut. Außerdem schaue ich mir an, was ich dort anders mache. Der Unterschied ist meine aktive, aggressive Körperposition. Der Oberkörper bewegt sich weniger und bleibt mit seinem Schwerpunkt immer etwas vor den Schritten. Es ist mir gelungen, mich auf den Speed einzulassen.“
Genau diese Art zu laufen, soll jetzt im Training verfestigt werden. „Vom Lauf selbst in Dortmund fehlen mir leider die Erinnerungen. Aber inzwischen bekomme ich im Training das Gefühl dafür, wann ich die Position besser treffe und wann nicht.“
Erstmals ist der Deutsche Hallenmeister gerade für fünf Wochen im DLV-Trainingslager in Clermont im US-Bundesstaat Florida dabei gewesen, um sich auf die Sommersaison vorzubereiten. Wieder ein weiterer Schritt in Richtung Professionalität. „Bisher war ich höchstens zwei Wochen lang im Trainingslager.“ Ein Testwettkampf mit zwei Rennen (13,80 sec | 13,81 sec) und jeweils zu viel Rückenwind (+4,4 m/sec | +3,2 m/sec) ist schon vielversprechend gelaufen. „Der Rückenwind kommt mir eher nicht zu Gute, da mir dadurch Distanz zur Hürde leichter verloren geht. Insofern sind die Zeiten zu so einem frühen Zeitpunkt der Saison sehr gut.“
Auch im Freien zu internationalen Meisterschaften
Als es im Vorlauf der Hallen-EM in Istanbul in 7,80 Sekunden um eine Hundertstelsekunde nicht für das als Ziel ausgegebene Halbfinale reichte, war Tim Eikermann erst einmal enttäuscht, mittlerweile ist aber auch eine wertvolle erste Erfahrung bei einer internationalen Meisterschaft der Männerklasse geblieben. Von der möchte er in den kommenden Jahren profitieren und sich in diesem Sommer auf einem Niveau um 13,50 Sekunden einpendeln.
„Wenn ich einmal darunter bleibe, habe ich die Norm für die EM 2024 in Rom. Es wäre gut, dafür Planungssicherheit zu haben, da im kommenden Jahr nicht viel Zeit bleiben würde, sich zu qualifizieren.“ Auch Punkte für das World-Ranking und eine eventuelle Qualifikation für die WM in diesem Sommer in Budapest (Ungarn; 19. bis 27. August) zu sammeln, ist schon eingeplant, bei Meetings wie in Weinheim (27. Mai), Regensburg (3. Juni) oder Genf (Schweiz; 10. Juni). Fällt auf diesem Weg die vom DLV für die WM geforderte Bestätigungsnorm (13,49 sec), öffnet das vielleicht noch einmal Türen für im World-Ranking noch höherwertigere Meetings.
Eine Alternative als internationaler Saisonhöhepunkt bieten in diesem Sommer die World University Games in Chengdu (China; 28. Juli bis 8. August), für die 13,60 Sekunden als Norm gefordert sind. Sein Bachelorstudium in Sportwissenschaften hat der Student übrigens fast in Regelstudienzeit abgeschlossen und studiert nun Lehramt. Dabei stellt er den Fortschritt des Studiums mittlerweile hinter seinen sportlichen Zielen an.
Neue Generation von Hürdensprintern?
„Dass ich einmal so weit komme, habe ich selbst und auch andere nicht gedacht“, sagt der Aufsteiger. „Jetzt möchte ich die Lücke schließen, die in den vergangenen Jahren im Hürdensprint entstanden ist. Und neben mir gibt es einige weitere Athleten, die das schaffen können. Ich bin auch gespannt, was sie in diesem Sommer auf die Bahn bringen.“
Damit meint er seinen langjährigen Wegbegleiter durch die Altersklassen Stefan Volzer (VfL Sindelfingen) sowie Manuel Mordi (Hamburger SV) und Gregory Minoue (TV Angermund), die bei der Hallen-DM das Podium komplettierten. „Vielleicht werden wir vier in diesem Sommer unter 13,70 Sekunden bleiben. Das wäre eine gute Perspektive für die Zukunft.“
Video-Interview: Tim Eikermann: "Die Zeit ist die Kirsch auf der Sahnetorte"
Video: Bestleistung und Hallen-EM-Norm für Eikermann über die Hürden