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Florian Bremm – Trotz Schichtarbeit in den Spitzensport

© Gladys Chai von der Laage
In Kassel haben im vergangenen Sommer zehn Athletinnen und Athleten erstmals bei Deutschen Meisterschaften ganz oben gestanden. Dazu zählen viele junge, neue Gesichter in der DLV-Spitze. Wir stellen sie vor. Heute: Langstreckler Florian Bremm (LSC Höchstadt/Aisch).
Jan-Henner Reitze

Florian Bremm

LSC Höchstadt/Aisch

Bestleistung:
5.000 Meter: 13:30,87 min (2023)

Erfolge:
Deutscher Meister 2023

Völlig ausgepumpt liegt Florian Bremm im Ziel auf der Bahn des Kassler Auestadions und ist gleichzeitig doch im siebten Himmel. In schwüler Sommerhitze mit Temperaturen über 30 Grad hat er sich gerade über zwölfeinhalb Runden nicht von den Favoriten um Mohamed Abdilaahi (LG Olympia Dortmund), Sam Parsons (SCC Berlin) und Aaron Bienenfeld (SSC Hanau-Rodenbach) abschütteln lassen. Immer wieder kämpfte der Aufsteiger vom LSC Höchstadt/Aisch im 5.000-Meter-Finale erfolgreich um Anschluss.

Auf der Zielgeraden konnte der 23-Jährige ungeahnte Kräfte freisetzen und nicht nur das genannte Trio sondern in einer Hundertstel-Entscheidung auch den weiteren Titelkandidaten Maximilian Thorwirth (SFD 75 Düsseldorf-Süd; 13:35,70 min) hinter sich lassen. In 13:35,65 Minuten sicherte sich der bayerische Landespolizist seinen ersten nationalen Titel in der Männerklasse und sorgte für einen emotionalen Höhepunkt des Meisterschaftswochenendes.

Sein bisher größtes Rennen weist Parallelen zum Verlauf seiner gesamten Karriere auf. Seit Jahren kämpft Florian Bremm um den Anschluss an die nationale Spitze, zuerst sogar neben der Vollzeit-Ausbildung und dann einer Vollzeitstelle im Schichtdienst bei der bayerischen Landespolizei. Im Frühjahr hat er dort doch noch die Aufnahme in die Sportfördergruppe geschafft und kann sich seitdem fast komplett auf den Sport konzentrieren. Darin sieht er den Schlüssel, der die weitere Entwicklung in diesem Jahr ermöglichte und in Zukunft noch in die internationale Spitze führen soll. Eine große Stütze für den Langstreckler ist seine Trainingsgruppe in Erlangen, mit der er seine Leidenschaft fürs Laufen teilt und die für ihn inzwischen zur Familie geworden ist.

Erste Erfolge über die Hindernis-Strecke

Mit der Leichtathletik begonnen hat Florian Bremm nahe seiner Heimat Colmberg in Bayern beim TV Leutershausen. „Da war ich zehn, elf Jahre alt und es hat sich schnell rausgestellt, dass ich im Laufen besser bin als zum Beispiel im Hochsprung“, erzählt der heutige Leistungssportler. Jürgen Scheibenberger legte die Grundlagen im Laufbereich und betreute ihn bis 2021 als Heimtrainer. Schon als U16-Athlet gehörte der Nachwuchsathlet über 800 und 3.000 Meter zu den Top Ten seiner Altersklasse in Deutschland. Über 800 Meter hatte er als M15-Athlet zum Beispiel eine Bestzeit von 2:02,26 Minuten.

Dass er zur nationalen Spitze zählt, wurde dem damaligen Schüler erstmals 2016 so richtig bewusst, als er bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Mönchengladbach über 3.000 Meter in 8:48,83 Minuten zu Silber in der Altersklasse U18 spurtete. „Das hat mir gezeigt, dass ich Potenzial habe und mit dem Laufen etwas erreichen kann.“ Um mit Trainingspartnern auf seinem Leistungsniveau trainieren zu können, pendelte er zu diesem Zeitpunkt einmal wöchentlich in das etwa eine Autostunde entfernte Erlangen zum Stützpunkttraining unter Jörg Stäcker.

Internationale Premiere in der U20

Dort lernte er unter anderem den zwei Jahre älteren Niklas Buchholz (LSC Höchstadt/Aisch) kennen, der bis heute zu seinen Trainingskollegen gehört und schon damals erfolgreich über die Hindernisse unterwegs war. „Er hat mich animiert, es auch mal über die Hindernisse zu versuchen. Ich war davon zuerst nicht gerade überzeugt, habe es dann aber doch gemacht“, erzählt Florian Bremm. Auch bei ihm stellten sich Erfolge ein: Jeweils im zweiten U18- (6:06,37 min) und U20-Jahr (5:58,66 min) holte er sich in Ulm den Jugend-DM-Titel über 2.000 Meter Hindernis. Um Fahrzeiten zum Training zu reduzieren und dort sein Fachabitur zu machen, wohnte die Nachwuchshoffnung zu dieser Zeit unter der Woche in Nürnberg.

Im zweiten U20-Jahr bescherten ihm außerdem 9:03,50 Minuten über 3.000 Meter Hindernis die Qualifikation für die U20-EM in Borås (Schweden), wo ihm nur anderthalb Sekunden zum Finaleinzug fehlten. Zum Abschluss der U20-Klasse brachte die Cross-EM in Lissabon (Portugal) einen weiteren Start im Nationaltrikot.

Vollzeit-Ausbildung und Streckenwechsel

Um nach seinem Schulabschluss seine sportlichen Ziele bestmöglich mit einer beruflichen Perspektive zu verbinden, bewarb sich Florian Bremm für eine Ausbildung in der Sportfördergruppe der Landespolizei Bayern, die eine Freistellung für den Sport von Februar bis August bedeutet hätte. Allerdings reichten seine sportlichen Erfolge dafür nicht aus. Dennoch entschied sich der damals 19-Jährige für die Polizei und begann dort eine reguläre Ausbildung.

Trotz der Doppelbelastung von Vollzeit-Ausbildung und Training verbesserten sich die Zubringerleistungen. Zum Beispiel gelang über 1.500 Meter die Steigerung auf 3:47,08 Minuten oder über 2.000 Meter Hindernis auf 5:44,16 Minuten. Auf den 3.000 Metern Hindernis lief es aber nicht wie gewünscht. Die Neun-Minuten-Marke wollte einfach nicht fallen. „Ich habe es im Wettkampf einfach nicht zusammenbekommen, trotz verbesserter Fitness.“

Sein Ziel, in die nationale Spitze vorzustoßen, wollte der Athlet aber nicht aufgeben. Ein neuer Plan musste her, und so entschied sich Florian Bremm nach der Saison 2021, sich von der Hindernis-Strecke zu verabschieden und mit Melanie Jäger als neuer Trainerin die 5.000 Meter in Angriff zu nehmen. Damit verbunden war auch der endgültige Anschluss an die Trainingsgruppe in Erlangen, die online über ihre Seite running-gags.de ihre Leidenschaft fürs Laufen teilt. "Ich wollte mir noch einmal eine Chance geben, meinen Traum vom Anschluss an den Spitzensport zu verwirklichen."

Aufnahme in die Sportförderung der Landespolizei gelingt

Auf die 5.000 Meter zu setzen, stellte sich als richtig heraus, auch wenn dies im Alltag eine große Herausforderung war. „Ich habe auf der Kante trainiert. Mein Leben bestand nur aus Sport und Arbeit“, so Florian Bremm, der mit Colmberg, Nürnberg und Erlangen weiter zwischen drei Wohn-, Trainings- und Arbeitsstandorten pendelte. Angetrieben, diese Belastung durchzuziehen, wurde er auch durch eine Zahl: 13:45,00 Minuten. Das war der Richtwert, der ihm nach Abschluss seiner Ausbildung die Aufnahme in die Sportfördergruppe der bayerischen Landespolizei versprach.

Die Trainingsumstellung machte sich 2022 schon in der Halle in Leipzig mit Bronze über 3.000 Meter (8:07,87 min) und damit der ersten DM-Medaille bei den Männern bezahlt. Zum Auftakt des Sommers lief auch gleich das erste ernsthafte 5.000-Meter-Rennen mit einer Zeit von 13:53,87 Minuten vielversprechend. Anfang Juli in Heusden-Zolder (Belgien) war es dann so weit: Die Steigerung auf 13:42,03 Minuten öffnete die Tür in die Sportfördergruppe. In Wattenscheid folgte der Titel bei der U23-DM (14:14,88 min). Ende November holte sich der Langstreckler auch noch den U23-Titel bei der Cross-DM in Löningen.

Die formale Entscheidung zur Aufnahme in die Sportfördergruppe war allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen. Nach seinem Ausbildungsabschluss im August arbeitete Florian Bremm Vollzeit im Schichtdienst bei der Landespolizei, so dass auch der Saisonaufbau für 2023 noch mit der Arbeit verbunden werden musste. Erst seit Februar ist der 23-Jährige, der seit dem Jahreswechsel für den LSC Höchstadt/Aisch startet, bis auf ein Monatspraktikum pro Jahr für den Sport freigestellt.

Durchbruch in nationale Spitze

Gewonnene Zeit im Alltag für Regeneration und unter anderem ein Trainingslager in Südafrika machten den nächsten Schritt der Leistungsentwicklung möglich: Zum Saisonauftakt über 5.000 Meter Ende Mai steigerte Florian Bremm seine Bestzeit in Oordegem (Belgien) auf 13:30,87 Minuten, was ihm die Nominierung für die Team-EM einbrachte. Mit Rang zwölf (14:14,87 min) und seinem Rennen in Chorzów (Polen) war er dann nicht ganz zufrieden.

Sein Triumph-Lauf bei der DM in Kassel zwei Wochen später zeigte dann, dass er die gesamte nationale Konkurrenz hinter sich lassen kann. „Das war wirklich ein Riesenmoment für mich. Insgesamt auch der Lohn dafür, dass ich so lange an mich geglaubt habe und drangeblieben bin“, blickt er zurück. „Es war auch toll, dass ich den Moment mit meiner Trainingsgruppe feiern konnte. Als ich in die Mixed-Zone gekommen bin, haben sich alle mit mir gefreut und gratuliert.“ Zu dem Rennen gibt es ein ausführliches Video auf dem Youtube-Kanal der „Running Gags“.

Trainingspartner sind auch Mitbewohner

Seit April wohnt Florian Bremm auch mit zwei seiner Mitstreiter, Theodor Schell und Friedrich Biniok (LSC Höchstadt/Aisch), in einer WG in Erlangen. Neben der Jagd nach ihren Bestzeiten auf den offiziellen Strecken der Leichtathletik steht die Gruppe auch für die Gemeinschaft, die durch das Laufen entsteht. Dazu gehören auch Veranstaltungen wie die „Biermeile“.

„Es ist und bleibt meine Philosophie nicht immer alles todernst zu nehmen. Dazu gehört auch, zum Beispiel in der Offseason, mal so einen Spaß mitzumachen. Das hilft auch, den Kopf frei zu bekommen“, erzählt der Deutsche Meister, der sich auch mit um die Social-Media-Kanäle der „Running Gags“ kümmert.

EM in Rom ist das erklärte Ziel

Aktuell kann Florian Bremm erstmals ohne Vollzeit-Job seinen Saisonaufbau beginnen und sich seine nächsten Ziele setzen. Die Planung ist schon fortgeschritten. Nach einem Trainingslager in Südafrika ist ein Start bei der Cross-DM in Perl (25. November) geplant. Wenn wie in den vergangenen beiden Jahren die Qualifikation gelingt, möchte er auch an der Cross-EM in Brüssel (Belgien; 10. Dezember) teilnehmen.

„Danach plane ich eine Hallensaison in den USA, auch um dort Punkte für das World Ranking zu sammeln“, erzählt der Aufsteiger, der auch bei der Hallen-DM in Leipzig (17./18. Februar) an den Start gehen will. Großes Ziel für 2024 ist die Teilnahme an der EM in Rom (Italien; 7. bis 12. Juni). Als Direkt-Norm hat der Europaverband European Athletics für die 5.000 Meter 13:20,00 Minuten festgelegt.

Video-Interview: Florian Bremm: "Gute Leistung, die ich mental abgeliefert habe"

Das sagt der DLV-Teamleiter Lauf/Gehen Werner Klein:

Florian hat in diesem Jahr eine tolle Entwicklung hingelegt. Insbesondere bei den Deutschen Meisterschaften hat er sich stark präsentiert und Konkurrenten mit einer deutlich schnelleren Bestzeit hinter sich gelassen. Mit seinem Start bei der Team-EM hat er auch erste Erfahrungen in der A-Nationalmannschaft gesammelt.

Es gibt Potenzial für noch mehr. Wenn Florian weiterhin so erfolgreich an sich arbeitet, ist der Anschluss an die internationale Spitze möglich. Ich sehe dieses Potenzial langfristig und auch schon für die EM im kommenden Jahr.

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