Auftakt nach Maß: Mit einem Satz über 4,50 Meter hat Stabhochspringerin Annika Roloff (MTV 49 Holzminden) am Freitag im türkischen Belek ein neues Leistungsniveau präsentiert und zugleich die Norm für die Olympischen Spiele in Rio (Brasilien) abgehakt. Wie die 25-Jährige in den vergangenen Monaten die Freude am Springen wiederentdeckt hat, welche zwei Männer ihr dabei zur Seite stehen und wie es im Olympia-Sommer für sie weitergehen wird, verriet sie im Interview.
Annika Roloff, Sie sind die erste deutsche Stabhochspringerin mit Olympia-Norm! Eine ganz neue Situation für Sie…
Annika Roloff:
Ja, das ist auf jeden Fall ungewöhnlich. Ich hatte auch nicht damit gerechnet. Der Wettkampf war ziemlich spontan. Jörn Elberding [Anm d. Red.: DLV-Teamleiter Stabhochsprung] wollte die guten Bedingungen in Belek unbedingt noch nutzen und ich bin froh, dass das so gut geklappt hat!
4,40 Meter haben Sie schon vor fünf Jahren erstmals gemeistert. Aus 4,50 Meter wurde bisher nie etwas. Was bedeutet Ihnen jetzt mehr: die Norm oder der Leistungsschritt?
Annika Roloff:
Es stimmt, ich springe seit ungefähr fünf Jahren dasselbe. Das ist in den letzten zwei, drei Jahren schon frustrierend gewesen. Ich bin drüber, und dann reiße ich mit dem kleinen Finger. Oder mit dem Ellbogen… Irgendwann glaubt man nicht mehr daran, dass man das überhaupt springen kann. Jetzt habe ich die 4,50 Meter geschafft, das ist ein befreiendes Gefühl! Aber ich betrachte das eher als ersten Schritt zu höheren Höhen. Klar ist es die Olympia-Norm. Für mich ist es aber wichtig, noch höher zu springen.
Ob es für die Nominierung reichen wird, muss man ohnehin abwarten. Viele deutsche Athletinnen können ja noch deutlich höher springen.
Annika Roloff:
Ich bin mir fast sicher, dass 4,50 nicht reichen werden. Natürlich kommt es auch immer auf die Bedingungen hier in Deutschland an. Aber es gibt viele gute deutsche Stabhochspringerinnen, die auch bei schlechtem Wetter gute Höhen springen können.
Wie zufrieden waren Sie denn mit Ihrem Sprung über 4,50 Meter?
Annika Roloff:
Was das Sprunggefühl betrifft, war der viel, viel besser als alle Sprünge, die ich in den letzten Jahren gemacht habe. Auch die Sprünge bei den Deutschen Hallenmeisterschaften waren nicht so gut, und da bin ich mit Bestleistung von 4,46 Metern Dritte geworden. Vom Gefühl her war das am Freitag einer meiner besten Sprünge überhaupt. Auch die Trainer haben mir bestätigt, dass ich das, was wir in den letzten zwei Wochen in Belek trainiert haben, gut umgesetzt habe. Das ist auf jeden Fall eine gute Basis zum Weiterarbeiten.
Sie haben im vergangenen Winter den Trainer gewechselt. Ein Grund für die Steigerung?
Annika Roloff:
Ich bin von Hannover nach Potsdam und von meinem Vater [Klaus Roloff] zu Stefan Ritter gewechselt. Ich würde nicht sagen, dass Stefan besseres Training macht als mein Vater. Aber es ist ein anderes Training. Ich habe seit so viele Jahre bei meinem Vater trainiert. Irgendwann rutscht man in ein Schema, das man wieder aufbrechen muss. Das ist der erste Schritt, um neue Leistungen zu bringen. Hinzu kam, dass ich in Hannover alleine war. Mein Vater kam zweimal in der Woche zu mir zum Techniktraining, alles andere habe ich alleine gemacht. Das ist nicht gerade motivierend, und wenn ich meinen Sport nicht so lieben würde, dann hätte ich wahrscheinlich schon aufgehört.
„Ganz oder gar nicht“ – Kann man so Ihre Entscheidung für die Veränderungen umschreiben?
Annika Roloff:
Genau. Im letzten Jahr nach der Sommersaison hatte ich eigentlich die Nase voll. Ich habe mir gesagt: Wenn ich im nächsten Jahr weiter mache, dann möchte ich das vernünftig machen und keine halben Sachen. Dann habe ich das mit meinem Vater besprochen. Bei Stefan hatte ich sogar schon ein Jahr vorher angefragt, er hatte schon damals gesagt, dass er das gut fände. Mein Vater unterstützt mich aber immer noch, fährt mit zu Wettkämpfen und ist immer dabei. Nur haben wir jetzt nicht mehr den sportlichen Druck, der auf unserer Beziehung lastet. Unser Verhältnis ist viel entspannter geworden.
Wie ist Ihre Trainingssituation in Potsdam?
Annika Roloff:
In Potsdam habe ich eine Gruppe. Die anderen machen dasselbe, die mögen dasselbe. Da ist natürlich auch die Motivation beim Training viel größer. Mit Anjuli Knäsche [Deutsche U23-Meisterin] wohne ich in einer WG zusammen. Mal gehen wir zusammen zum Training, die Technikeinheiten machen wir aber meist getrennt, je nachdem, wie Stefan gerade Zeit hat. Ich laufe ja auch noch die Hürden, fester Bestandteil ist einmal pro Woche Sprinttraining bei Thoralf Neumann, da trainiere ich dann mit Paula Hasse [dt. Nr. 2 der U20 in der Hallensaison] zusammen.
Im Trainingslager in Belek waren Sie erstmals Teil des großen deutschen Stabhochsprung-Teams…
Annika Roloff:
Ja, ich bin noch nie auf so ein großes Trainingslager mitgefahren. Das Stadion, das Hotel, alles drum herum: Die Anlagen in Belek sind prädestiniert dafür, um gut zu trainieren. Das ist der Wahnsinn! Mit Leuten zu trainieren, die dasselbe Ziel haben, genauso ehrgeizig dafür arbeiten, ist immer super. Wenn man sie sonst nicht die ganze Zeit sieht und dann gemeinsam trainiert, bringt das noch mal einen Extra-Motivationsschub. Im Wettkampf gegen Katharina Bauer zu springen, war ein perfekter Saison-Einstieg für mich.
Wenn die Saison mit 4,50 Metern losgeht: Wie soll sie in den nächsten Wettkämpfen weitergehen?
Annika Roloff:
Ich starte als nächstes bei unserem Heim-Meeting in Holzminden, dann beim Pfingstsportfest in Rehlingen, beim Marktplatzspringen in Recklinghausen und bei der Hochschul-DM in Paderborn. Technisch ist da noch viel Luft nach oben! Manchmal habe ich das Gefühl, der Stab springt mich und nicht ich den Stab. Mal gucken, was noch möglich ist, wenn ich die Anweisungen gut umsetze. Vielleicht kommen dann 4,60 Meter oder sogar noch mehr heraus. Fit bin ich!
Und wie bewerten Sie Ihre Chancen für die EM in Amsterdam und die Olympischen Spiele in Rio?
Annika Roloff:
Ich wünsche mir auf jeden Fall einen Startplatz bei der EM oder vielleicht sogar in Rio! Dafür arbeite ich. Es wäre dumm zu sagen: Die anderen sind viel besser. Ich will mich da nicht in den Schatten stellen, sondern meine beste Leistung bringen. Und wenn es reicht, dann reicht es. Wenn nicht, dann ist es auch okay. Aber dann weiß ich, dass ich alles dafür getan habe, um dorthin zu fahren.
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