Carl Dohmann (SCL-Heel Baden-Baden) hat am Samstag in Andernach zum zweiten Mal nach 2013 den deutschen Titel im 50 Kilometer Gehen geholt. Viel wichtiger noch: In 3:50:12 Stunden blieb er wie auch der zweitplatzierte Hagen Pohle (SC Potsdam; 3:51:18 h) unter der Olympia-Norm für Rio (Brasilien). Wie er diesen Erfolg bewertet, warum es diesmal besser lief als beim Ausstieg bei der WM in Peking (China) und welche Rechnung er noch mit seinem Trainer Robert Ihly offen hat, verriet der 25-Jährige anschließend im Interview.
Carl Dohmann, in Peking mussten Sie aussteigen. Heute haben Sie die Olympia-Norm für Rio unterboten. Die perfekte Wiedergutmachung?
Carl Dohmann:
Man kann das nicht ganz vergleichen. Das eine ist der Jahreshöhepunkt, das andere die Olympia-Qualifikation. Aber im Großen und Ganzen ist es mir lieber, jetzt die Olympia-Norm zu haben, als bei der WM 20. zu werden und ohne Quali dazustehen. Von daher bin ich jetzt sehr glücklich.
Was lief in Andernach anders als in Peking?
Carl Dohmann:
In Peking war das größte Problem, dass ich im Vorfeld eine Verletzung hatte, eine Zerrung im hinteren Oberschenkel. Zwar haben wir die Schmerzen gerade noch wegbekommen, aber ich war einfach nicht im Wettkampf-Rhythmus. Ich war körperlich nicht dazu in der Lage, ein höheres Tempo zu gehen. Die Vorbereitung auf Andernach verlief ganz anders, ohne Verletzung, ohne Krankheiten.
Hatten Sie bei Ihrem WM-Ausstieg schon im Hinterkopf, sich für den Angriff auf die Olympia-Norm zu schonen?
Carl Dohmann:
Natürlich versucht man immer, das Bestmögliche rauszuholen. Aber in Peking musste ich mir schon nach etwa 20 Kilometern eingestehen, dass ich das Ziel an dem Tag nicht erreichen kann. Ins Ziel zu kommen war einfach irgendwann nicht mehr realistisch. Daher habe ich auch mit der Deutschen Meisterschaft im Hinterkopf gedacht, ich steige lieber bei Kilometer 25 aus, als das Ganze noch zehn Kilometer hinauszuzögern. So konnte ich mich anschließend schneller erholen.
Mit welchem Gefühl und welchem Ziel sind Sie dann die 50 Kilometer bei den Deutschen Meisterschaften angegangen?
Carl Dohmann:
Ich hatte gut trainiert, dementsprechend optimistisch war ich, dass es mit der Norm klappen kann. Aber bei den 50 Kilometern kommt es immer auch auf Kleinigkeiten an. Man hat sehr schnell zwei, drei Minuten verloren, wenn man einen taktischen Fehler macht oder falsch trinkt. Aber ich wusste schon, dass die Norm möglich ist.
Wie so oft waren Sie in der Spitzengruppe umringt von Potsdamer Athleten. Können Sie sich hier einer Teamtaktik anschließen oder sind Sie auf sich alleine gestellt?
Carl Dohmann:
Diesmal war es so, dass wir alle gegenseitig voneinander profitiert haben, denn wir hatten alle die Norm als Ziel. Wir kennen uns ja auch alle aus Trainingslagern. Es ist nicht so, dass wir nie zusammen gehen. Wir hatten es hier leicht uns abzusprechen, das hat für alle gut funktioniert, wir konnten uns gut abwechseln.
Hagen Pohle hatte sich auf der zweiten Hälfte der Strecke einen kleinen Vorsprung herausgearbeitet. Haben Sie da Ihren zweiten DM-Titel schwinden sehen?
Carl Dohmann:
Was den Titel betrifft, habe ich mir gar nicht so viel Druck gemacht. Mir war die Norm wichtiger. Als Hagen weggegangen ist, habe ich gemerkt, ich könnte mitgehen, aber ich würde es vielleicht nicht durchhalten. Daher habe ich mir gesagt, ich gehe liebe dahinter mit Nils Brembach und dem Italiener Tontodonati, und schaue, ob ich am Ende noch mal angreifen kann – oder wenigstens das Tempo hochhalten, um die Norm nicht zu gefährden. Es war ein schwieriges Rennen und ich habe mich nicht besonders gut gefühlt. Aber trotzdem konnte ich bis auf die letzten drei Kilometer jederzeit das Tempo halten.
Sie konnten sich auf den letzten Kilometern wieder heransaugen und schließlich vorbeigehen. Sind das die Momente, in denen so ein Wettbewerb besonders Spaß macht?
Carl Dohmann:
Das ist gar nicht so leicht zu sagen… Zu sehen, dass ich wieder herankomme, war schon eine große Motivation. Aber es war auch hart. Sagen wir mal so: Der Moment, in dem ich gemerkt habe, dass sowohl der Titel als auch die Norm möglich sind, hat für die Schmerzen entschädigt. 100, 200 Meter vor dem Ziel war noch mal ein letzter Wendepunkt, und als ich da herum marschiert bin habe ich kurz gedacht: Willst du dir das wirklich noch mal antun (lacht)? Im Ziel war ich dann richtig glücklich – aber auch richtig fertig.
Haben Sie Hagen Pohle ein so starkes 50-Kilometer-Debüt zugetraut?
Carl Dohmann:
Ich habe gehört, dass er relativ gut trainiert hat. Und er hat ja auch die ganze Saison über konstant sehr gute Leistungen gezeigt. Prognosen über 50 Kilometer sind schwierig, Hagen ist ja eher ein Kurzstrecken-Typ. Allerdings ist er auch jemand, der sehr gut kämpfen kann und mental sehr stark ist, was wichtig ist für die 50 Kilometer. In Bezug auf den deutschen Meistertitel habe ich ihn als starken Gegner eingeschätzt, ich wusste, wenn er einen guten Tag erwischt, ist für ihn auch die Norm möglich.
Und was sind Ihre Stärken?
Carl Dohmann:
Ich glaube, ich habe inzwischen taktisch ein ganz gutes Gespür, kann einschätzen, wann es zu früh ist, wann ich noch warten sollte... Außerdem bin ich relativ geduldig, das ist für die 50 Kilometer von Vorteil. Und ich bin im Laufe der Jahre auch mental und kämpferisch stark geworden.
Rio ist nun in greifbarer Nähe. Wie bewerten Sie diesen Erfolg für sich persönlich?
Carl Dohmann:
Ich habe mein großes Ziel erreicht, ich bin in Rio dabei – das ist zwar noch nicht offiziell, aber doch so gut wie sicher, wenn man realistisch ist. So richtig habe ich das noch nicht realisiert. Dafür brauche ich vielleicht noch ein bisschen. Aber wenn man ehrlich ist, habe ich mir gestern den Traum erfüllt, den ich seit meiner Jugend hatte.
Eins hat bei der DM noch nicht geklappt: Eine Zeit unter 3:50 Stunden. Wann soll die fallen?
Carl Dohmann:
Was als nächstes ansteht, ist der badische Rekord von meinem Trainer Robert Ihly. Der liegt bei 3:49:22 Stunden. Den will ich im nächsten Jahr auf jeden Fall erreichen, wenn die äußeren Bedingungen es zulassen. Was langfristig darüber hinaus möglich ist, wird man sehen.
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