| Neue Meister

Carolin Paesler – „Hammerwurf ist meine Medizin“

Bei der DM in Erfurt haben sieben Athleten erstmals national ganz oben gestanden. Einige von ihnen gehören zu den "neuen Gesichtern" der Szene, andere belohnten sich dafür, dass sie trotz Rückschlägen weiter an sich glauben. Einer der neuen Meister ist gleich bis an die Spitze der Welt durchmarschiert. Aus dieser bunten Mischung stellen wir heute die Hammerwerferin Carolin Paesler (LG Eintracht Frankfurt) vor.
Jan-Henner Reitze

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail carolin-paesler>Carolin Paesler
LG Eintracht Frankfurt

*16. Dezember 1990
Größe: 1,67 Meter
Gewicht: 80 Kilo

Hammerwurf

Bestleistung: 70,76 m (2014)

Erfolge:

Siebte U20-EM 2009
EM-Zehnte 2014
Deutsche Meisterin 2017

Dass Carolin Paesler nach dem Hammerwurf-Finale im Erfurter Steigerwaldstadion Freudentränen in den Augen standen, lag nicht nur daran, dass sie soeben ihren ersten deutschen Meistertitel gewonnen hatte. Vielmehr waren es das Vertrauen in die eigene Stärke und die Selbstsicherheit im Ring, die sie nach einer schweren Zeit endlich wieder spürte. "Es war rundum toll. Ich war voll in meinem Element", erinnert sich die 26-Jährige, die mit 69,52 Metern die Tages-Bestweite erzielt hatte. "Auch wenn meine Weite noch übertroffen worden wäre, ich war mir sicher, dass ich auch nochmal hätte kontern können."

In den beiden Jahren zuvor hatte sich bei ihren Wettkämpfen kein so positives Gefühl mehr eingestellt. Ein traumatisches Erlebnis hatte die sportlichen Ambitionen in den Hintergrund rücken lassen. Den Tod der Frau von Trainingspartner Garland Porter (USA) hatte Carolin Paesler als Ersthelferin miterleben müssen. Auch mit Hilfe der Sportpsychologin am Berliner Olympiastützpunkt versuchte die Athletin, dieses Erlebnis zu verarbeiten.

"Der Fokus im Wettkampf und der unmittelbare Wille haben gefehlt", sagt die Frankfurterin über die komplizierte Zeit. "Aber das Hammerwerfen hat mir geholfen. Wenn ich werfe, vergesse ich alles andere um mich herum. Es hat mich aufrechterhalten. Das ist meine Medizin."

Michael Deyhle geht, Ron Hütcher kommt

Im vergangenen Winter gab es dazu einen weiteren Einschnitt. Der langjährige Bundestrainer Michael Deyhle wechselte nach dem Karriereende von Betty Heidler (LG Eintracht Frankfurt) ins chinesische Nationalteam. Seine Berliner Gruppe, zu der neben Carolin Paesler unter anderem auch Olympiateilnehmerin Charlene Woitha (SCC Berlin) zählte, brauchte einen neuen Trainer, Ron Hütcher übernahm.

Er und seine neuen Schützlinge mussten sich dann erst einmal kennen lernen. "Er benutzt andere Worte im Techniktraining. Daran musste man sich erst einmal gewöhnen", erzählt Carolin Paesler. Bei den technischen Feinheiten der komplizierten Disziplin ist gegenseitiges Verständnis unverzichtbar. Ron Hütcher brachte aber auch neue Impulse mit. "Mit dem 4,25-Kilo-Hammer hat er ein neues Trainingsmittel eingesetzt. Den hatte ich vorher nie in der Hand", so die Deutsche Meisterin. "Ron hat mit mir ausprobiert, was gut für mich ist und was nicht, und für jeden seiner Athleten einen individuellen Plan ausgearbeitet. Er hat sich richtig dahintergeklemmt." Der Titel in Erfurt ist ein erster Beweis, dass die Zusammenarbeit funktioniert.

Faszination für den Hammerwurf wird im Alter von 13 geweckt

In ihrer Karriere hat Carolin Paesler schon einige Stationen hinter sich. Alles begann in ihrer Heimat Halberstadt in Sachsen-Anhalt. Im Alter von sechs Jahren ging es dort erstmals zum Leichtathletik-Training, wo sich unter ihrem ersten Trainer Volkmar Nothnagel beim VfB Germania Halberstadt mehr und mehr Talent für den Wurfbereich herauskristallisierte. Mit 13 bekam die heutige Sportsoldatin erstmals einen Hammer in die Hand und fand schnell Spaß an dieser Disziplin. "Ich bin ein kleiner Perfektionist", beschreibt sie ihre Faszination für die vier schnellen Drehungen im Ring. "Es macht mir einfach Spaß rumzutüfteln, wie der Hammer am besten fliegt."

Im rund 100 Kilometer entfernten Halle wurde das Training dann immer professioneller ausgerichtet, zuerst unter Anleitung von Erhard Kurz, dann von René Sack. Die Jugendliche pendelte aus ihrer Heimat zu den Einheiten, bis sie mit 18 Jahren umzog. Erste Erfolge stellten sich mit Titeln bei Deutschen Jugendmeisterschaften ein. Es kam auch zu ersten Auftritten auf internationaler Bühne: Platz elf bei der U20-WM 2008 und Platz sieben bei der U20-EM 2009 ebneten den Weg in den Leistungssport.

Ehrung als „Test-Weltmeisterin“, ein Gänsehaut-Moment

Der Abschied aus der U20-Klasse hielt einen Moment bereit, bei Carolin Paesler ordentlich Motivation für die folgenden Jahre tankte. Kurz vor dem Start der Heim-WM in Berlin wurde im Olympiastadion als Testlauf ein U23-Länderkampf ausgetragen. Mit 61,24 Metern gewann die Hammerwerferin ihren Wettbewerb. "Wir durften zwar nicht im Stadion werfen, aber unser Wettkampf wurde auserwählt, um die Siegerehrung zu proben", erinnert sich die damalige Siegerin. "Ich stand dann im Olympiastadion auf dem Treppchen, hörte meine Hymne, sah meine Flagge und an der Anzeigetafel hinter mir war groß geschrieben: World Champion Carolin Paesler. Da wusste ich genau, dieses Gefühl will ich noch einmal erleben!"

Es folgte der Wechsel zu Michael Deyhle nach Frankfurt, den es 2013 mit seiner Trainingsgruppe nach Berlin zog. 2014 gelang mit den ersten 70-Meter-Würfen, der bis heute aktuellen Bestleistung (70,76 m) und Platz zehn bei der EM in Zürich (Schweiz) der Anschluss an die internationale Spitze.

Nach den schwierigen Jahren 2015 und 2016 sowie den erfolgreichen Ansätzen in dieser Saison möchte Carolin Paesler im nächsten Jahr an diese Leistungen ihres bisher besten Jahres anknüpfen. Es steht wieder eine EM vor der Tür. Und das nicht nur zeitlich, sondern auch örtlich, in der Wahlheimat Berlin.

120 Prozent für die Heim-EM

Ein Schlüssel zum Erfolg ist eine saubere Technik. "Weil ich nicht so groß bin und nicht so lange Arme habe, ist es wichtig, dem Hammer einen möglichst langen Weg zu geben", erklärt die 1,67 Meter große Athletin, die eher ein introvertierter Typ ist. Die große Kunst ist es dann einerseits, den Hammer aktiv mit Druck zu beschleunigen, ihn aber auch in anderen Phasen der Drehung einfach locker laufen zu lassen. Ein kompliziertes Zusammenspiel, bei dem auch der Kopf mitspielen muss.

Für die Heim-EM wird Carolin Paesler in der Vorbereitung im Training täglich 120 Prozent geben: "Das macht den Unterschied zwischen einem Sportler und einem Leistungssportler. Dann kommt es noch darauf an, im Wettkampf bei der Sache zu sein und den Kopf beisammen zu halten."

Allein die Aussicht auf einen Start im Berliner Olympiastadion ist eine riesige Motivation. Auf dem Weg dorthin zehren kann die Hammerwerferin auch von ihrem Gefühl von Erfurt: Dass sie eben doch eine Wettkämpferin ist und es die Tage gibt, an denen es einfach läuft. "Ich möchte das zeigen, was irgendwo tief in mir schlummert."

Video: <link video:16910>Carolin Paesler ringt Kathrin Klaas nieder
Video-Interview: <link video:16996>Kathrin Klaas & Carolin Paesler: "Berlin ist nochmal eine richtige Motivation"

Das sagt Bundestrainer Helge Zölkau:

Carolin hat bei den Deutschen Meisterschaften ihre Chance genutzt. Vor dem Hintergrund ihres Trainerwechsels ist die Saison erfreulich gut verlaufen. Mit der methodischen Umstellung im Trainingsaufbau ist sie zurechtgekommen. Auch die Saisonleistung von 70,30 Metern kann sich unter diesen Umständen sehen lassen. Sie ist eine technisch stabile Athletin und hat gute Grundvoraussetzungen, weit zu werfen. In der Maximalkraft gibt es noch Reserven. Auch technische Kleinigkeiten können noch besser werden. Im Eingang sollte Carolin versuchen, etwas besser in der Drehachse zu bleiben. Das Ziel für das nächste Jahr ist die EM-Norm. Eine Endkampf-Teilnahme wäre super. Ich glaube, wenn sie das erreicht, gibt es Carolin noch einmal einen Schub. Sie ist sehr fokussiert und will alles im Training hundertprozentig umsetzen. Manchmal ist sie sogar etwas zu genau. Insgesamt ist sie eine leicht zu führende Athletin, die weiß, was sie will.

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