Der große Disziplin-Check 2016 – Dreisprung Frauen

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: Frauen-Dreisprung.

Alexandra Dersch

Der Moment des Jahres 2016

Es war der Moment, auf den sie so sehnsüchtig gewartet hatte: Bei der Hallen-WM in Portland (USA) erfüllte sich Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz) Anfang März den großen Traum von der internationalen Medaille. Silber – eine schöne Überraschung für die 26-Jährige und ihre ganze Disziplin. Im Sommer hätte sie sich eine Portion dieses Überraschungs-Glücks sicher auch gewünscht, doch bei den Olympischen Spielen fehlte dieses Momentum. Auf Platz acht bei der EM, die bereits unter den Rio-Vorzeichen gestanden hatte, folgte Rang elf bei Olympia. Eine Platzierung, die das wahre Können der Chemnitzerin nicht widerspiegelt.

Jenny Elbe (Dresdener SC), von einer Erkältung bei der EM geschwächt, wo sie dennoch Siebte wurde, verpasste das Olympische Finale gar nur um magere sechs Zentimeter. Dennoch: Beide zeigen konstant gutes Niveau, vor allem Jenny Elbe beeindruckte in diesem Sommer mit einer bislang von ihr ungekannten Stabilität. Allein der Ausrutscher nach oben fehlte.

Eine schöne Entwicklung zeigt auch die 17-jährige Rostockerin Mara Häusler, die sich in diesem Sommer auf 12,71 Meter steigern konnte und bei der U18-EM auf dem fünften Platz landete. Mit beachtlichen 13,16 Metern und U23-DM-Gold meldete sich Sprinterin und Weitspringerin Jessie Maduka (ART Düsseldorf) in ihrem ersten Aktiven-Jahr bei den Spezialistinnen zu Wort.

Die Top Drei

Internationale Top Acht-Platzierungen 2016

Olympische Spiele: keine
EM: 7. Platz Jenny Elbe (14,08 m); 8. Platz Kristin Gierisch (14,03 m)
Hallen-WM: 2. Platz Kristin Gierisch (14,30 m)
U20-WM: keine
U18-EM: 5. Platz Mara Häusler (12,48 m)

Die Hoffnungsträgerin

Isabella Marten, die seit knapp drei Jahren in den USA lebt und trainiert, gelang in dieser Saison der ersehnte Sprung nach vorn. Mit 13,31 Metern deutet die 20-Jährige ihr großes Potenzial an und ist im kommenden Sommer eine Kandidatin für die U23-EM.

Der Pechvogel

Nach einem verheißungsvollen Start ins Wettkampf-Jahr musste die 24-Jährige die Saison schon Anfang Juli mit Oberschenkel-Problemen abbrechen und zuvor auch bereits auf einen Start bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel verzichten, wo sie unter normalen Umständen gute Medaillenchancen gehabt hätte. Dabei hatte sich die Göttingerin in ihren ersten Wettkämpfen bis auf wenige Zentimeter der begehrten 14-Meter-Marke genähert. Nach 2015 war es bereits das zweite Jahr, in dem die Norddeutsche nicht ihr wahres Können abrufen konnte. 2015 bremsten sie hartnäckige Knie-Probleme aus.

Fazit des Bundestrainers

Tamás Kiss, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Tamás Kiss:

Die positive Entwicklung setzt sich fort. Die Silbermedaille von Kristin Gierisch bei der Hallen-WM war eine positive Überraschung für den deutschen Frauen-Dreisprung. Bei Olympia hatte sie dann im Finale mit Kleinigkeiten, wie etwa ihren Schuhen zu kämpfen, was sie daran gehindert hat, ihr ganzes Können zu zeigen. Ein Sprung unter die Top Acht wäre unter reibungslosen Umständen drin gewesen. Jenny Elbe hatte in Rio leider etwas Pech, ihr fehlten sechs Zentimeter für das Finale. Bei der EM, wo Jenny Elbe Siebte und Kristin Gierisch Achte wurden, lag der Fokus bereits mehr auf Rio. Insgesamt war es aber eine gute Saison, in der vor allem Jenny Elbe deutlich stabiler geworden ist. Ihr Gesamt-Durchschnitt hat sich auf 14,16 Meter verbessert.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Tamás Kiss:

Das war natürlich die Silbermedaille von Kristin Gierisch in Portland. Damit hat sie uns alle überrascht. Dass sie das Potenzial für große Sprünge hat, konnte sie auch danach noch mehrfach andeuten. Sie hatte in diesem Sommer einige Sprünge, wo sie viele Zentimeter vor dem Brett liegen gelassen hat. So etwa auch in der Quali der Olympischen Spiele, wo sie 14,26 Meter gesprungen ist. Da hat sie bestimmt zehn Zentimeter vor dem Brett verschenkt. Mit einer ähnlichen Leistung im Finale wäre ein fünfter, sechster Platz drin gewesen.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?

Tamás Kiss:

Kristin Gierisch und Jenny Elbe haben beide ihr Potenzial noch nicht ausgereizt und haben die Chance, um weiter draufzulegen. Bei Jenny Elbe warte ich auf den Ausrutscher nach oben, ihre Stabilität ist bereits jetzt sehr erfreulich. Auch Kristin Gierisch hat mit 14,04 Metern einen guten Gesamt-Durchschnitt. Beide sind natürlich unsere WM-Hoffnungen für das kommende Jahr. Auch von Neele Eckhardt erhoffe ich mir im kommenden Jahr eine erneute Steigerung. Sie hat sich in diesem Sommer bereits nach einer schweren Verletzung im Vorjahr zurückgekämpft und kann nächsten Sommer die 14 Meter knacken. Im Hinblick auf die U23-EM haben wir ein paar Kandidaten. Stefanie Aeschlimann und Isabella Marten etwa, die sich stabilisiert hat. Hoffnungen setze ich aber auch in Jessie Maduka, die als Sprinterin eine tolle Grundschnelligkeit mitbringt und nun aber ganz auf den Dreisprung setzen will. Sie ist ein großes Talent.

Statistik – Das sagen die Zahlen

Die zehn Jahresbesten

14,31 m - Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz)
14,28 m - Jenny Elbe (Dresdner SC 1898)
13,93 m - Neele Eckhardt (LG Göttingen)
13,60 m - Birte Damerius (TSV Rudow)
13,48 m - Katja Demut (Erfurter LAC)
13,43 m - Klaudia Kaczmarek (LAZ Rhede)
13,35 m - Elina Sterzing (LAV Stadtwerke Tübingen)
13,31 m - Isabella Marten (Stuttgarter Kickers)
13,16 m - Eva Linnenbaum (ART Düsseldorf)
13,16 m - Jessie Maduka (ART Düsseldorf)

Entwicklung des Spitzenniveaus

Jahr	Athletinnen > 13,90	Schnitt Top Ten
2005	Silvia Otto (13,93)	13,28
2006	Katja Demut (13,96)	13,30
2007	Katja Demut (14,09)	13,30
2008	Katja Demut (14,00)	13,39
2009	Katja Demut (14,20), Kristin Gierisch (14,02)	13,68
2010	Katja Demut (14,31)	13,50
2011	Katja Demut (14,57)	13,33
2012	Katja Demut (14,21 m), Jenny Elbe (14,06 m), Kristin Gierisch (13,94 m)	13,41
2013	Jenny Elbe (14,12 m)	13,40
2014	Kristin Gierisch (14,31), Katja Demut (14,24), Jenny Elbe (14,20)	13,65
2015	Kristin Gierisch (14,38), Jenny Elbe (14,16)	13,42
2016	Kristin Gierisch (14,31), Jenny Elbe (14,28), Neele Eckhardt (13,93)	13,60

Das fällt auf

Die deutschen Dreispringerinnen überzeugen in der Breite mit Stabilität. Der Zehnerschnitt von 13,60 Meter ist der drittbeste der vergangenen zehn Jahre.
Die einzelnen Top-Drei-Springerinnen sind auch in ihren Leistungen über das Jahr gesehen stabiler geworden. Jenny Elbe hat hier mit 14,16 Metern den Spitzenwert. Sie bleibt damit gar erstmals über der 14-Meter-Marke im Gesamt-Durchschnitt.
Dass Neele Eckhardt eine heiße Kandidatin für die 14 Meter ist, beweist auch ihr guter Gesamt-Durchschnitt von 13,81 Metern.
Die Deutsche Rekordhalterin Katja Demut konnte nach diversen Verletzungssorgen nicht mehr an alte Weiten anknüpfen.

Entwicklung Jahresbestleistungen

Jahr	Deutschland	Europa	Diff	Welt	Diff
2005	13,93 (Otto)	15,11 (Lebedeva/RUS)	1,18	15,11 (Lebedeva/RUS)	1,18
2006	13,96 (Demut)	15,23 (Lebedeva/RUS)	1,27	15,23 (Lebedeva/RUS)	1,27
2007	14,09 (Demut)	15,14 (Lebedeva/RUS)	1,05	15,28 (Savigne/CUB)	1,19
2008	14,00 (Demut)	15,32 (Lebedeva/RUS)	1,32	15,39 (Mbango Etone/CMR)	1,39
2009	14,20 (Demut)	15,14 (Alekhina/RUS)	0,94	15,14 (Alekhina/RUS)	0,94
2010	14,31 (Demut)	15,25 (Rypakova/KAZ)	0,94	15,25 (Rypakova/KAZ)	0,94
2011	14,57 (Demut)	14,98 (Saladuha/UKR)	0,41	14,99 (Savigne/CUB; Ibargüen/COL)	0,42
2012	14,21 (Demut)	14,99 (Saladuha/UKR)	0,78	14,99 (Saladuha/UKR)	0,78
2013	14,12 (Elbe)	14,85 (Saladuha/UKR)	0,73	14,85 (Saladuha/UKR)	0,73
2014	14,31 (Gierisch)	14,89 (Koneva/RUS)	0,58	15,31 (Ibargüen/COL)	1,00
2015	14,38 (Gierisch)	15,04 (Koneva/RUS)	0,66	15,04 (Koneva/RUS)	0,66
2016	14,31 (Gierisch)	14,74 (Rypakova/KAZ)	0,43	15,17 (Ibargüen/COL)	0,86

Das fällt auf

An der europäischen Spitze ist der Ausschluss des russischen Teams deutlich zu spüren.
Weltweit ist die Spitze weiterhin im Bereich über 15 Meter unterwegs – Sphären, die derzeit für die deutschen Dreispringerinnen unerreichbar scheinen.

Video-Clips

Hallen-DM: <link video:13732>Jenny Elbe springt mit persönlicher Bestleistung zum Titel
Hallen-DM: <link video:13768>Jenny Elbe: Freue mich mehr über den Titel, als über die Weite"
Halle PSD-Bank Meeting: <link video:13353>Jenny Elbe springt mit Hallen-Bestleistung zum Sieg
Halle PSD-Bank Meeting <link video:13278>Jenny Elbe: "Habe nicht mit den 14 Metern gerechnet"
Anhalt-Meeting Dessau: <link video:14134>Jenny Elbe bestätigt Top-Form
U23-DM: <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail jessie-maduka-wir-haben-2-3-mal-fuer-dreisprung-trainiert _blank>Jessie Maduka: "Wir haben 2-3 Mal für Dreisprung trainiert"
U23-DM: <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail vom-weitsprung-zum-dreisprung-und-zu-gold _blank>Jessie Maduka: Vom Weitsprung zum Dreisprung und zu Gold

Nachwuchs

U20-DM: <link video:15091>Stefanie Aeschlimann jubelt über 13-Meter-Premiere und Gold
U20-Hallen-DM: <link video:13594>Sophie Weißenberg knackt die 13 Meter
U18-DM: <link video:14938>U18-EM-Fünfte Mara Häusler fliegt souverän zum Titel
U16-DM: <link video:15280>40 Zentimeter Steigerung bringt Isabel Hildebrandt Gold