| Jahresausblick

Deutsche Marathon-Läuferinnen stark aufgestellt für 2017

Mit einer sehr guten Breite in der Spitze geht der deutsche Frauen-Marathon in das Jahr 2017. Zwar fehlt im Gegensatz zu früheren Jahren eine Weltklasseläuferin, doch gleich sieben Athletinnen haben das Potenzial, im Frühjahr oder Herbst Zeiten von unter 2:30 Stunden zu erreichen. Nachfolgend wird die individuelle Situation kurz dargestellt, und die Läuferinnen geben eine persönliche Einschätzung zu ihren Zielen.
Jörg Wenig
KATHARINA HEINIG: Erster WM-Start am Horizont

Bestzeit: 2:28:34 Stunden (2016)
Alter: 27 Jahre
Verein: LG Eintracht Frankfurt

Katharina Heinig hat 2016 in Berlin den Durchbruch geschafft. Sie blieb erstmals im Marathon unter 2:30 Stunden und steigerte sich von 2:33:56 auf 2:28:34 Stunden. Zuvor hatte sie mehrfach Pech und daher ihr Potenzial nicht umsetzen können. Als erste deutsche Läuferin unterbot Katharina Heinig beim BMW Berlin-Marathon auch die deutsche Norm für die Weltmeisterschaften in London (Großbritannien), die im August stattfinden. In Vorbereitung auf ihre erste WM wird Katharina Heinig im Frühjahr keinen Marathon laufen. Für die Nominierung braucht sie nur noch einen Leistungsnachweis erbringen. Das sollte ihr am 2. April beim Berliner Halbmarathon gelingen.

„Wenn alles weiter gut läuft in der Vorbereitung ist eine persönliche Bestzeit Pflicht“, sagt Katharina Heinig. Unterbietet sie ihren persönlichen Rekord von 72:55 Minuten in Berlin, hätte sie auch gleich den geforderten Leistungsnachweis für den WM-Marathon erfüllt. Diese Zeit wurde auf 73:15 Minuten festgelegt.

Nach Berlin steht das 10-Kilometer-Rennen beim Paderborner Osterlauf auf dem Programm. „Und dann geht es für mich noch einmal für gute drei Wochen in die Höhe, aber ins südafrikanische Potchefstroom“, erzählt Katharina Heinig, die zurzeit im kenianischen Iten trainiert. Im Mai plant sie noch einen weiteren Wettkampf bevor dann die langfristige Vorbereitung auf London beginnt. „Vor der WM möchte ich dann noch ein oder zwei Höhentrainingslager in den Alpen absolvieren“, sagt sie. „Ich bin davon überzeugt, dass ich den Leistungsnachweis in Berlin erbringe und freue mich daher schon auf meine erste WM.“ Die Planung für den Herbst soll dann nach der WM beginnen.

ANJA SCHERL: Mit Herbst-Marathon für Heim-EM empfehlen

Bestzeit: 2:27:50 Stunden (2016)
Alter: 30 Jahre
Verein: LG Telis Finanz Regensburg

Anja Scherl ist die zweite deutsche Marathonläuferin, der 2016 eine enorme Steigerung gelang. Mit Rang drei beim Haspa Hamburg-Marathon in 2:27:50 Stunden verbesserte sie sich in dem internationalen Topfeld um sensationelle 8:41 Minuten – und das obwohl sie voll berufstätig ist. Auf Rang 44 war sie dann beim Olympia-Marathon in Rio (Brasilien) die beste deutsche Läuferin.

Das Jahr 2017 hat für Anja Scherl gut begonnen. Mitten im Winter, Anfang Februar, lief sie in Bad Füssing über 10 Kilometer eine Bestzeit von 33:17 Minuten. Damit lassen sich zwar über diese Distanz keine Bäume ausreißen, doch es ist ein gutes Zeichen im Hinblick auf ihren ersten Frühjahrs-Saisonhöhepunkt: am 2. April wird sie den Berliner Halbmarathon laufen. Mit konkreten Zielen hält sie sich aber noch zurück: „Ich muss schauen, wie das Training weiterhin verläuft“, sagt Anja Scherl, die seit diesem Jahr zum Top-Team der Deutschen Sporthilfe gehört. „Dadurch wird manches für mich leichter.“

Einen Marathon plant Anja Scherl in diesem Jahr erst wieder im Herbst. „Im Frühjahr ist es zunächst mein Ziel, mich über die Unterdistanzen zu verbessern“, sagt Anja Scherl. In Hannover plant sie nur eine Woche nach dem Berliner Halbmarathon noch einen zweiten Start über die „halbe Distanz“ bei den Deutschen Meisterschaften. „Im Herbst möchte ich mich dann gerne für die Europameisterschaften in Berlin 2018 empfehlen.“ Berlin könnte im nächsten Karriereabschnitt von Anja Scherl eine entscheidende Rolle spielen.

SABRINA MOCKENHAUPT: Erste Standortbestimmung in Berlin

Bestzeit: 2:26:21 Stunden (2010)
Alter: 36 Jahre
Verein: LT Haspa Marathon Hamburg

Sabrina Mockenhaupt kann wieder optimistisch in die Zukunft blicken und plant in Richtung Europameisterschaften 2018 in Berlin. Nach einer langen Kette mit Pech und Verletzungen dient der Berliner Halbmarathon am 2. April dabei als eine erste echte Standortbestimmung. „Mir geht es gut, und ich bin wieder angriffslustig. Deshalb habe ich mich auch dazu entschlossen, in Berlin zu starten“, erklärt Sabrina Mockenhaupt, die bei dem Rennen über die „halbe Distanz“ auf starke deutsche Konkurrenz treffen wird.

Das olympische Jahr 2016 war eines zum Vergessen für die aus dem Siegerland stammende Läuferin, die inzwischen in Schwaben wohnt. Ihr großes Ziel, bei den Spielen in Rio zu starten, ließ sich nicht realisieren, Verletzungen stoppten Sabrina Mockenhaupt. Im Dezember 2015 brach sie sich einen Knochen im Fuß, im Juni 2016 wurde ein sich anbahnender Ermüdungsbruch des Beckens diagnostiziert.

In den letzten Monaten meldete sie sich zunächst mit zwei 10-Kilometer-Rennen zurück. Im Februar lief sie in Schoorl über 10 Kilometer 33:15 Minuten. „Dieses Ergebnis stimmte mich zuversichtlich, dass bis zum Berliner Halbmarathon noch mehr geht.“ Zuletzt folgte ein vierter Platz beim Diekirch-Cross (Luxemburg), und am kommenden Sonnabend startet Sabrina Mockenhaupt bei den Deutschen Cross-Meisterschaften. In der zweiten Jahreshälfte hat sie bereits die Europameisterschaften 2018 in Berlin im Blick: „Im Herbst möchte ich einen guten Marathon mit EM-Norm hinlegen und vor allem gesund bleiben – der Rest kommt dann von selbst!“

FATE TOLA: In die Top Ten beim WM-Marathon

Bestzeit: 2:25:14 Stunden (2012)
Alter: 29 Jahre
Verein: LG Braunschweig

Fate Tola knüpfte beim Mainova Frankfurt-Marathon im vergangenen Oktober an ihre besten Zeiten an. Die frühere zweimalige Wien-Marathon-Siegerin (Österreich; 2011 und 2012) belegte bei dem Rennen einen starken zweiten Platz und lief mit 2:25:42 Stunden die zweitschnellste Zeit ihrer Karriere. Zuvor hatte die aus Äthiopien stammende Läuferin Pech, weil ihre Einbürgerung etwas zu lange gedauert hatte, um noch für die Olympischen Spiele nominiert zu werden. Ihren deutschen Pass erhielt sie zwei Wochen nach dem Ende der offiziellen Meldefrist für die Spiele.

„Meine Saisonplanung sieht einen Start in Hannover und dann im August bei der WM in London vor“, erklärte die 29-Jährige im Rahmen einer Pressekonferenz vor einiger Zeit in Hannover. „Auf diese beide Rennen möchte ich mich mit aller Kraft konzentrieren und das Optimale abrufen.“ Zurzeit ist Fate Tola im Trainingslager in Äthiopien.

Durch ihre Zeit in Frankfurt im Herbst hat sie die WM-Norm bereits erfüllt und muss nun eigentlich nur noch einen Leistungsnachweis über die Halbmarathonstrecke erbringen: Eine Zeit von 73:15 Stunden ist gefragt, die sie auch im Rahmen des HAJ Hannover-Marathons am 9. April erreichen könnte. Für dieses Rennen hat Fate Tola einen Angriff auf den aktuellen Streckenrekord von Olena Burkowska (2:27:07 h) ausdrücklich angekündigt: „Ich setze mir immer große Ziele und konzentriere mich voll und ganz darauf. Wenn dann mit einer WM-Teilnahme alles klappen sollte, nehme ich dort auch einen Top-Ten-Platz ins Visier.“

MONA STOCKHECKE: Erstmals die 2:30-Stunden-Barriere knacken

Bestzeit: 2:31:30 Stunden (2016)
Alter: 33 Jahre
Verein: LT Haspa Marathon Hamburg

Mona Stockhecke dürfte die nächste deutsche Marathonläuferin sein, die die 2:30-Stunden-Marke unterbietet – in den letzten eineinhalb Jahren hatten dies bereits Lisa Hahner, Anja Scherl und Katharina Heinig geschafft. Schritt für Schritt hat sich die zurzeit in den USA lebende Läuferin in den letzten Jahren an diese Barriere herangearbeitet. Beim Hamburg-Marathon wird sie am 23. April starten. Nicht ausgeschlossen, dass Mona Stockhecke schon in ihrer früheren Heimatstadt erstmals eine 2:29er-Zeit erreichen kann. Zuvor testet sie am 2. April ihre Form beim Berliner Halbmarathon. „Bis dato habe ich gut trainieren können, bin stärker und fitter als je zuvor und gespannt, wie ich den Fortschritt bei meinem Heim-Marathon umsetzen kann“, sagt Mona Stockhecke.

„Mein Ziel ist es in diesem Jahr, die Grundlage für die Teilnahme bei den Europameisterschaften in Berlin 2018 zu legen. Die EM-Norm werde ich angreifen, sobald der Qualifikationszeitraum beginnt und die Norm bekannt ist – also definitiv bei einem Herbstmarathon. Auf dem Weg dahin ist es wichtig, dass ich mich auf den Unterdistanzen verbessere. Über 10 Kilometer und im Halbmarathon möchte ich Bestzeiten laufen“, erklärt Mona Stockhecke, die mit dem starken Laufteam Haspa Marathon Hamburg, zu dem jetzt auch Sabrina Mockenhaupt gehört, noch andere Ziele hat: „Ich finde es sehr interessant, deutsche Team-Bestzeiten anzugreifen. Ich glaube an die positiven Effekte von Teamarbeit, die Extrakräfte mobilisieren können.“

Mona Stockhecke ist neben Anja Scherl die zweite deutsche Top-Marathonläuferin, die einen Vollzeit-Job und den trainingsintensiven Laufsport erfolgreich unter einen Hut bringt. Die 33-jährige Klimageologin ist angestellt bei der Züricher Universität, arbeitet zurzeit jedoch im Rahmen eines Schweizer Stipendiums in den USA mit Basis in Duluth an der Universität von Minnesota.

ANNA HAHNER: Comback nach Verletzung beim Ctiylauf in Dresden 

Bestzeit: 2:26:44 Stunden (2014)
Alter: 27 Jahre
Verein: Run2Sky/Gengenbach

Anna Hahner arbeitet zurzeit daran, nach einer langen Verletzungspause wieder zurückzukommen. 2014 schien es, als wäre sie auf dem Weg in die europäische Spitze. Beim Vienna City Marathon gelang ihr ein Sensationssieg in 2:28:59 Stunden. Im Herbst steigerte sie sich dann in Berlin auf 2:26:44 Stunden. Obwohl Anna Hahner die Olympia-Qualifikation schaffte, kam sie jedoch nicht mehr an die Leistungen des Jahres 2014 heran. Hinzu kam Verletzungspech. In der unmittelbaren Olympia-Vorbereitung stürzte Anna Hahner mit dem Rennrad und verletzte sich leicht. In Rio konnte sie starten, blieb jedoch mit Rang 81 deutlich hinter ihrem eigentlichen Potenzial zurück.

„Nachdem ich mir während des olympischen Marathons den Sehnenansatz am Sitzbeinhöcker angerissen hatte, war nach dem Rennen klar, dass ich mehrere Monate absolutes Laufverbot haben werde. Ich bin dann viereinhalb Monate keinen Schritt gerannt. Umso schöner war es, als ich am Neujahrstag 2017 das Jahr laufend beginnen konnte. Und seither geht es stetig voran“, sagt Anna Hahner, die im März beim 10-Kilometer-Citylauf in Dresden erstmals wieder einen Wettkampf laufen wird. „Darauf freue ich mich schon richtig. Klar werde ich dort nicht so schnell sein wie letztes Jahr, als ich gewann. Aber das macht nichts. Der Lauf motiviert mich bei jedem Training.“

Einen Frühjahrsmarathon wird Anna Hahner nicht laufen. „Nach Dresden schauen wir, was das Jahr noch alles bringt. Vorerst konzentriere ich mich auf das Training, das neben Laufen, Radfahren, Schwimmen und Aquajoggen auch viel Kräftigungstraining, TRX, Yoga und Mentaltraining beinhaltet.“

LISA HAHNER: Nächster Marathon vertagt

Bestzeit: 2:28:39 Stunden (2015)
Alter: 27 Jahre
Verein: Run2Sky/Gengenbach

Lisa Hahner wird ebenso wie ihre Zwillingsschwester Anna keinen Frühjahrsmarathon laufen. Geplant war ein Start in Hannover am 9. April, wie der Veranstalter bekannt gab. Die Läuferin hatte auch entsprechend hohe Trainingsumfänge absolviert, entschloss sich aber dann, zunächst noch nicht zum Marathon zurückzukehren.

Auch Lisa Hahner hat bisher einiges Verletzungspech in ihrer Karriere. Nachdem sie sich im Oktober 2013 in Frankfurt auf 2:30:17 Stunden gesteigert hatte, dauerte es zwei Jahre, bis sie wieder bei einem Marathon ins Ziel kam: Im Oktober 2015 lief sie dann das bisher beste Rennen ihrer Karriere und wurde in Frankfurt Deutsche Meisterin in 2:28:39 Stunden. Doch ebenso wie ihre Schwester konnte auch Lisa Hahner im Olympiajahr nicht an ihre besten Zeiten anknüpfen. Bei den Spielen in Rio kam sie auf Rang 82 ins Ziel.

„Während sich Anna eine richtige Verletzung in Rio zugezogen hatte, war bei mir der Tank leer“, sagt Lisa Hahner. „Deshalb habe ich mir nach den Spielen viele Wochen Zeit genommen, in denen ich erstmal keine großen Intensitäten oder Umfänge trainiert habe.“ Im Zeitraum Januar und Februar war Lisa Hahner im Trainingslager in Portugal. „Es gab einen Plan für einen Frühjahrsmarathon. Ich habe mich aber dagegen entschieden und will den Schwerpunkt zunächst auf kürzere Distanzen legen.“ Im Herbst oder auch erst im nächsten Winter will Lisa Hahner auf ihre „Lieblingsstrecke, den Marathon, zurückkehren“.

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