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Felix Wenzel – Für ein bisschen Schwerelosigkeit

Viele junge, neue Gesichter haben bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg ihren ersten nationalen Titel bei den Erwachsenen geholt. Aber auch schon bekanntere Namen werden in der Serie auf leichtathletik.de diesmal vorgestellt, sogar ein Diamond League-Sieger. Heute Dreispringer Felix Wenzel (SC Potsdam).
Jan-Henner Reitze

Felix Wenzel
SC Potsdam

*22. November 1994
Größe: 1,84 m

Dreisprung

Bestleistung: 16,19 m (2017)

Erfolge:

Deutscher Meister 2018

Für einen 23-jährigen Leistungssportler verbringt Felix Wenzel zwei Nächte pro Woche an einem ungewöhnlichen Ort: im Altersheim. Der Dreispringer arbeitet als Brandwache, um sich seinen Alltag finanzieren zu können. Diesen Nebenjob mit nächtlichen Arbeitszeiten hat er sich allerdings bewusst ausgesucht.

„Für einen Job am Tag fehlt mir wegen des Trainings und meines Studiums die Zeit. Und bei der Arbeit im Altersheim kann ich mich schlafen legen“, erzählt der Potsdamer. „Wenn im Haus ein Rauchmelder losgeht, klingelt bei mir ein Telefon und weckt mich. Ich muss dann nach dem Rechten sehen.“ Etwas Schlimmeres ist in seiner Schicht noch nicht passiert, so dass der Job nicht so viele Kräfte kostet, dass es sich negativ aufs Training auswirken könnte.

Dass der Student im Fach Bauingenieurwesen den vollgepackten Alltag in Kauf nimmt, zeigt, wie groß die Leidenschaft für seine Sportart ist. Schon in Kindertagen wurde diese Faszination geweckt. „Ich fand es von Anfang an toll zu springen, weil man sich dabei frei fühlt. Ein bisschen schwerelos“, sagt er.

Als Stabhochspringer aussortiert, Neuanfang im Dreisprung

Nachdem ihm im Alter von acht Jahren einmal in der Woche Schwimmtraining bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) nicht mehr ausreichte, begann Felix Wenzel mit der Leichtathletik. Er besuchte eine sportorientierte Schule und kam dann auf die Sportschule Potsdam. Dank seiner guten turnerischen Fähigkeiten trainierte der damalige Schüler Stabhochsprung und schwang sich als 16-Jähriger über 3,90 Meter.

„Ich gehörte zu der Zeit eher zu den Schmächtigen in meiner Klasse, deshalb wurde ich für eine weitere Laufbahn im Leistungssport an meiner Schule aussortiert und zu Andreas Kühnel geschickt“, erinnert sich der heutige Deutsche Meister an einen Wendepunkt in seiner Jugend. „Ich sollte bei ihm eher freizeitmäßig trainieren.“

Der neue Trainer erkannte aber das Sprungpotenzial seines Neuzugangs und arbeitete mit ihm zuerst im Weitsprung, wo der damals 18-Jährige quasi aus dem Stand die Sechs-Meter-Marke überbot. „Dreisprung war im Training eine Kraftübung fürs Sprunggefühl und die Stabilisation“, erzählt der Athlet. „Als ich dann meinen ersten Dreisprung-Wettkampf gemacht habe, ist mir gleich die Qualifikation für meine ersten Deutschen Jugendmeisterschaften gelungen.“ Schnell folgte der Anschluss an die nationale Spitze im Nachwuchsbereich. 2014 und 2016 gewann Felix Wenzel jeweils den Titel bei den Deutschen U23-Meisterschaften. Auch im Weitsprung verbesserte er sich bis auf 7,14 Meter. Alles unter der Anleitung von Andreas Kühnel, der ihn bis heute betreut.

EM-Ziel verpasst, DM-Titel gewonnen

Das Jahr 2017 brachte die ersten Sprünge über die Marke von 16 Metern, Silber bei den Deutschen Meisterschaften in Erfurt (16,15 m) und die Hoffnung auf die Heim-EM in Berlin ein Jahr später, für die als Norm 16,60 Meter gefordert waren. Nach einem vielversprechenden Aufbau für den Sommer 2018 kam aber im April ein Rückschlag, der sich stärker auswirkte als zuerst angenommen. „Ich habe mir im Techniktraining eine Muskelverhärtung im Oberschenkel zugezogen“, berichtet Felix Wenzel.

Da er sich beim Aufwärmen fit fühlte, trat der 23-Jährige Ende Mai wieder zu einem Wettkampf an und sprang aus kurzem Anlauf 15,70 Meter. Es zog aber doch wieder im Beuger. Neben der Weite war das Resultat des Wettkampfes ein leichter Muskelfaserriss, der die nächste Zwangspause nach sich zog. Erst Anfang Juli war bei den Norddeutschen Meisterschaften wieder ein Start möglich, bei dem erneut aus kurzem Anlauf 15,90 Meter herauskamen. Vor der letzten Qualifikationschance bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg war der EM-Traum in weite Ferne gerückt.

„Im Vorfeld habe ich mir den Druck genommen und auf mein Umfeld gehört. Trainer, Familie und Freunde haben mir gesagt: Felix, habe einfach Spaß“, erzählt der Dreispringer. Im Nürnberger Max-Morlock-Stadion trat er erstmals in der laufenden Saison aus vollem Anlauf aus 16 Schritten an. Seine Tagesbestweite von 16,08 Metern konnte kein Konkurrent überbieten. Favorit Maß Heß (LAC Erdgas Chemnitz) hatte nicht in den Wettkampf gefunden. „Der Titel ist unfassbar schön. Das kann mir keiner mehr nehmen“, erzählt der Sieger. „Aber ich wäre lieber mit einer Weite jenseits der 16,60 Meter Zweiter geworden.“

Potenzial noch nicht ausgeschöpft

Einen optimalen Sprung hat Felix Wenzel in der abgelaufenen Saison nicht erwischt. Deshalb geht er fest davon aus, dass noch deutlich mehr drin ist. Kontinuierliches und verletzungsfreies Training ist der wichtigste Schlüssel zu größeren Weiten. In der gerade beginnenden Vorbereitung soll weniger die Kraft und dafür mehr die Schnelligkeit im Mittelpunkt stehen.

„Technisch möchte ich meinen Schwerpunkt und durch einen sicheren Anlauf den Balken besser treffen“, sagt der Potsdamer, der auch in seiner sportlichen Biographie Hinweise darauf sieht, dass noch mehr geht. „Ich habe relativ spät mit dem Dreisprung begonnen und die Umstellung vom Stabhochsprung, bei dem man ja in die Vertikale springt, ist nicht einfach.“ 2019 soll dann der Schritt erfolgen, der in diesem Sommer noch nicht gelungen ist. Weiten von 16,50 Meter und mehr sind das Ziel.

Video: <link video:18718>Felix Wenzel überrascht im Dreisprung

Das sagt Bundestrainer Charles Friedek:

Felix hat bei den Deutschen Meisterschaften die Gunst der Stunde ergriffen, als Max Heß verletzungsbedingt nicht in den Wettkampf fand. Dies soll seine Leistung in keinster Weise schmälern, sondern vielmehr den Wettkämpfer Felix Wenzel herausstellen, der seine Leistung bringt, wenn es darauf ankommt.

Mit dem Vizemeister-Titel aus dem Vorjahr hat er sich mittlerweile den Nimbus des zweitbesten Dreispringers in Deutschland erarbeitet. Diese Tatsache ist sehr bewundernswert, da Felix und seinem Trainer Andreas Kühnel kaum beziehungsweise keine Förderung zukommt. Aufgrund des späten Dreisprungeinstiegs und der Altersstruktur des bestehenden Förderungssystems fällt er leider aus dem Förderungsraster. Umso schöner, dass Felix sich mit dem Titel quasi selbst etwas belohnen konnte, hierfür von meiner Seite Hochachtung für das Athlet-Trainer-Gespann.

Die Qualifikation für die Europameisterschaften war meines Erachtens nicht aussichtlos, da Felix sich dieses Jahr technisch enorm verbessert hat. Auch wenn seine Bestleistung aus dem Vorjahr stammt, lässt sich deutlich erkennen, wie gut hier gearbeitet wurde. Leider machte eine Verletzung im Vorfeld eine weitere und sehr realistische Leistungsausprägung zunichte. Trotz der Einschränkungen war der Siegsprung von Felix um die 16,40 Meter in der effektiven Sprungweite.

Leider verschenkt Felix zu viel Weite bei seinen Sprüngen, hier fehlt es noch am optimalen Treffen des Brettes. Insgesamt denke ich, dass mit etwas mehr Balkenattacke und weiterer Steigerung der Anlaufgeschwindigkeit in die Sprünge hinein, noch enorme Leistungssprünge zu erwarten sind. Felix hat eine ausgeprägte Physis und auch die maximal realisierbare Geschwindigkeit liegt jenseits von 10,2 m/sec, damit ist alles da, um noch sehr viel weiter zu springen.

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